
Faust trifft Musik
Literarisch-musikalische Begegnungen zum Faust-Jubiläum 2025
Die Druckerschwärze auf den Exemplaren des Faust-Fragmentes war kaum getrocknet, als sich Goethes Freund, der Berliner Komponist Johann Friedrich Reichardt, noch im selben Jahr 1790 an seine „Musik zu Göthes Faust“ machte. Bereits ein Jahr später lagen in Berlin und Weimar von Anton Heinrich Radziwill und Carl Eberwein umfangreiche Bühnenmusiken zu dem Schauspiel vor. 1797 komponierte Johann Ignaz Walter die erste Faust-Oper, die zuerst in Bremen mit großem Erfolg über die Bühne ging. Insbesondere die Veröffentlichung des Faust I knapp zwanzig Jahre später setzte eine nicht enden wollende Flut an Musikwerken in Gang, die kleinste Szenen, aber auch ganze Akte oder sogar alles in Klang setzten. Jeder Komponist, der Rang und Namen hatte oder danach strebte, setzte diese Weltliteratur in Töne, manche nur in einzelnen Liedern, wie Ludwig van Beethoven, Franz Schubert oder Richard Wagner. Andere ließen sich von den euphonischen Klängen dieser Lyrik zu großen Instrumentalwerken inspirieren wie Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert Schumann, Franz Liszt, Gustav Mahler oder Ferruccio Busoni. Die Opern, basierend auf beiden Faust-Teilen, lassen sich bis heute kaum zählen.
Manches davon war sicherlich Gebrauchsmusik, dafür gedacht, sich im bürgerlichen Wohnzimmer oder dem mondänen Salon des 19. Jahrhunderts an den wunderbar klingenden Gedichten zu erfreuen und sie nachhaltig im kulturellen Gedächtnis zu verankern. Dies trifft vor allem auf die unzähligen kleinen Lieder und Chorwerke zu. Andere Kompositionen stellten die Musik, den Tanz oder die Pantomime gleichberechtigt neben den Text auf die Bühne oder in den Konzertsaal. Weltliche Kantaten, Ouvertüren, Walzer, Tragödien, Sinfonien und schließlich 1862 die erste Opernparodie, Julius Hopps „Fäustling und Margarethel“: Die Breite an musikalischen Modellen zum Faust ist so groß wie bei kaum einer anderen Textvorlage der Moderne. Diese Vielfalt zeigt aber nicht nur, wie die Komponisten Goethe jeweils gelesen und verstanden haben, sondern sie ist auch ein Seismograph für den Wandel der Faust-Rezeption der letzten 200 Jahre. Und sie verweist darauf, welche Dimensionen dieses Textes genuin musikalisch sind: einzelne Szenen ebenso wie Regieanweisungen, Textrhythmen ebenso wie durch die Texte erzeugten Bilder und Semantiken.
In Vorträgen und Gesprächen wird die Wirkung des Faust-Textes in der Musikgeschichte gemeinsam erschlossen und diskutiert. Begleitet wird die Akademie von Konzerten, aber auch von Besuchen im Thüringischen Landesmusikarchiv, im Liszt-Haus Weimar und in der Musiksammlung des Goethe- und Schiller-Archivs, um die Orte und Quellen der Faustmusiken kennenzulernen.
Donnerstag, 25. September 2025
Individuelle Anreise zum Hotel Dorint
Am Goethepark Weimar.
15.00 Uhr
Willkommen zur Goethe Akademie!
Begegnungen und Gespräche bei
Kaffee, Tee und Gebäck
Dr. Robert Steegers
Germanist, veröffentlichte mit Norbert Oellers „Weimar. Literatur und Leben zur Zeit Goethes“, Geschäftsführer des Zentrums für Lehrerbildung an der Universität Bonn
Prof. Dr. Christiane Wiesenfeldt
Musikwissenschaftlerin, Universität Heidelberg
16.00 Uhr I Vortrag und Gespräch im Hotel
Wie musikalisch ist Goethes „Faust“?
Eine Einführung
Ob Goethe musikalisch war oder nicht: Darüber streiten sich die Gelehrten. Einig sind sie sich darin, dass seine „Faust“-Dichtung musikalisch ist: nicht nur verwendet sie selbst viele direkte und indirekte Hinweise auf Musik in Szenen, Handlungen und Figuren. Auch scheint den Versen selbst eine Musikalität eingeschrieben zu sein: Sie ‚klingen‘ nicht nur, sondern fordern geradezu eine Vertonung. Diese musikalische Vielfalt gilt es zu entdecken.
Prof. Dr. Christiane Wiesenfeldt
18.00 Uhr | Abendessen im Hotelrestaurant
20.00 Uhr I Exklusiver Liederabend im Festsaal des Goethe-Nationalmuseums
„Faust“-Lieder im Zeitenwandel
Ein Abend zwischen Romantik und Moderne
Im Mittelpunkt dieses Liederabends steht der „König von Thule“ – jenes geheimnisvolle Lied Gretchens, das in zahllosen Vertonungen von Carl Friedrich Zelter, Franz Schubert, Robert Schumann, Franz Liszt, Charles Gounod und anderen eine bemerkenswerte musikalische Wandlung erfahren hat. Die unterschiedlichen Stile und Epochen eröffnen dabei faszinierende Perspektiven auf die emotionale Tiefe und Wandelbarkeit dieser Szene. Ergänzt wird das Programm durch ausgewählte Klavierstücke, die den Geist der „Faust“-Thematik aufgreifen und das Seelenpanorama der Figuren musikalisch ausloten.
Elena Iuliiana Iona (Sopran)
Artemy Sokolowsky (Klavier)
Freitag, 26. September 2025
Frühstück
10.00 Uhr I Präsentation im Thüringischen Landesmusikarchiv
Einblick ins Klanggedächtnis
Zwischen Tinte und Taktstock
Wie hat „Faust“ auf den Theaterbühnen geklungen? Im Thüringischen Landesmusikarchiv öffnen sich die Türen zu musikalischen Schatzkammern: Handschriften, Programmzettel und Partiturmaterial – unter anderem aus dem Deutschen Nationaltheater – veranschaulichen, wie Goethes Werk über Jahrzehnte hinweg immer wieder neu interpretiert wurde. Ein spannender Blick hinter die Kulissen musikalischer Theatergeschichte, der den Bogen vom historischen Quellenfundus zur heutigen Aufführungspraxis schlägt.
Dr. Christoph Meixner
Leiter Hochschularchiv und Thüringisches Landesmusikarchiv
Gelegenheit zur individuellen Mittagspause
14.00 Uhr I Besuch im Goethe- und Schiller-Archiv
Zwischen Handschrift und Interpretation
Entwürfe für die Ewigkeit
Im ältesten Literaturarchiv Deutschlands begegnet man dem „Faust“ auf vielfältige Weise. Die Weimarer Sammlung beherbergt die weltweit umfangreichste Sammlung von Manuskripten zu „Faust I“ und „Faust II“, darunter auch kostbare Musikalien. Ergänzt wird der Besuch durch die aktuelle Ausstellung „Experiment Faust“, die selten gezeigte Handschriften, Vorarbeiten, Entwürfe, Schemata, Konzepte und Reinschriftenbzu Goethes dramatischem Lebenswerk zeigt.
Ulrike Roesler, Musikwissenschaftlerin
Dr. Christian Hain, Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs
18.00 Uhr | Abendessen im Hotelrestaurant
19.30 Uhr I Dialog im Festsaal des Goethe-Nationalmuseums
„Faust“-Musik in Ost und West
Im Dialog mit Peter Gülke
Der Dirigent und Musikwissenschaftler Peter Gülke, geboren 1934 in Weimar, blieb 1983 nach einer Orchestertournee in der Bundesrepublik und kehrte erst 2012, lange nach der Wiedervereinigung, in seine ostdeutsche Geburtsstadt zurück. Wie kaum ein anderer Künstler hat er das Denken über und Interpretieren von Musik in Ost und West geprägt und auch beobachten können, wie und warum man Goethes „Faust“ vertonte.
Prof. Peter Gülke
Dirigent, Musikwissenschaftler und Musikschriftsteller
Prof. Dr. Christiane Wiesenfeldt
Samstag, 27. September 2025
Frühstück
10.45 Uhr I Führung im Liszt-Haus
Im Haus des Meisters
Ein musikalisches Refugium
Am Rand des Parks an der Ilm liegt das ehemalige Hofgärtnerhaus, in dem Franz Liszt von 1869 bis zu seinem Tod 1886 lebte und unterrichtete. Heute als Museum erhalten, bietet das Liszt-Haus einen authentischen Einblick in die späten Lebensjahre des Komponisten. Der Musiksalon mit dem originalen Bechstein-Flügel und das Arbeitszimmer sind in ihrer historischen Ausstattung bewahrt. Die Führung eröffnet einen persönlichen Blick auf den Kosmopoliten, Pädagogen und „Faust“-Vertoner – mitten in jener Stadt, die für ihn künstlerische Heimat war.
Ulrike Roesler
Gelegenheit zur individuellen Mittagspause
14.00 Uhr I Führung in der Vulpius-Galerie
Schätze der Faust-Sammlung
Einblicke in die Vielfalt eines Mythos
In der Vulpius-Galerie der Herzogin Anna Amalia Bibliothek werden ausgewählte Objekte aus der weltweit größten Faust-Sammlung präsentiert. Die Ausstellung zeigt insbesondere die mediale Vielfalt des Faust-Stoffs: von historischen Zauberbüchern über eindrucksvolle Illustrationen bis hin zu Werbeplakaten zum Thema „Faust“.
Dr. Claudia Streim
Wissenschaftliche Bibliothekarin und Kuratorin
15.00 Uhr I Führung im Studienzentrum
Teuflisch! Mephisto in der Bibliothek
Einblicke in die Vielgestaltigkeit des Verführers
Im Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek wird Mephistopheles, der diabolische Gegenspieler von Goethes Faust, aus ungewöhnlichen Perspektiven beleuchtet. Die Ausstellung zeigt die mediale Wandlung dieser ikonischen Figur: von frühen Buchillustrationen und Papiertheatern über Schauspielerfotografien, Comics und Schallplattencovern bis hin zu Werbeplakaten und Alltagsobjekten wie Einkaufstüten und Bierflaschen. Die Präsentation lädt dazu ein, Mephistos facettenreiche Präsenz in Literatur, Kunst und Populärkultur zu entdecken und zu reflektieren, wie viel von ihm vielleicht auch in uns steckt ...
Brigitta Ulferts
Museumspädagogin
18.00 Uhr | Abendessen im Hotelrestaurant
19.30 Uhr I Besuch der Aufführung im Deutschen Nationaltheater
Iphigenie auf Tauris
Eine Heimsuchung von Johann Wolfgang von Goethe & Julienne De Muirier
Gemeinsam mit der Autorin Julienne De Muirier entwickelt Miriam Ibrahim eine zeitgenössische Perspektive auf das Werk, das Goethe selbst als „verteufelt human“ bezeichnete. Die Inszenierung versteht sich als Übung in gewaltlosem Widerstand und als Suche nach einem Ausweg aus den Zwängen der Vergangenheit. Mit ritualhaftem Zusammenspiel der Theatermittel wird die Geschichte der Iphigenie, die zwischen familiärem Fluch und moralischer Integrität steht, neu erzählt.
Sonntag, 28. September 2025
Frühstück
9.00 Uhr I Gelegenheit zum Besuch eines katholischen Gottesdienstes
10.00 Uhr I Vortrag und Gespräch im Hotel
Nähe und Distanz
„Faust“ und seine Vertoner
So sehr die „Faust“-Musik zur Vertonung einlud, so sehr ist jedes Musikstück von der Haltung geprägt, die sein Komponist zu Goethe hatte. Die „Faust“-Musiken sind somit Seismographen der Goethe-Rezeption und der ästhetischen Anschauungen der Komponisten zugleich. Zwischen quasireligiöser Verehrung und Ironisierung Goethes kann man den Vertonungen das gesamte Spektrum aus Nähe und Distanz ablauschen. Dies gilt es an vielen Beispielen zu zeigen.
Prof. Dr. Christiane Wiesenfeldt
12.00 Uhr | Mittagsimbiss im Hotel und Verabschiedung
Änderungen im Programmverlauf und in der Organisation bleiben vorbehalten.