Thanksgiving
Heute feiern viele Menschen in den Vereinigten Staaten und in Kanada Thanksgiving. Das bedeutet so viel wie „Danksagung“ und ist ähnlich und zugleich wesentlich anders begründet wie das in vielen katholischen Kirchen gefeierte Erntedankfest. Das wurde von der Deutschen Bischofskonferenz 1972 für alle deutschen Diözesen einheitlich auf den ersten Sonntag im Oktober terminiert und wird ausdrücklich als Brauchtumsfest, als „Dank für die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit“ bezeichnet. Unser christliches Erntedankfest geht dabei auf sehr alte Traditionen zurück; in ganz Europa sind vor- und frühchristliche Erntedankfeste bekannt.
Thanksgiving hat seinen Ursprung, so die meist zitierte Variante, in der Landung der Pilgerväter (Pilgrim Fathers), die 1620 mit der Mayflower von Plymouth, England, nach Amerika mit dem Wunsch aufgebrochen waren, dort ungehindert ihrem Glauben, die meisten Pilgerväter gehörten einer calvinistischen Gruppe an, nachgehen zu können. Die 102 Passagiere, Männer, Frauen, Kinder und die 31 Männer Besatzung landeten nach 66 Tagen Überfahrt am 21. November an der Nordspitze der Cape Cod Bay, im Südosten des heutigen Massachusetts. Die Bedingungen der Überfahrt waren schwierig, in den ersten Monaten erkrankten und starben viele Menschen.
Unerwartet erhielten sie überlebensnotwendige Unterstützung: Squanto, ein Patuxet-Indianer, der als Sklave nach Spanien verschleppt worden und über England wieder nach Nordamerika gekommen war, sprach Englisch und erklärte den Engländern, wie das sandige Land zu bestellen und die Fische zu fangen waren. Die Engländer konnten auch durch Squantos Vermittlung einen Freundschaftsvertrag mit Massasoit, dem Chief der Wampanoag, einem dort ansässigen Stamm, schließen, der ihnen auch die Erlaubnis gab, ein Stück Land zu bestellen.
In Herbst 1621 feierten die Engländer und Squanto, Massasoit und die Wampanoag ein Fest. Sie nahmen dabei, so einige Quellen, Rituale bereits bestehender Erntedankfeste indigener Stämme auf. Die beiden Gruppen beschlossen, dieses dreitägige Fest auch in den nächsten Jahren zu feiern – den ersten offiziellen Thanksgiving-Day legte George Washington 1789, 13 Jahre nach der Erklärung der Unabhängigkeit gegenüber England 1776, terminlich auf Anfang Oktober fest; 1941 regelte der Kongress das Datum für alle Bundesstaaten, da es inzwischen zu unterschiedlichen Tagen gekommen war, neu: Der vierte Donnerstag im Monat November wurde zum staatlichen Feiertag Thanksgiving. In Kanada wird das Fest am zweiten Montag im Oktober gefeiert.
Thanksgiving ist in den USA für viele Familien ein großes, traditionsreiches Fest. Familienangehörige aus allen Himmelsrichtungen treffen sich, sie danken, feiern, essen Turkey und Süßkartoffeln, genießen Cranberry Sauce und Kürbiskuchen. Es ist ein großes, großes Fest, das in den USA als Familienfest weitaus bedeutender ist als Weihnachten: Weihnachten wird ausschließlich von Christen gefeiert; Thanksgiving kennt keine Religionszugehörigkeit und wird von Juden, Christen, Muslimen, anders- und nicht-Gläubigen gefeiert und trägt wegen seines Bezugs zum Jahr 1621 auch einen nationalen Charakter, womit es sich, obwohl auch dem Ernte-Dank verpflichtet, grundlegend von dem christlichen Fest unterscheidet.
Vor einigen Jahren haben wir als Familie zwei Jahre in Kalifornien, in San Diego gelebt und haben Thanksgiving groß und festlich gefeiert. Ich habe das zugegeben romantisierende Kinderbuch „The First Thanksgiving“ den Kindern auf ihren Wunsch hin unzählige Male vorgelesen und auch an dem Abend lag es auf dem Tisch … Unsere beiden Thanksgiving Feiern bleiben unvergessen und ich erzähle immer noch gerne davon …
… Unvergessen sind auch die beiden Thanksgiving Feste, die Avery und Kayla, beide waren zu uns je ein Jahr aus Kalifornien und Florida als Au-pair gekommen, später in unserem Haus in Deutschland 2012 und 2013 vorbereitet und gefeiert haben:
Avery’s Ansprache an unserem langen, festlich gedeckten Tisch, in der sie – auch im Namen ihrer Eltern – für unser Zusammensein in Frieden und die uns verbindende Freundschaft, die Ernte und das ausreichende Essen dankte, war für alle bewegend und hat wie ein Gebet über den konkreten Moment hinausgewiesen. Und auch der von Kayla zubereitete Turkey und das anschließende, große, feierliche Essen mit vielen Freunden bleibt unvergessen: Sie bat vor dem Essen alle von uns reihum kurz zu sagen, wofür wir dankbar sind. Das war sehr berührend und wahrlich: Thanksgiving.
23. November 2023 || ein Beitrag von Karin Dierkes, Akademiereferentin für Theologie und Philosophie