Frida Kahlo – leuchtende Farben aus dem Dunkeln heraus
Socken, Regenschirme, Brillenetuis, Schals und Kugelschreiber. Frida Kahlo leuchtet uns mit ihren Motiven, Farben und ihrem ikonischen Antlitz von allen Seiten entgegen. Warum ist das so? Warum umgibt uns ein Frida-Kahlo-Souvenir-Wald? Sicher ist es zum einen die besondere Farbenfreude, die das Werk der Malerin ausmacht. Ob Freude oder Trauer, die Palette ist meist breit und leuchtend. Und so werden Schlüsselband und Klemmbrett zum dekorativen Designobjekt. Zum anderen ist es aber sicher die Geschichte der Künstlerin, die hinter diesen Motiven steckt, die in ihren Ausschnitten fröhlich und unbeschwert erscheinen – ein Trugschluss?
Frida Kahlo wurde 1907 in Mexiko-Stadt geboren. Besonders zu ihrem Vater hatte sie ein sehr gutes Verhältnis, das sie nachhaltig prägen, nämlich an die Kunst heranführen sollte. Allerdings war es nicht der Pinsel, sondern der Fotoapparat, der ihr die Tür in die Kunstwelt öffnete und sie ihr Leben lang begleitete.
Noch vor ihrem 20. Lebensjahr hatte die Künstlerin zwei Schicksalsschläge erlebt. Mit sechs Jahren erkrankte sie an Kinderlähmung, eine Krankheit, die ihr rechtes Bein kürzer und dünner bleiben ließ, als das linke. Und mit 18 Jahren wurde sie Opfer eines verheerenden Verkehrsunglücks, bei dem ein Bus mit einer Straßenbahn kollidierte. Folgen ihrer schweren Verletzungen waren ein Ganzkörpergips, ein Stahlkorsett, ein einjähriger Krankenhausaufenthalt und die Überzeugung der Ärzte, dass sie nie mehr würde laufen können. Dieses Ereignis legte ihr den Pinsel in die Hand. Mit einer eigens für sie angefertigten Staffeleikonstruktion konnte sie noch im Krankenbett anfangen zu malen.
Mit der Entscheidung, sich der Kunst zu widmen, suchte sie den damals erfolgreichsten mexikanischen Maler auf und bat ihn um die Einschätzung ihres Talents: Diego Rivera. Schnell war der etablierte 21 Jahre ältere und politisch sehr engagierte Künstler von ihren Fähigkeiten überzeugt und förderte Frida Kahlo in ihrer Kunst. Immer betonte er seine absolute Unterstützung ihrer Arbeit und seine uneingeschränkte Begeisterung. Ein kompliziertes Liebesverhältnis entspann sich zwischen den beiden, und nur zwei Jahre später heirateten sie. Obwohl sie füreinander von allergrößter Bedeutung waren, war ihre Beziehung voller Herausforderungen, Frustration und Schmerz. Frida Kahlo konnte mit den zahlreichen Affären Diegos nur schlecht umgehen und musste ihre Enttäuschung auf vielfältige Weise verarbeiten. Sie malte sich ihre Schwierigkeiten von der Seele, flüchtete sich aber auch in Alkohol und eigene Affären. Nach ihrer Scheidung 1939 heirateten beide erneut im Jahr 1940.
Ihr Leben lang begleitete Frida Kahlo ihr politisches Engagement, ihre Untersuchung des Unbewussten, ihre Beschäftigung mit den Wurzeln der indigenen Kultur und ihre Begeisterung für die Tiere, die immer verschiedene Rollen in ihrem Werk spielen. Aus dieser Vielfalt ergibt sich ein Oeuvre, in dem sich Historisches, Kulturelles, Politisches und Persönliches auf so komplexe Weise mischen, dass ganze Phantasiewelten entstehen, die bisweilen surreal anmuten. Diese Wirkung hat ihr große Begeisterung bei den Pariser Surrealisten, vor allem André Breton, eingebracht, lange bevor auch ihr eigenes Land den Wert ihrer Werke erkannte. Als Surrealistin hat sie sich aber nie gesehen und nahm deutlichen Abstand von all den Bewegungen, die aus Paris herüberkamen. Obwohl viele ihrer Motive surreal erscheinen, sind es immer Darstellungen ihrer eigenen Wirklichkeit gewesen, nie hat sie eine Traumwelt abgebildet.
Mit ihren 55 Selbstportraits zieht sich ihr Antlitz als Spiegel ihres Lebens und ihres Inneren durch ihre Kunst. Sie zeigen eine starke Frau in einer Welt voller Gegensätze: Freude und Enttäuschung, Kunst und Natur, Phantastisches und Realistisches, Unbewusstes und Rationales. Oft zeigt sie sich im Brustbild vor einer dichten Blätterwand, die sie nah an den Bildrand rückt, umgeben von Tieren. Das gibt ihr etwas Schamanisches, ein Spiegel ihrer Beschäftigung mit der Vergangenheit und Gegenwart ihrer Kultur. Dieselbe Sprache spricht auch ihre Kleidung, die mit verschiedenen Stoffen in leuchtenden Farben und zahlreichen auffälligen Accessoires ein selbstbewusstes Bild einer starken Frau malt. Zusammen mit ihren dominanten Augenbrauen und ihrer traditionellen Flechtfrisur wurde daraus die Ikone Frida Kahlo, die weltweite Berühmtheit erlangt hat.
Frida Kahlo nannte sich auch La Oscura, was mit „die Dunkle“, aber vielleicht doch besser „die Geheimnisvolle“ übersetzt werden kann. Denn geheimnisvoll war diese Frau, die sich – vom Schicksal oft umgeworfen – immer wieder ins Leben zurückkämpfte. Auch wenn sie nicht selten mit Enttäuschung, Trauer und Hoffnungslosigkeit kämpfte, war das Schöne des Lebens doch immer auch ihr Begleiter. Insofern ist es sicher kein Trugschluss: Lineal und Geschirrtuch sind so hübsch und strahlend, weil auch Frida Kahlo es war. Und vielleicht leuchtet die Farbe auf der Leinwand als Spiegel des Inneren umso heller, je mehr dunkle Stellen man durchwandert hat.
© Marta Kulesza auf Pixabay
13. Juli 2024 || ein Beitrag von Judith Graefe, Akademiereferentin Erkundungen