Den Tag ausklingen lassen mit Anna Maria Garthwaite in London
Ich bin heute Abend im Londoner East End verabredet, und ich reise mit meiner kleinen Zeitmaschine zurück ins 18. Jahrhundert. Ich werde die Stoff-Designerin Anna Maria Garthwaite (1688 – 1763) treffen. Sie gehört zu den Persönlichkeiten, die meine Leidenschaft für historische Mode geweckt haben.…
Und schon bin ich in der Princes Street Nummer 2 im Jahre 1753 angekommen. Mrs Garthwaite empfängt mich mit Tee und Gebäck. Ich frage sie, wie sie zu ihrem Beruf gekommen ist und wie ihr für ihre Zeit ungewöhnliches Frauenleben bisher verlaufen ist. Sie erzählt mir, dass sie aus einer wohlhabenden Familie in Lincolnshire stammt. Heiraten wollte sie nicht, aber schon früh interessierte sie sich für Aquarellmalerei und das Stoffgestaltung. 1728 kam sie mit ihrer Schwester nach London und ließ sich in Spitalfields nieder – dem Zentrum der Seidenweberei und des Seidenhandels in London.
Als Autodidaktin gelang es ihr mit viel Beharrlichkeit, sich in diesem von Männern dominierten Berufsfeld durchzusetzen. Besonders ihre in kleinen „Sträußchen“ angeordneten Rokoko-Blumenmuster wurden berühmt, denn sie waren außergewöhnlich realistisch und farblich fein abgestuft. Sie spiegelten die Begeisterung im England ihrer Zeit für die Botanik wider. Ihre Entwürfe, so berichtet sie weiter, werden von Meisterwebern erworben. Oft fügt sie kurze Anleitungen bei, wie genau die Seide zu weben ist. Zwei Jahre zuvor hat man sie im Lexikon des Handwerks und Handels als eine von drei Designern und Designerinnen genannt, die „die Prinzipien der Malerei in die Webkunst“ eingebracht haben. Sie freut sich zu hören, dass viele ihrer Stoffmuster und Dessins bis ins 21. Jahrhundert in Museen und Sammlungen erhalten geblieben sind.
Ich darf wiederkommen – wenn ich beim nächsten Mal eine Stoffprobe aus meiner Zeit mitbringe!
Zusammen mit ihrer Firmenpartnerin Anne Mai bietet Frau Dr. Marks-Hanßen besondere Formate wie etwa Führungen im Kostüm und speziell konzipierte Programme an, die man als Event, Abendveranstaltung, Workshop oder außergewöhnliche Vorführung buchen kann. Das besondere an Pupurvilla sind gleich mehrere Dinge. Die historischen Kostüme, die die Akteurinnen tragen, sind zum einen selbst genäht. Sie basieren auf langen Recherchen nach besonderen Stoffen und den richtigen Schnittmustern und liefern dann ein originalgetreues Bild aus der Geschichte. Aus 2500 Jahren können sie Kostüme anbieten und entwickeln regelmäßig Neue: Sei es die Römerin, die 50er- Jahre-Touristin, die Renaissancedame oder der Bonner Kurfürst Clemens August.
Mehr unter http://purpurvilla.com/
Bild:
Seidenstoff designed von Anna Maria Garthwaite
Los Angeles County Museum of Art
8. August 2021 || ein Beitrag von Dr. Beate Marks-Hanßen, Kunsthistorikerin und Mitgründerin der Firma Purpurvilla, die auf unterhaltsame Weise historische Themen zugänglich und verständlich macht.
Den Tag ausklingen lassen mit…
Mit Jesus über Gott und die Welt reden, mit Mahatma Gandhi über zivilen Ungehorsam debattieren, mit Jean-Paul Sartre philosophieren, mit Yoko Ono und Banksy über Kunst, mit Michelle Obama über Gerechtigkeit sprechen… bei einem Glas Wein oder einem Drink.
Es gibt unzählige Menschen, denen werden wir nie begegnen, die uns jedoch sehr faszinieren und mit denen wir uns gerne einmal austauschen möchten. Welche Fragen würden wir ihnen stellen? Welche Antworten würden sie geben? Was genau fasziniert uns an ihnen?
In unserer neuen Sommer-Reihe haben wir Personen, mit denen die Akademie verbunden ist, gefragt, mit wem sie gerne einmal den Tag mit einem Sundowner ausklingen lassen möchten.
Übrigens soll der Sundowner von der britischen Marine erfunden worden sein. Mit diesem Ritual sollte ein Austausch unter der Mannschaft stattfinden. Austausch, Gemeinschaft, Begegnung… danach sehnen auch wir uns.
Bildnachweis:
Pariser Pantheon: © Jean Marc, flickr