Rückblick – Ausblick. Der Blog „Akademie in den Häusern“
Der Text erschien zuerst im Heft Lebendigen Seelsorge 6/2020, Echter Verlag.
Der Lockdown im März 2020 traf die Thomas-Morus-Akademie und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heftig. Eine Einrichtung, die Menschen einlädt, bei Tagungen, Workshops, Exkursionen und Studienreisen Themen zu erörtern, Probleme gemeinsam zu lösen oder Regionen und Städte zu erkunden und zu erschließen, kann eigentlich nicht ohne die Präsenz auskommen. Begegnungen, Vorträge, Diskussionsrunden leben von dem gemeinsamen Erlebnis, vom Dialog, von der persönlichen Ansprache und direkten Rückmeldung wie auch vom Ringen um Lösungen. Und nun der Lockdown! Sämtliche Veranstaltungen in der Zeit von Mitte März bis Ende Mai mussten abgesagt, Reisen und Erkundungen storniert werden. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlegten nach einer kurzen Schockstarre ihre Arbeit ins Homeoffice.
Akademie in den Häusern
Der Blog der Thomas-Morus-Akademie Bensberg
Fast aus dem Nichts kam bei uns Referentinnen und Referenten die Frage auf, wie wir in dieser Zeit oder besser über diese Zeit des Lockdowns hinaus mit den Gästen und Kunden der Akademie weiter im Kontakt bleiben können. Wie halten wir die Verbindung zu den Menschen, die nun auch in ihren Wohnungen und Häusern sitzen? Die Idee eines Blogs auf der Homepage der Akademie, begleitet von regelmäßigen E-Mail-Newslettern, wurde geboren. Aus dem ersten Enthusiasmus heraus nahmen wir uns vor, jeden Tag im Blog einen oder vielleicht sogar mehrere Beiträge zu veröffentlichen. Und wenn es auch in den Sommermonaten manchmal schwer war, das zu realisieren, können wir doch mit etwas Stolz feststellen, dass wir dies seit nunmehr neun Monaten durchgetragen haben.
Was soll dieser Blog leisten? Auf digitale Weise werden Themen aufgegriffen, die sonst real in der Akademie diskutiert werden, theologische und kirchliche Entwicklungen, aber auch Themen, die im Bereich von Lehrerfortbildungen analysiert und vermittelt werden. Von Anfang an bildet die Kultur einen Schwerpunkt des Blogs, mit Beiträgen zu virtuellen Angeboten, Ausstellungen und Konzerten, zur Kunst- und Kulturgeschichte.
Was beschäftigt uns und die Menschen – in dieser Zeit?
Die „Akademie in den Häusern“ ermöglicht viel Kreativität und freies Denken, auch abseits der üblichen Programmformate und Themenfelder der Akademie. Am Anfang stehen die Fragen: Was beschäftigt uns und die Menschen – in dieser Zeit? Worauf kommt es an? Worauf möchten wir den Blick lenken? Ob in Theologie, Philosophie und Spiritualität, in Kunst und Geschichte, Literatur und Musik oder bei aktuellen, gesellschaftlich relevanten Themen – die Beiträge sind immer persönlich inspiriert. Ideen fließen in die wöchentliche Redaktionskonferenz der Akademiereferentinnen und -referenten ein; dies können eigene Beiträge, Gedanken, Rezensionen oder Empfehlungen sein. Zu Beginn des Lockdowns trieb uns wie viele die Ungewissheit um, wie lange dieser Zustand andauern werde, was er mit uns macht. So präsentierte der Blog philosophische oder spirituelle Herangehensweisen, z.B. von Claus Eurich, Thomas Quartier OSB oder Tomáš Halík. Zum anderen werden aber auch Empfehlungen für die Zeit des Lockdowns gegeben und kreative Ideen beleuchtet, wie andere (Kultur-)Einrichtungen, wie Konzerthäuser, Theater oder Museen, mit der neuen Situation umgehen und neue Formen der Vermittlung und Interaktion, zumeist über das Internet, anbieten. Da gab es zum Beispiel Hinweise auf die „digitale Bach-Passion“ am Karfreitag oder auf die Möglichkeit des virtuellen Kunstgenusses im Amsterdamer Rijksmuseum.
Einen wesentlichen Anteil am Blog der Akademie haben diejenigen, die normalerweise vor Ort unterwegs sind, kultur- oder kunsthistorische Momente erläutern, mit den Gästen der Akademie Nähe und Ferne erkunden: die Studienreiseleiterinnen und -reiseleiter. Auch ihre Arbeitsweise hat sich grundlegend verändert, da Reisen, Exkursionen und Führungen nicht stattfinden können. Mit dem Blog bieten ihnen ein neues Betätigungsfeld: Hier liefern sie anschauliche Hintergründe in Form von Beiträgen zu Reisezielen, Landschaften, Kunst- oder Bauwerken. Auf diese Weise können wir zudem mit kleinen Aufwandsentschädigungen den zahlreichen Freiberuflichen ein wenig über die schwere Zeit hinweg helfen.
Immer wieder geben Jubiläen und Namenstage Anlass, Schlaglichter zu werfen auf historische Ereignisse und Persönlichkeiten, von unserem Namenspatron Thomas Morus über Moondog und Erich Kästner bis hin zu Papst Benedikt XIV.
Auch führten wir Interviews mit Mitarbeitenden der Akademie und Persönlichkeiten, die die Akademie seit vielen Jahren begleiten. So „reisten“ wir online sowohl zu unseren Kolleginnen und Kollegen wie auch zu externen Gesprächspartnerinnen und -partnern – nach Griechenland, Italien, Forsbach und Köln.
Zusammen mit den Texten externer Referentinnen und Referenten bilden die von uns selbst verfassten Beiträge ein facettenreiches und anregendes Spektrum an Themen, welches bei den Leserinnen und Lesern zu vielfältigen Reaktionen und zu einem Dialog mit ihnen geführt hat.
Von Höhen, Tiefen und Neuentdeckungen
Spannende Themen sowie der Konsens, dass unser Engagement im Blog ein gelungener Weg ist, trotz Einschränkungen weiter mit den Akademiegästen und der Außenwelt in Kontakt zu bleiben, waren schnell gefunden. Doch nicht nur unsere Arbeit an sich, sondern auch die Form der Zusammenarbeit innerhalb der Akademie und ganz besonders des Redaktionsteams veränderten sich in den vergangenen Monaten auf bemerkenswerte Weise. Während wir uns vorher vornehmlich innerhalb der Akademie, in unseren Büros und beim gemeinsamen Mittagessen gesehen hatten, wurden wir nun durch Videokonferenzen im Homeoffice Gäste im Zuhause unserer Kolleginnen und Kollegen. Da gab es Bücherregale, Bilder und Gärten zu bestaunen. So rückte in dieser Zeit Stück für Stück die gemeinsame Arbeit ein wenig mehr auch in die jeweiligen Wohnräume. Die wöchentliche Redaktionskonferenz wurde ein Raum des kreativen Austausches über die Themen der Akademie und darüber hinaus.
Beim Schreiben dieses Textes haben wir viele der mittlerweile über 300 Blogartikel noch einmal angesehen und uns an die jeweiligen Gesprächspartnerinnen und -partner, aber auch an Situationen und Zeiten, in denen diese Beiträge entstanden sind, erinnert. In der „Akademie in den Häusern“ lassen sich die vielen Entwicklungen dieses außergewöhnlichen Jahres wie in einer Art kollektivem Tagebuch nachlesen. Von den Umstellung des privaten – wie auch des kulturellen – Lebens, über erste philosophische Überlegungen darüber, wie das Virus unser Leben langfristig prägt, über eine Phase im Sommer in der sich zögerlich eine „neue Normalität“ gewünscht wurde, bis hin zum November, in dem uns nun eine neue Phase der Schließungen und Absagen bevorsteht.
Und dann stellte sich die Frage: Liest das überhaupt jemand? Und wenn ja, wie viele?
Über Klickzahlen und konkrete Besucherzahlen wird ebenso ungern gesprochen wie über das Gehalt. Nur so viel sei gesagt: Wir konnten die Seitenaufrufe im Vergleich zum Vorjahr verdoppeln, teilweise sogar verdreifachen. Interessant ist dabei auch das Verhältnis von wiederkehrenden und neuen Nutzern. Durchschnittlich 60 % der Besucherinnnen und Besucher unseres Blogs sind zum ersten Mal auf unserer Seite, 40 % bilden einen treuen Stamm von Leserinnen und Lesern. Insbesondere in den ersten Wochen haben uns viele positive Kundenrückmeldungen erreicht. „Wie großartig, dass wir in diesen dürren Zeiten so viele interessante Beiträge in Ihrer „Akademie in den Häusern“ finden. Machen Sie bitte weiter so!“, war beispielsweise eine davon. Die starke Resonanz hat uns begeistert und ermuntert, unseren Blog fortzuführen. Immer wieder erhalten wir Anrufe oder E-Mails zu einzelnen Beiträgen, teilweise von uns unbekannten Personen. Manchmal haben sich daraus auch weitere Blogartikel und Gespräche ergeben.
Auf der Facebook-Seite der Akademie sind fast alle Beiträge mit einem Teaser und der Verlinkung auf die Homepage der Akademie zu finden. Die Reichweite variiert je nach Thema und Kooperationspartnern. Insgesamt konnten wir die Zahl der Likes und Follower signifikant erhöhen. Erfreulicherweise hat gleich zum Blogstart die Presse sehr positiv unsere „Akademie in den Häusern“ aufgegriffen und darüber berichtet. Ein Beitrag ist sogar ins Spanische übersetzt und auf einem uruguayischen Portal veröffentlicht worden. Nach wie vor wird der Blog in regionalen Newslettern beworben und angekündigt.
Jede Woche erhalten rund 7.500 Akademiegäste ein E-Mail-Newsletter zur „Akademie in den Häusern“. Darin finden sie einen Rückblick auf die Beiträge, die in den letzten Tagen in unserem Blog erschienen sind sowie einen Ausblick auf die Themen, die in der Woche noch aufgegriffen werden. Dieser Newsletter dient als kleine Zusammenfassung für all diejenigen, die nicht jeden Tag auf unsere Internetseite schauen, aber trotzdem nichts verpassen möchten. In unserer „Akademie in den Häusern“ sind alle Beiträge die seit März erschienen sind, weiterhin nachzulesen.
Wie geht es weiter? Zur Zukunft der „Akademie in den Häusern“
Dieser kleine Beitrag über den Akademieblog entsteht just in jenen Oktobertagen, in denen sich Bundesregierung und Ministerpräsidenten auf einen neuen „Lockdown“ geeinigt haben. Die neuen Auflagen werden wohl weniger scharf ausfallen als jene im Frühjahr, aber der Akademiebetrieb wird erneut empfindlich eingeschränkt. Wir unterstützen diese Maßnahmen, aber sie sind für die Akademie und ihre Gäste ein erneuter Dämpfer. Im Juni konnten wir den Veranstaltungsbetrieb wieder aufnehmen und seither zahlreiche Tagungen und Seminare, Erkundungen und Reisen erfolgreich unter den notwendigen Auflagen durchführen. Der Zuspruch war sehr positiv. Und nun dies. Aber wir sind besser aufgestellt als noch im März. Der Blog wird in den kommenden Wochen erneut die „Hauptverbindungsachse“ zu unseren Gästen werden. Wir sind motiviert, gerade jetzt in der „dunklen Jahreszeit“ Hoffnung und Zuversicht zu verbreiten, dabei einen kritischen Blick auf die Welt zu pflegen und insbesondere der Kultur in all ihren Facetten ein kleines Schaufenster zu bieten. Schon in den letzten Wochen konnten wir feststellen: Die Themen gehen uns nicht aus. Immer wieder findet sich Unerwartetes und Betrachtenswertes. Unsere Reiseleiterinnen und -reiseleiter, die wir so gut zu kennen glaubten, überraschen uns stets auf Neue mit geistreichen, nachdenklichen und witzigen Beiträgen, die wir gerne in unserem Blog teilen. Auch haben wir die vergangenen Monate genutzt, um ausgehend vom Akademie-Blog weitere Angebotsideen zu entwickeln, die wir hoffentlich bald präsentieren können. Dabei kreisen unsere Überlegungen vor allem um zwei Fragen: Wie schaffen wir es, auch unter den schwierigen Bedingungen unserem Motto treu und „dem Besonderen auf der Spur“ zu bleiben? Und: Wie können wir auch ohne unsere Präsenzveranstaltungen Austausch und Begegnung ermöglichen?
Und was wird danach sein, nach dem Lockdown, nach Corona? Immer wieder ist in den letzten Monaten von ganz unterschiedlichen Seiten gesagt worden, dass es nie wieder so werde wie „vor Corona“. Ob das stimmt, wissen wir nicht. Und auch nicht, ob wir uns deshalb fürchten oder freuen sollten. Aber wir können nach den Erfahrungen dieses Jahres sagen, dass wir den Blog weiterführen werden – und zwar unabhängig davon, ob es gerade Veranstaltungen geben kann oder ob wir diese aufgrund von Schutzauflagen zeitweilig aussetzen müssen. Der Blog bedeutet zusätzliche Arbeit, die nicht immer leicht neben dem üblichen Akademiealltag zu bewältigen ist. Aber neben dem Zuspruch der Leserinnen und Leser, der uns motiviert, hat der Blog für uns einen weiteren positiven Effekt: Er bringt uns auf neue Ideen, hält uns immer wieder dazu an, den Blick zu schärfen, Gedanken zu formulieren und gelegentlich auch eine Position einzunehmen. Wir sind daher froh, dass wir den Blog im März „Akademie in den Häusern“ getauft und so jeden Bezug zur Corona-Pandemie vermieden haben. Damit haben wir die Möglichkeit, das Angebot der Akademie im Netz, im Haus und in den Häusern zu entwickeln. Diese Möglichkeit werden wir nutzen!
Erschienen in: Lebendigen Seelsorge 6/2020
Echter Verlag GmbH
Dominikanerplatz 8 | D-97070 Würzburg
lebendige-seelsorge.de
Bildnachweis:
Glenn Carstens-Peters auf Unsplash.com, gemeinfrei
ein Beitrag von Anne-Katrin Kleinschmidt, Matthias Lehnert, Anne Pesch, Julia Steinkamp und Andreas Würbel