Dem Besonderen auf der Spur
Der neue Katalog ist erschienen und präsentiert abwechslungsreiche Reisen quer durch Deutschland, Europa und sogar nach Kanada. Auf welche Reisen und Tagesexkursionen freut Ihr Euch besonders?
Judith Graefe: Am liebsten würde ich überall mitfahren. Das Programm für 2024 ist einfach toll geworden. Ein paar Ziele liegen mir allerdings tatsächlich besonders am Herzen. Dazu gehören die spektakulären königlichen Gewächshäuser in Laeken. Es ist ein beeindruckendes Ensemble, welches nur wenige Wochen im Jahr von der königlichen Familie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird und fast wie ein Lehrwerk zu Industrialisierung und Jugendstil zu lesen ist. Ganz anders und mindestens ebenso spannend ist die Architektur des Architekten Zumthor. Mitten in Köln das Kolumba, aber auch besonders die Bruder-Klaus-Kapelle in Wachendorf haben es mir mit ihrer klaren Ästhetik und ihrer kontemplativen Ruhe angetan. Und dann starten wir mit neuen Ideen in das nächste Jahr, und auf zwei davon freue ich mich besonders und bin mehr als gespannt, ob wir damit Interesse wecken können: Zum einen ist es die wissenschaftliche Erkundung, die zu den Radioteleskopen in der Eifel geht, zum anderen ist es die Erkundung „Auf leichten Sohlen“, die ihr Programm besonders dicht und intensiv auf kleinem Raum mit kurzen und barrierefreien Wegen konzentriert. Und natürlich freue ich mich sehr auf meine eigene Erkundung, bei der ich den Gästen die beiden Künstlerfreunde Hans Arp und Max Ernst näherbringen möchte.
Sandra Gilles: Bei der Planung hat man natürlich oft Bilder im Kopf, kann auf eigene Erfahrungen und Erlebnisse zurückgreifen und auch ein Stück weit seine eigenen Sehnsüchte verwirklichen. In unserer Rundreise durch den Osten Kanadas steckt z.B. vieles drin, was ich selber bei meinem ersten Aufenthalt aus Zeitgründen nicht annähernd geschafft habe. An anderes denke ich auch nach vielen Jahren noch sehr gerne zurück: Von der Walbeobachtung in Tadoussac über die kleinen, verwinkelten Gassen und das märchenhafte Château in Québec bis hin zur Metropole Montréal. Das alles natürlich stets versehen mit dem etwas gewöhnungsbedürftigen Regiolekt „Quebecois“ – den man aber gut versteht, wenn sich offen gegenüber einer Mischung aus englisch und französisch zeigt. Überhaupt geht es in Québec sehr entspannt zu und die Menschen sind ausgesprochen nett! Natürlich freue ich mich aber auch sehr auf ein persönliches Wiedersehen in Georgien: Seit ich 2022 das erste Mal in der südkaukasischen Region war, interessieren mich die Länder und deren Entwicklung sehr. Nachdem wir viele Jahre überwiegend des Osten Georgiens erkundet haben, möchten wir im kommenden Jahr erstmalig den Westen mit seiner Region Swanetien in den Fokus nehmen. Unser Weg führt uns dabei von der Hauptstadt Tiflis über das Hochgebirge bis ans Schwarze Meer – auf diese „wilde Mischung“ bin ich sehr gespannt!
Viel Freude hat mir auch die Planung unserer Schiffsreise von der Normandie nach Paris bereitet. Organisatorisch etwas „tricky“, denn an die besonderen Gegebenheiten des Verkehrsmittels Schiff muss man sich erst gewöhnen, aber ich kenne und liebe die Region selber von unzähligen Reisen und Auslandsaufenthalten. Für mich vereint sie eine Vielzahl der schönsten Sehenswürdigkeiten Frankreichs. Dass die Reise innerhalb kürzester Zeit so viele Interessenten fand, dass sie bereits ausgebucht ist, freut mich daher sehr.
Und dann ist da natürlich noch die Reise nach Istanbul, die wir derzeit für den Dezember 2024 planen. Damit erfülle ich mir sozusagen selber einen großen Wunsch (lacht).
Sich in einer Gruppe auf den Weg zu machen, dem Besonderen auf der Spur zu sein, gemeinsam Bekanntes aus neuer oder anderer Perspektive zu betrachten… gilt auch für die Ferienakademien und Erkundungen 2024. Warum ist es Eurer Meinung nach so wertvoll mit einer kleinen Gruppe unterwegs zu sein?
Judith Graefe: Jedes Gespräch, jeder Austausch, öffnet die Augen für Dinge, die man selbst noch nicht gesehen hat, ja, gegebenenfalls gar nicht sehen konnte. Jeder Mensch ist Kind seiner Erfahrungen, seiner Eindrücke, seines Lebens, und so muss ein Austausch mit anderen einfach den Horizont erweitern. Auf der anderen Seite sind es keine riesigen Gruppen bei der Thomas-Morus-Akademie, die in ihrer Masse doch wieder zu Anonymität führen.
Sandra Gilles: So ist es! Seit ich selber regelmäßig mit auf Reisen bin, wird mir dies noch einmal besonders deutlich: Die inhaltliche Planung im Vorfeld ist das eine – ich glaube, das können wir hier in Bensberg schon ganz gut (lacht) – aber als Gruppe gemeinsam unterwegs zu sein, ist das andere. Denn nur, wenn sich unsere Gäste auf den gemeinsamen Austausch einlassen, entfalten unsere Reisen das volle Potential. Das fördert tolle Gruppenerlebnisse, aber erweitert immer auch den eigenen Horizont. Oft geschieht dies ganz automatisch und wenn ich mit unterwegs bin, finde ich es immer wieder schön, mit anzusehen und zu erleben, wie sich all dies während einer Reise entwickelt. Generell bewundere ich unsere Gäste oft dafür, wie vielseitig interessiert, wissbegierig und offen für Neues sie sind. Ich erachte das nicht für selbstverständlich!
Zu beobachten ist, dass eine zunehmende Sehnsucht nach einer anderen Form von Reisen erwachsen ist. Beziehungen, Begegnungen und Erfahrungen, sind Qualitäten, die Reisende zunehmend suchen. Wie habt Ihr mit Euren Angeboten darauf reagiert?
Sandra Gilles: Im Grunde genommen ist diese Entwicklung für uns nicht komplett neu. Wo immer es sich anbietet, haben wir auch in der Vergangenheit bereits versucht, Hintergrundgespräche, exklusive Zugänge und besondere Erlebnisse anzubieten. Auch wenn ich gestehen muss, dass es teilweise immer schwieriger (und teilweise auch kostenintensiver!) wird, diese aufzutun, begrüßen wir diesen Trend natürlich und nehmen die Herausforderung gerne an. Denn das ist es, was unsere Reisen seit jeher ausmacht: sie alle sind sozusagen maßgeschneidert und einzigartig. In einer Welt, in der man sich mit Geld mittlerweile fast alles kaufen kann und gleichzeitig die Krisenherde immer größer werden, sind es für mich mittlerweile jedoch vor allem die persönlichen Beziehungen und Begegnungen, die wichtig sind, um Land und Leute wirklich zu verstehen.
Dabei spielen unsere herausragenden Reiseleiterinnen und Reiseleiter eine große Rolle: Sie sind nicht nur absolute Expertinnen und Experten Ihres Fach, sondern verfügen auch über die entsprechenden Ortskenntnisse und Beziehungen – oftmals weil sie vor Ort leben oder lange Zeit dort gelebt, studiert haben o.ä. Und wo sie nicht weiterkommen oder dürfen, greifen wir auf qualifizierte, örtliche Kräfte zurück, die uns teilweise auch schon seit vielen Jahren begleiten und individuell auf unsere Gäste eingehen können. Die leckersten Maulbeeren oder Aprikosen pflücken in Armenien – geht ganz nebenbei! Chatschapuri (typisch georgisches Brot) im traditionellen Tonofen im Garten der Familie selber backen? Klar! In der römischen Trattoria am Abend persönlich begrüßt werden? Aber selbstverständlich! Oft sind es die kleinen Dinge, die einen Unterschied machen, schließlich möchte man nicht als ein Tourist von vielen wahrgenommen werden. Deshalb sind mir die persönlichen Beziehungen zu diesen Partnern besonders wichtig und wertvoll. Manchmal ergeben sich dadurch vor Ort auch ganz unverhofft besondere Begegnungen, die wir im Vorfeld gar nicht besser hätten planen können. Dazu bedarf es dann natürlich auch ein bisschen Glück – z.B. wenn man in Rom gänzlich unverhofft Papst Franziskus in Santa Maria Maggiore trifft.
Wer ganz gezielt seine eigenen Zeichenkünste verbessern möchte, kann sich kommendes Jahr mit Herrn Dr. Thiel zu den versteckten Schönheiten nach Nordhessen aufmachen. Auf den Spuren der Brüder Grimm wird es erstmals eine Art „Zeichenkurs“ unter seiner Anleitung geben. Eingeladen sind alle, die Lust haben, zu zeichnen und sich darüber mit anderen auszutauschen. Ein Format, das wir in dieser Form bislang eher mit dem Thema „Schreiben“ angeboten haben. Auch hier zeigen sich die – teilweise verborgenen – Qualitäten unserer Reiseleiterinnen und Reiseleiter.
Judith Graefe: Wir werfen mit den Erkundungen nicht alles Bewährte über Bord und behalten gerne auch bekannte und beliebte Konzepte bei. Dennoch haben auch wir Freude am Austausch, an persönlichen Begegnungen und am Entdecken von Beziehungen – menschlichen, wie faktischen. So haben wir beispielsweise den Künstler Erwin Wortelkamp für ein Gespräch in seinem Skulpturenpark Waldfrieden gewinnen können. Es ist immer eine wunderbare Chance, mit dem Künstler persönlich über seine Kunst und seine Projekte sprechen zu können. Vor der Bruder-Klaus-Kapelle werden wir Geschichten aus erster Hand zur Kapelle, ihrer Vorgeschichte und Errichtung hören. Im Garten der Religionen (Erkundung „Vom Geborgensein im Freien“) wird es um den intensiven Austausch zu verschiedenen Religionen gehen, denn daher hat der Ort seinen Namen. Und wenn wir zur spektakulären Feininger-Ausstellung nach Frankfurt fahren, belassen wir es natürlich nicht bei einem Besuch in der Schirn, denn auch Feiningers Wirkungen auf das Bauhaus und danach sollen Beachtung finden – so sichtbar im Ernst-May-Haus. Besonders freue ich mich auch auf die Ausstellung „Paris 1874“ in Köln, und auch hier wird nicht „einfach nur“ eine wunderbare Ausstellung besucht, es werden auch Querverbindungen in Köln gesucht und gefunden. Mit viel Freude, Liebe zum Detail und Spaß an den Themen stellen wir unsere Programme zusammen und hoffen, dass Sie auch 2024 wieder dabei sind.
28. Dezember 2023 || ein Interview mit Sandra Gilles, Leiterin Ferienakademien, und Judith Graefe, Akademiereferentin Erkundungen