Lieblingslied Fastenzeit 2024

Nichts für immer

„Sie hämmern Leitplanken  – in den Grund des Lebens, obwohl sie ihn nicht kennen!“ So textet der Musiker Finn Keidel in seinen Songs.

Lines wie „Mein Herz ist schon heiser…“ bleiben einfach im Gedächtnis. So war ich nicht verwundert, dass Spotify mir sagte, dass er auf Platz 1 meiner Playlist von 2023 steht. Außer seinen zwei Alben „Pale View“ und „Sinnvoll“ hat er aber einen einzelnen Song herausgebracht, der mein Lieblingssong ist: „Nichts für immer“. Dieser Song hat Verbindungen in die Kindheit des Künstlers und Verbindungen zu besonderen Menschen, Künstlern wie Musikern. „In meinem Mobile tanzen Ängste und Träume, du gingst, bevor du mir zeigtest, wie ich deine Kunst versteh.“ Man muss die Geschichte dahinter nicht kennen, um das Stück zu genießen, aber hier in diesem Blog erzähle ich sie. Es geht um den viel zu früh verstorbenen Bildhauer Georg Weber aus Mülheim an der Ruhr, der zeitlose, fantastische Marmorskulpturen geschaffen hat. Das Cover des Songs greift seine Bildsprache auf. Er wollte Finn zeigen, wie das mit dem Stein bearbeiten geht, kam aber leider nicht mehr dazu. Deshalb: „Nichts für immer“, oder doch? Der Marmor, die Werke bleiben und die Erinnerung an einen wunderbaren, inspirierenden Menschen.

Und der Musiker setzt dem Künstler posthum ein tonales Denkmal, das bleiben wird. Außerdem ist Finn Keidel mit der Musik von ChamberJazz groß geworden, von klein auf, von Konzert zu Konzert, immer dabei. Jetzt nimmt er sich für dieses Stück einen Titel der Gruppe, den der Gitarrist Georg Dybowski seinem Sohn Kolya gewidmet hat, im Original auf der CD „Mobile“ von ChamberJazz zu hören. In „Nichts für immer“ passiert damit etwas völlig Neues. Über Sopransaxophon, Stahlsaitengitarre und E-Bass erfindet Finn und singt Finn eine eigene Gesangsmelodie, spickt die Geschichte, die er erzählt, mit Songtiteln von ChamberJazz (Once again, Sommerregen, Mobile), verneigt sich damit musikalisch vor der Gruppe, die ihn geprägt hat und bricht doch mit dieser Musik in eine ganz neue Richtung auf, denn plötzlich ist sein Schlagzeug zu hören, alles wäre es immer schon dagewesen, eine Ukulele klingt wie Pizzicato-Streicher im Hintergrund, seine Stimme wird zum Chor. Finn schneidet sich die Originalteile zurecht, wie er sie braucht. „Hör niemals auf, anzufangen!“ Das hat Georg Weber gesagt und Finn tut es. „Der Sommerregen wäscht die Trauer von mir ab!“

Und im Rückblick fällt ein zentraler Satz: „Da hab ich bemerkt, wie das Leben kommt und geht, da hab ich bemerkt, dass ich Zeit hab, die wem anders fehlt.“ Ich interpretiere die tiefe Bedeutung dieses Satzes hier nicht, denn Kunst, Poesie ist immer offen und bedeutet für alle Hörenden etwas Eigenes. Georg Dybowski schrieb mir kürzlich, er habe den Song jetzt mehrfach wieder gehört und er gefalle ihm besser als das Original. Was für eine Ehre vom erfahrenen Musiker und Komponisten zum Newcomer.

Und das Geheimnis der Kunst und für Sie, liebe Lesende, nichts davon müssten sie wissen, um den Song genießen zu können, er wirkt auch ohne all diese geheimen Hintergründe stark. Doch auch das haben wir bei ChamberJazz gelernt, nichts erwärmt das Publikum so für eine unserer Kompositionen wie eine gute Geschichte zum folgenden Song.

Die Hintergrundgeschichte zu diesem Song ist so noch nirgendwo veröffentlicht. Herzlichen Dank an Finn und Matthias Keidel dafür, dass die Akademie dies im Rahmen ihrer Reihe „Lieblingslied“ in ihrem Blog veröffentlichen durfte.

LIEBLINGSLIEDER | UNSERE REIHE IN DER FASTENZEIT 2024

Wie wichtig ist Musik? Wie wichtig ist Luft zum Atmen?! Überlebenswichtig also. Wir können sie nicht greifen, aber wir fühlen sie, wir hören sie. Musik weckt Lebensfreude.

In der Fastenzeit sprechen wir mit ganz unterschiedlichen Menschen über ihre prägenden Songs und die dazugehörigen Momente, egal, ob Popsong, Schlager, Volkslied oder Evergreen. An jedem Fastensonntag veröffentlichen wir in unserem Blog ein persönliches Lieblingslied. Lesen Sie hier spannende Ausführungen, Wissenswertes und mehr über die Freude an Musik.

Bildnachweis:
Matthias Keidel: Maic Schulte
Finn Keidel: Anka Funke

25. Februar 2024 || ein Beitrag von Matthias Keidel, Lehrer für Musik, Deutsch und das Schulfach Glück am Sophie-Scholl-Berufskolleg Duisburg

Matthias Keidel versteht sich als Musiker und Podcaster.

Hier gelangen Sie zu seinem Podcastkanal.

Hintergründe zu Finn Keidel: seine Band ReTown ist mit dem Song „Eingestaubt“ auf www.mehrdavonradio.de gerade auf Platz 1 von 30 Newcomern von der Hörerschaft gevotet worden. Das ist ihnen jetzt schon das zweite Mal gelungen, der letzte Song hielt sich etliche Wochen auf den Spitzenplätzen. Das erste Live Konzert seiner Band in Oberhausen im Februar 2024 war bereits drei Wochen vorher ausverkauft.

Finn studiert zwar Kommunikationsdesign an der Folkwang Hochschule der Künste in Essen, aber er macht nichtsdestotrotz von morgens bis abends Musik.