Nachgefragt: Wer war Kardinal Schulte?
Im Jahr 1989 zog die Akademie wieder ins Kardinal Schulte-Haus in Bensberg. Von hier, vom „bergischen Balkon“ vor den Toren der Domstadt, bietet sich bei klarem Wetter ein phantastischer Blick über die Kölner Bucht und weit darüber hinaus. Schön ist der Blick, monumental erscheint dieses Tagungszentrum des Erzbistums Köln – und interessant ist es auch, Kardinal Schulte „kennenzulernen“, der von 1871 bis 1941 lebte, und nach dem dieses Haus benannt ist.
Karl Joseph Kardinal Schulte (1871-1941)
Ein Leben für die Seelsorge
Gleich zwei Kölner Erzbischöfe waren an der geistlichen Laufbahn des gebürtigen Sauerländers beteiligt. Antonius Fischer (Erzbischof 1903-1912) war Schultes Religionslehrer am Essener Burggymnasium und spendete ihm 1910 die Paderborner Bischofsweihe. Hubert Theophil Simar (Erzbischof 1900-1902) hatte ihn bereits 1895 in Paderborn zum Priester geweiht und ihm die erste Seelsorgestelle im westfälischen Industrieraum angewiesen. Dabei wäre Schultes Weg zur Weihe beinahe vorzeitig beendet worden. Direktor Düsterwald des Bonner Albertinums hatte ihn wegen eines Wirtshausbesuchs aus dem Theologenkonvikt mit dem Vermerk entlassen, „dass (dieser) keinerlei Aussicht habe, jemals im Bereiche der Erzdiözese Köln angestellt zu werden“. Schulte führte sein Studium deshalb in seiner Heimatdiözese Paderborn fort und wechselte von Bonn an die Theologische Fakultät der Universität Münster. Nach Abschluss des Studiums und nach der Priesterweihe arbeitete er zunächst sechs Jahre als Vikar und Religionslehrer am Realgymnasium in Witten.
Dann aber verlief Schultes kirchliche Laufbahn recht steil. 1901 wurde er als Repetent für Dogmatik am Paderborner Theologenkonvikt berufen, 1903 in gleicher Verwendung ans dortige Priesterseminar. Seine im gleichen Jahr in Tübingen vorgelegte Promotionsschrift über „Theodoret von Cyrus als Apologet“ blieb zwar seine einzige wissenschaftliche Arbeit, sie verschaffte ihm aber eine Dozentur an der philosophisch-theologischen Fakultät Paderborn und 1905 die Ernennung zum Professor für Apologetik und Kirchenrecht. 1909 wurde der gerade mal 38-jährige Schulte zum Bischof von Paderborn gewählt. Gegen die Annahme der Wahl hatte er sich gesträubt, wie er auch 1912 – für dieses Mal mit Erfolg – seine von Vielen favorisierte Wahl zum Kölner Oberhirten abwehrte. Er war als Nachfolger des 1912 verstorbenen Kölner Erzbischofs Antonius Kardinal Fischer in Frage gekommen, da die Beiden außer ihrer miteinander verknüpften Klerikerbiographien auch ihr gemeinsames Eintreten für die überkonfessionellen christlichen Gewerkschaften verband. Das eher liberale rheinisch-katholische soziale Milieu, das Fischer und Schulte vertraten, stand im damaligen Gewerkschaftsstreit in teils scharfen Disput mit der vom Breslauer Fürstbischof Georg Kardinal von Kopp angeführten Gruppe innerhalb des deutschen Episkopats, die ausschließlich konfessionell gebundene und damit der Kirche unterwiesene Arbeitervertretungen ohne Streikrecht genehmigen wollte.
Karl Joseph Kardinal Schulte galt unter den deutschen Bischöfen generell als politisch und gesellschaftlich progressiv. Dazu trugen auch seine Befürwortung der Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts oder die Gründung einer kirchlichen Kriegshilfestelle auch für Opfer gegnerischer Nationen im Ersten Weltkrieg bei. Als 1919 der Kölner Erzstuhl wieder vakant war – Erzbischof Felix von Hartmann war am 11. November verstorben – traten sowohl die Deutsche Regierung in Berlin als auch der päpstliche Nuntius in Deutschland, Eugenio Paccelli, also Rom, für die Wahl Schultes ein. Abermals widerstrebend nahm er das Amt dann doch nach beinahe einstimmiger Wahl am 8. März 1920 an und wurde am 25. März des Jahres inthronisiert. Die Aufnahme ins Kardinalskollegium erfolgte ein Jahr später.
Schultes Tätigkeit als Kölner Erzbischof weist zwei Hauptlinien auf. Zum einen förderte er den wissenschaftlichen Ausbau von Erzbistum und Erzdiözese: Auf ihn gehen die Umgestaltung der Kölner Seminarbibliothek zur Diözesanbibliothek, die Angliederung der Dombibliothek an die Diözesanbibliothek, die Gründung des Historischen Archivs des Erzbistum Köln und die Gründung des Albertus-Magnus-Instituts 1931 in Bonn zurück. Sein Hauptinteresse aber galt der Seelsorge, und zwar der Laien wie des Klerus. Ganz in diesem Sinne ließ er 1926-29 das erzbischöfliche Priesterseminar vom verkehrsumtosten und gesundheitlich wie sittlich nach Vorstellung des Kardinals nicht zuträglichem Standort in der Kölner Marzellenstraße ins Grüne, nach Bensberg, verlegen. Den Grundstein zum heutigen Kardinal-Schulte-Haus legte am 29. Juni 1926 Nuntius Pacelli, der spätere Papst Pius XII.
Schultes Interesse an der Seelsorge darf als die eigentliche Konstante seiner Biographie angesehen werden. Dies vermag auch den äußeren Widerspruch zwischen seiner progressiven sozialen wie politischen Haltung während des Ersten Weltkriegs und der Weimarer Zeit sowie seinem defensiven, nicht in offenen Konflikt mit den Nationalsozialisten eintretenden Verhalten erklären. 1931 hatte sich das erzbischöfliche Haupt der Kölner Kirchenprovinz zwar noch als Wortführer in einem „Mahnwort gegen die Irrlehren der Nationalsozialisten“ gezeigt, 1933 aber, nach dem Machtantritt dieselben Warnungen bedingt zurückzunehmen gesucht, obwohl er sich weltanschaulich wie politisch weiterhin keinen Illusionen gegenüber den neuen Machthabern hingab. Der Einrichtung einer Abwehrstelle für antichristliche Propaganda (1934) und deren Massenverbreitung von aufklärenden, eher katechetischen Broschüren sowie seiner Opposition gegen die Abschaffung der Bekenntnisschulen durch das NS-Regime stand beispielsweise Schultes Versagen der Unterstützung einer 1934 von Bonner Theologen erarbeiteten wissenschaftlichen Abrechnung mit Alfred Rosenbergs Mythus des 20. Jahrhunderts gegenüber. Schultes Agieren gegen die NS-Willkürherrschaft ging seit 1933 nicht über das Pochen auf Einhaltung der Bestimmungen des Reichskonkordats durch das Regime hinaus. Auch eine persönliche Zusammenkunft mit Adolf Hitler im Jahr 1934 änderte daran nichts.
Dass Karl Joseph Kardinal Schulte nicht in offene Opposition zum Nationalsozialismus trat, hatte wohl vornehmlich seinen Grund darin, dass er „Gottesdienst und Seelsorge als den Kern kirchlichen Wirkens nicht zu gefährden und den einzelnen Katholiken gerade jetzt im Glauben zu stärken und so lange wie möglich die ‚Bewährungsprobe des Entweder-Oder‘ zu ersparen suchte“ suchte. (Ulrich Helbach) Möglicherweise spielte aber auch seine seit 1927 bestehende schwere Herzerkrankung eine Rolle. Seit deren ersten Auftreten hatte Schulte Auftritte vor größeren Mengen gemieden und man rechnete sogar mit seinem Rücktritt. Karl Joseph Kardinal Schulte starb in der Nacht auf den 11. März 1941 nach einem schweren Fliegerangriff auf Köln an akutem Herzversagen. Das postum entstandene Porträt von Peter Hecker zeigt neben ihm den Kölner Dom im Widerschein der brennenden Stadt.
Bildnachweis:
Köln, Dom, Sakristei, Porträt von Erzbischof Karl Josef Kardinal Schulte, Gesamtansicht
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Matz und Schenk
Zweites Porträt von Erzbischof Karl Josef Kardinal Schulte © George Grantham Bain Collection (Library of Congress) – ID ggbain.32010
Erster Spatenstich für das neue Priesterseminar durch Kardinal Schulte, 27.04.1926, aus Thomas-Morus-Journal November 1993. 40 Jahre Thomas-Morus-Akadmie, S. 44
18. Juli 2020 || ein Beitrag des Kunsthistorikers und Germanisten Markus Juraschek-Eckstein, der auch Autor des kürzlich erschienenen Kunstführers zum Kardinal-Schulte-Haus ist. Hier werden u.a. auch ausführlich die Beweggründe Kardinal Schultes zur Verlegung des Priesterseminars dargelegt.
Kardinal-Schulte-Haus und Skulpturenpark in Bensberg
Rheinische Kunststätten
Markus Juraschek-Eckstein, Auflage 2020, ISBN: 978-3-86526-130-4, Preis: EURO 5,00
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