„Es lebe die Freiheit …“
Goethes politisches Wollen
Goethe wollte: „Regieren!!“ Deswegen kam er 1775 nach Weimar. Der Minister, Napoleonverehrer und Gegner jeglicher Machtpolitik wurde später jedoch als unpolitisch etikettiert, um ihn für die Kulturnation und den deutschen Geist vereinnahmen zu können. Die Zeugnisse seiner amtlichen Tätigkeit, seine autobiographischen Einblicke und seine Dichtung zeigen hingegen einen eminent politischen Kopf, der die finale Krise Alteuropas und des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation durch angemessene Reformen ohne revolutionäres Chaos oder Tyrannei überwinden wollte.
Goethes amtliche Texte sowie andere historische Dokumente werden im Thüringischen Hauptstaatsarchiv in Augenschein genommen, in den Vorträgen und Gesprächen auf das Politische hin befragt und diskutiert. Ein Besuch im Neuen Museum und eine Parkführung ergänzen das Programm. Gezeigt wird unter anderem, warum für Goethe die Universität Jena so wichtig war und warum er sich im Alter der neuen bürgerlich-nationalstaatlichen Leitkultur entzog. Dafür wurde er als „Fürstenknecht“, „Stabilitätsnarr“ und „Zeitablehnungsgenie“ beschimpft. Zu fragen ist allerdings, ob Goethes Ideen des Politischen nicht heute wieder wichtig werden könnten.
Donnerstag, 24. März 2022
Individuelle Anreise zum Hotel Dorint Am Goethepark Weimar****s.
15.30 Uhr
Willkommen zur Goethe Akademie!
Begegnungen und Gespräche bei Kaffee, Tee und Gebäck
Susanne Bonenkamp M.A., Theaterwissenschaftlerin, Bergisch Gladbach
Prof. Dr. Georg Schmidt,
Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Jena i.R.
16.30 Uhr I Vortrag und Gespräch im Hotel
Der Historiker und der politische Goethe – erste Annäherungen
Jede Geschichte – auch die des politischen Goethe – beginnt mit der Gegenwart und der Frage, wonach gesucht wird. Goethe-Texte werden heute anders verstanden als zu ihrer Entstehungszeit nach 1810 oder im Wilhelminischen Reich um 1900. Sie müssen historisiert werden, um keiner Mythenbildung Vorschub zu leisten und sie für uns heute als Vorbild oder Mahnung zum Sprechen zu bringen.
Prof. Dr. Georg Schmidt
18.30 Uhr | Abendessen im Hotelrestaurant
20.00 Uhr I Gespräch im Hotel
Quo vadis?
Die Klassik Stiftung Weimar im Spannungsfeld gesellschaftlicher Entwicklungen
Dr. Ulrike Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar
Freitag, 25. März 2022
Frühstück
9.30 Uhr I Vortrag und Gespräch im Hotel
„Regieren!!“ – Goethe in der Landes- und Reichspolitik
Goethe wollte regieren. Deswegen entschied er sich für das kleine Weimar. Mit dem jungen Herzog Carl August, der den Quereinsteiger in das Geheime Konzil berief, wollte er Sachsen-Weimar-Eisenach in ein aufgeklärtes Musterfürstentum verwandeln. Warum das nicht gelang und auch das Genietreiben nicht die erhoffte Wirkung entfaltete, soll besprochen werden.
Prof. Dr. Georg Schmidt
11.30 Uhr I Präsentation im Thüringischen Hauptstaatsarchiv
Regieren und Gestalten
Politisches Handeln im Spiegel historischer Dokumente
Das im Stil der Neorenaissance errichtete Archivgebäude unmittelbar neben dem Dorint Hotel bewahrt u.a. das Archiv des Hauses Sachsen-Weimar-Eisenach, in dem auch das politische Agieren Goethes dokumentiert ist. An ausgewählten Beispielen kann sein Wirken im Geheimen Konzil und in den herzoglichen Kommissionen veranschaulicht werden.
Dr. Katja Deinhardt, Oberarchivrätin, Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar
Gelegenheit zur individuellen Mittagspause
15.30 Uhr | Vortrag und Gespräch im Hotel
Unpolitisch?
Goethe, die Französische Revolution, Napoleon und die Deutschen
Die Französische Revolution und Napoleon überrollten Europa mit Krieg, Umsturz und Menschenrechten. Die Rufe nach Freiheit und Gleichheit wurden auch in Deutschland unter den Jenaer Studenten lauter. Goethe wollte die Ordnung nicht aufgeben und die Masse nicht herrschen, aber Einzelne in ihren Kompetenzbereichen mitbestimmen lassen. Wie stand Goethe zu den Veränderungen, wie dachte er sich das deutsche Vaterland?
Prof. Dr. Georg Schmidt
18.30 Uhr | Abendessen im Hotelrestaurant
Samstag, 26. März 2022
Frühstück
9.00 Uhr | Vortrag und Gespräch
Eine folgenreiche Legende – Goethe und der Musenhof
Die Legende vom Weimarer Musenhof geht auf den Historiker Wilhelm Wachsmuth zurück. Am „Lieblingssitz der deutschen Musen“ habe die Einladung von Künstlern und Intellektuellen „zur Tagesordnung“ gehört, sei das höfische Zeremoniell außer Kraft gesetzt worden; Goethe war für Wachsmuth das prominenteste Beispiel.
Dr. Stefanie Freyer, Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Osnabrück
11.15 Uhr | Führung
Ein Besuch im Neuen Museum
Vor 150 Jahren als Landesmuseum erbaut, präsentiert das Neue Museum heute in sorgfältig komponierten Raumensembles künstlerische Zeugnisse aus einer Epoche, in der die Moderne in Weimar Einzug hielt.
Gelegenheit zur individuellen Mittagspause
14.45 Uhr | Führung
Ein Spaziergang durch den Ilmpark
Der Park an der Ilm dokumentiert im harmonischen Beieinander von Natur und Architektur die Gestaltungskraft Goethes, die er gemeinsam mit Herzog Carl August und fähigen Spezialisten über viele Jahre hin ins Werk setzte.
16.30 Uhr | Vortrag und Gespräch
Goethes politische Bekenntnisse? – Ein Gespräch mit dem Historiker Heinrich Luden (1813) und „Faust II“
Dem Jenaer Historiker Heinrich Luden gegenüber nahm Goethe 1813 Stellung zu dessen Propagierung eines deutschen Nationalstaates. Der Dichter reagierte skeptisch wie immer. Bildung und Kultur, so Goethe, müssten Vorrang genießen, um den Deutschen eine nationale Zukunft zu geben und die Menschheit zu retten. War das Alte Reich in Goethes Augen ein Gegenmodell?
Prof. Dr. Georg Schmidt
18.30 Uhr | Abendessen im Hotelrestaurant
20.00 Uhr | Lesung und Gespräch
Faust II – eine Auswahl
Im Februar 2016 hatte Faust II in der Regie von Hasko Weber am DNT Premiere mit Sebastian Kowski in der Rolle des Mephisto. Diese gefeierte Weimarer Fassung kondensierte aus 12.111 Versen einen Theaterabend von drei Stunden. „Das Drama zum Lesen“ mit seinen Parallelen zu aktuellen Themen, wie der Suche nach dem Ideal oder der Gier nach Profit, wurde zu einem Theatererlebnis. Sebastian Kowski trifft aus der überbordenden, schier unerschöpflichen Vorlage seine Auswahl.
Sebastian Kowski, Schauspieler am Deutschen Nationaltheater Weimar, u.a. Lehrauftrag an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar
Sonntag, 27. März 2022
Frühstück
9.00 Uhr | Gelegenheit zum Besuch eines katholischen Gottesdienstes
10.00 Uhr | Vortrag und Gespräch
Goethes Klassik – der Geist von Weimar, die deutsche Nation und die Goethe-Gesellschaft
Die Abschlussrunde fragt nach dem politischen Wollen und den Konsequenzen dessen, was unter maßgeblicher Beteiligung Goethes in Weimar-Jena geschaffen wurde. Macht und Geist, Berlin und Weimar standen angeblich Pate bei der Gründung des deutschen Nationalstaates 1871.
Die als unpolitisch deklarierten und vereinnahmten Klassiker sorgten für eine gewisse Politik- und Demokratieferne nicht nur deutscher Dichter und Denker. Über die Folgen wird unter Bezug auf Heinrich und Thomas Mann zu reden sein. Der Frage, ob Goethe und die Klassiker angesichts von Buchenwald eine Mitschuld an der Nazi-Diktatur und am Holocaust trifft, darf dabei nicht ausgewichen werden.
Prof. Dr. Georg Schmidt
12.30 Uhr | Mittagsimbiss im Hotelrestaurant und Verabschiedung
Änderungen im Programmverlauf und in der Organisation bleiben vorbehalten.