Mein Sehnsuchtsort I Die Promenade in Münster
Die Sach-Informationen zur Promenade in Münster seien meiner persönlichen Beziehung zu ihr vorangestellt:
Die Promenade ist eine doppelreihige Allee, ein Grüngürtel um die Stadt und befindet sich dort, wo einst die Stadtmauern waren. Diese stammten aus dem 13. Jahrhundert und wurden nach dem Siebenjährigen Krieg 1763, in dem Münster mehrfach von den aktuell gegnerischen Truppen erobert worden war, zurückgebaut. 1764 wurde der innere Befestigungsgraben abgetragen, der innere Wassergraben zugeschüttet; der äußere Befestigungsring wurde nach den Plänen von Johann Conrad Schlaun zu der jetzt als „Promenade“ bekannten vierreihigen Lindenallee umgestaltet. 2007 entwurzelte das Sturmtief Kyrill viele Bäume im Bereich des Schlossplatzes und aufwendige und kostenintensive Neupflanzungen wurden nötig. Die Münsteranerinnen und Münsteraner übernahmen „Bürgerbäume“, 243 Patenschaften wurden geschlossen!
Mit Münster verbindet mich eine lange, gute Zeit:
Ich habe in Münster Theologie studiert, hier habe ich meine ersten Stellen an der Uni und beim Jugendverband KSJ gefunden, hier sind zwei unserer drei Kinder bis zum Alter von 6 und 3 Jahren „groß“ geworden, hier haben wir geheiratet, hier wohnte unsere Oma Lisa und hier ist sie beerdigt, hierhin wollte ich zurückkehren nach zwei Auslandsjahren, hier wohnt mein Bruder mit Familie, hier wohnen beste Freund:innen, hier kenne ich Straßen, Geschäfte, Kneipen, Kirchen, Abkürzungen.
Die Promenade ist für mich besonders, weil sie mit ihren 4,5 km zum einen eine ideale Laufstrecke ist. Die Kilometer laufen sich leicht – es gibt eigentlich nur die Frage „Laufe ich links oder rechts herum??“ – Alle Fahrräder und Fußgänger, die hier in getrennten Bereichen unterwegs sind, werden beschützt von der beeindruckenden Linden Allee. Nur wenige Steigungen sind zu bewältigen, das Licht funkelt durch die Bäume oder Lampen mit angenehmem Licht beleuchten die Strecke in Herbst und Winter. Rechts und links von der Promenade sind zum anderen viele Spielplätze, die ihren eigenen Charakter haben: Viele Schaukeln oder große Klettergerüste, Holz und Stahl und Seile und viel Sand laden zum phantasievollen Spielen ein. Ich kann die Stunden nicht zählen, die ich auf diesen Plätzen kuchenbackend, kletternd, versteckt – gesucht – gefunden, tröstend, lachend, manchmal lesend und immer glücklich verbracht habe.
Wenn ich in Münster bin, dann bin ich immer auf irgendeinem Abschnitt der Promenade unterwegs. Sie verbindet logistisch verschiedenste Orte und mich mit meiner Zeit in Münster. Sie erzählt viele meiner Geschichten – eine Büste von Annette von Droste-Hülshoff an der Promenade kam in der Frage vor „Seid ihr bei Annette vorbeigekommen?“, die Enten in den Teichen an der Promenade werden sicher noch von unseren Kindern und unseren Brottüten erzählen, vom Flohmarkt auf dem Abschnitt der Promenade vor dem Schloss habe ich noch immer meinen Handmixer, der nicht kaputt zu kriegen ist und seit Jahrzehnten den Pfannkuchen für die Familie rührt und viele Bäume der Promenade erinnern sich an wichtige Gespräche, die ich unter ihnen geführt habe.
Die Promenade in Münster ist (m)ein Sehnsuchtsort, weil sie 13 wichtige Jahre meines Lebens kennt und für mich aufhebt. Sie lädt zu jeder Jahreszeit zu einem Spaziergang – und einem Lauf ein.
© Rüdiger Wölk, Münster Promenade, wikimedia
2. August 2023 || ein Beitrag von Karin Dierkes, Akademiereferentin für Theologie und Philosophie