Dr. Daniel Aeschbach leitet die Abteilung Schlaf und Humanfaktoren beim Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Er war Referent bei der Tagung „Die Magie der Nacht“ am 18. und 19. Januar 2020 in der Akademie. Dabei standen verschiedene Zugänge zum Thema Nacht aus den Bereichen Kunst, Musik und Literatur im Vordergrund, aber auch um Träume und die Bedeutung des Schlafes.
- Herr Dr. Aeschbach, Ihr Fachgebiet ist die Chronobiologie. Können Sie erklären, welchen Bereich des menschlichen Lebens ein Chronobiologe untersucht und mit welchem Erkenntnisinteresse?
Die Chronobiologie ist die Wissenschaft, die sich mit den biologischen Rhythmen von Lebewesen befasst. Im Vordergrund stehen v.a. die zirkadianen (circa: ungefähr; dies: Tag) Rhythmen, also solche, die etwa eine Periodenlänge von einem Tag haben. Der bekannteste ist der Schlaf-Wach Rhythmus. Daneben zeigt aber eine Vielzahl von Körperfunktionen und Stoffwechselvorgängen einen zirkadianen Rhythmus. Dazu gehören z.B. die Körpertemperatur und die Ausschüttung vieler Hormone, insbesondere von Melatonin. Ein Kerngebiet in unserem Zwischenhirn ist Sitz der zentralen inneren Uhr, die diese zirkadianen Rhythmen steuert. Chronobiologen interessieren sich dafür, wie diese Rhythmen entstehen, auf einander abgestimmt werden, wie sie beeinflusst werden können, z.B. durch Licht, und was ihre Bedeutung für unsere Gesundheit ist. So deutet mehr und mehr daraufhin, dass es eine Rolle spielt für unsere Gesundheit, wann in Bezug auf unseren zirkadianen Rhythmus wir schlafen, essen oder arbeiten.
- Für viele Menschen ist Nacht, wenn es dunkel ist. Läuft im menschlichen Körper auch ein eigener Rhythmus ab, der ihm anzeigt, wann es Zeit zum Schlafen ist? Gibt es eine natürliche Zeit zum Schlafen?
Unsere innere Uhr erzeugt in uns einen zyklischen Wechsel zwischen einem „inneren Tag“, wenn wir uns wach und leistungsfähig fühlen, und einer „inneren Nacht“, wenn wir bereit sind für Schlaf. Guter Schlaf fällt mit der Ausschüttung des Hormons Melatonin zusammen, welche in dunkler Umgebung, d.h. ohne die Störung durch künstliches Licht, normalerweise in den Abendstunden beginnt, uns schläfrig macht, und bis in die Morgenstunden anhält.
- Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln bereitet Astronauten auf den Aufenthalt auf der Internationalen Raumstation vor und begleitet diese auch bei ihrem Aufenthalt. Was bedeutet es für die Astronauten, wenn sie alle 90 Minuten einen Wechsel von Tag und Nacht erleben?
Ein derartiger Lichtwechsel kann die zirkadiane Rhythmik und den Schlaf stören. Auf früheren Raumfahrtmissionen hat man der Kontrolle der Lichtverhältnisse weniger Bedeutung beigemessen und entsprechend schlecht war der Schlaf der Astronauten. Auf der Internationalen Raumstation leben die Astronautinnen und Astronauten unter Nutzung von künstlichem Licht nach einem 24-Stunden-Tag. Spezielle Schlafkabinen erlauben Ihnen, sich vor Licht und damit dem alle 90 Minuten wiederkehrenden Sonnenaufgang zu schützen. Trotz Verbesserungen bleibt guter Schlaf im Weltraum weiterhin eine Herausforderung für die Forschung.
- Unsere 24-Stunden-Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass es faktisch keine Nacht mehr gibt. Welche Auswirkungen hat dies auf den Schlaf-Wach-Rhythmus der Menschen?
Die allgegenwärtige Nutzung von künstlichem Licht hat wohl einen bedeutenden Anteil daran, dass sich unsere mittlere Schlafdauer in den letzten 50 Jahren markant verkürzt hat. Unausgeschlafene Menschen machen mehr Fehler und Unfälle. Die Nutzung von Licht in den Stunden unmittelbar vor dem Schlafengehen, in jüngeren Jahren nochmals verstärkt durch den Gebrauch elektronischer Geräte, führt zudem zu einer Verkürzung der inneren Nacht und einer Verschiebung des Schlafs in Bezug auf die zirkadianen Rhythmen in unserem Körper. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „sozialem Jetlag“. Als Folgen vermutet man Störungen des Stoffwechsels, die u.a. zu Fettleibigkeit führen können. Die Erforschung der langfristigen Folgen wird noch lange nicht abgeschlossen sein.
Sehr geehrter Herr Dr. Aeschbach, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen und für Ihren Vortrag bei unseren Akademietagung.
Die Fragen stellte Andreas Würbel, Thomas-Morus-Akademie Bensberg.
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