Pfingsten 2023-Mehr im Blog der Akademie

Die Sprengkraft des Geistes

In meinem ersten Kaplansjahr war ich im linksrheinischen Düsseldorf eingesetzt. Dort steht eine recht ungewöhnliche Kirche. Denn 1947 fasste der damals frisch ernannte Pfarrer Carl Klinkhammer (†1997) den Plan, einen Luftschutzbunker in eine Kirche umzuwandeln. Unter tatkräftiger Mithilfe der ganzen Gemeinde wurde der Plan rasch in die Tat umgesetzt. So entstand ein Wahrzeichen und Mahnmal, das weit über die Grenzen unserer Landeshauptstadt Beachtung fand: ein gewiss auch heute noch beeindruckendes Symbol für jenen bekannten Satz aus der großen Friedensvision des Propheten Jesaja:

„Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen“

(Jesaja 2,4).

Bunkerkirche - Mehr im Blog der Akademie

Doch die Botschaft, die vom Symbol einer solchen ‚Bunkerkirche‘ ausgehen kann, sie ist nicht mit ewigen Lettern in den Beton gemeißelt; auch sie ist dem Wandel der Zeit unterworfen. Manches Attribut wurde mit den Jahren jener Kirche beigelegt. Ein wenig Augen zwinkernd rühmte man sie als „stabilste Kirche der Welt“. Doch was nutzt alle Stabilität, wenn der von massivem Beton umschlossene Kern sich zunehmend aushöhlt? Was kann von dort ausgehen, wenn hier eine langsam absterbende Gemeinde vor allem zum Hüten der eigenen Vergangenheit versammelt ist? So erschien es mir damals. Und so nahm die berühmte Bunkerkirche nach fünfzig Jahren noch ein zweites Gesicht an: als Sinnbild für eine eingebunkerte Kirche, in der man halb verunsichert, halb trotzig zusammenrückt; eine Kirche wie ein Tresor, in den man das kostbare Erbe der Überlieferung in Sicherheit bringen möchte, indem man es abschottet vor allen gesellschaftlichen Umbrüchen. Dicke Mauern und hohe Zäune, sie stehen keiner Kirche gut zu Gesicht!

Die Bunkerkirche ist – Gott sei Dank – dabei nicht stehen geblieben. Mit viel Phantasie und Engagement geht man hier mittlerweile neue Wege. Denn dieses so wohl einmalige Gotteshaus gibt uns noch einen anderen Hinweis für den Geist, der es auch heute noch durchglüht. Damit aus dem Bunker eine richtige Kirche werden konnte, war vieles umzubauen. Vor allem aber wurde er aufgesprengt für große Fenster, die das Licht hineinfluten ließen in sein Innenleben. Licht, das den Raum belebt und beseelt. Manchmal ist es eben nicht allein mit Biegen und Geschmeidig-Machen getan. Die allerorten und von allen Etagen der kirchlichen Hierarchie beklagte mutlose Grundstimmung in unserer Kirche wird sich nur dann in einen echten Aufbruch verwandeln, wenn es zu solch einer „Sprengung“ von innen her kommt.

Mit bloßer Oberflächenkosmetik an den Schauwänden des religiösen Lebens ist es dabei nicht getan. Mehr Hochglanz, mehr Events, mehr pastorale Strategie führen uns kaum zu einer vom Geist erfüllten Lebendigkeit. Wie blieben fixiert auf die Macht der Zahlen, auf Erfolgsdruck, messbare Dienstleistung, auf Menschen als Kunden. Kalte Professionalität würde unsere Räume durchdringen, statt der warme Lebensatem des Heiligen Geistes. Er hat schon in uns seine Wohnung bezogen bei der Taufe. Leider wird er danach oft in Stubenarrest gehalten. Heilsame Sprengungen kann er nur bewirken, wenn er sich frei bewegen darf. Was wäre alles möglich, würde sich die ganze Kirche und jeder Einzelne in ihr zur Verfügung halten als Bauplatz des Heiligen Geistes? An Großbaustellen muss immer einiges präpariert werden, bevor die eigentlichen Arbeiten überhaupt beginnen können. Denn die Sprengkraft des Geistes hat immer eine Vorgeschichte. Drei „Werkzeuge“ könnten uns in Form bringen, damit wir als lebendige Steine ein brauchbares Baumaterial abgeben:

(1) ‚Leere‘. Zulassen, um Freiheit zu gewinne: Zum Wehen des Geistes kann es nicht kommen in der Abstellkammer; dort nicht, wo er nur zur Untermiete wohnt oder gar als Gast, bei dem man ja nach einer Weile auch recht froh ist, wenn er uns wieder verlässt. Nein, er soll Hausgenosse unseres Lebens werden. Soll sein frischer Wind uns umwehen, sind auch manche Blockade und Barriere auszuräumen. Erst dann kann er etwas in Bewegung bringen. Das heißt freilich auch, keine fest zementierte Vorstellung zu haben, wie und wozu der Heilige Geist wirken soll, wo und wie ich ihm begegnen kann. Sind unsere Hände frei, um sich seinen Impulsen zu überlassen? Wir müssen lernen, mit den geistlichen Talenten zu wuchern, mögen sie in unseren Augen auch an Zahl und Qualität an die Vergangenheit nicht heran reichen. Die Sprengkraft des Geistes hat immer eine Vorgeschichte!

(2) In die ‚Stille‘ gehen‘: Bei seiner Arbeit bevorzugt Gottes Geist leise Töne, denn er will uns nicht überreden oder mit knalligen Effekten überwältigen. Die Kraft des Heiligen Geistes liegt schließlich nicht in der Lautstärke, sondern darin, im entscheidenden Moment den richtigen Ton zu treffen.

(3) ‚Zeit‘: Die Kirche aller Zeiten lebt von einem kurzen Moment; sie lebt allein von einem Hauch aus dem Mund des Auferstandenen. Was für ein langer Atem, der warten kann, bis die Zeit reif ist! Unausgegorenes wird da nicht eilig verheizt. Und in der ‚Zwischenzeit‘ gewinnen wir Zeit zum Reifen: in jedem Gebet, das ernsthaft mit ihm rechnet; vor allem in jenem Gebet, das mit der Liturgie von Pfingsten fest verbunden ist:

„Komm, o Heiliger Geist,

wärme du, was kalt und hart,

löse, was in sich erstarrt;

lenke, was den Weg verfehlt!“

Solchen Geist haben wir alle schon empfangen! Bringen wir ihn neu zur Geltung an den zahllosen Mauern, die das Leben verfinstern und beengen. Dann geht uns sein Licht auf, dann macht er alles neu.

Bunkerkirche St. Sakrament in Duesseldorf-Heerdt, von Suedwesten

Titelbild: Peter Weidemann, In: Pfarrbriefservice.de

28. Mai 2023 || ein Beitrag von Pfarrer Dr. Axel Hammes, Bensberg