Kunst und Mythos | Max Beckmann
Max Beckmann war ein schlechter Schüler. Da kann man nichts machen. Aber er befindet sich in guter Gesellschaft. Viele seiner Zeitgenossen, die heute zu den „ganz Großen“ der Kunstgeschichte gehören, waren nicht gut in der Schule, nicht wenige haben sogar die Schule abgebrochen (auch ein Grund, warum nicht nach jedem großen Künstler eine Schule benannt wurde). Womöglich geht es auch Hand in Hand: Ein Ablehnen enger und einengender Schulinhalte und ein Drängen zu Neuem, eine Kreativität, die Altes hinter sich lässt. Und das ist in Max Beckmanns Kunst von Beginn an sichtbar. Auch wenn er ein paar Kunstausbildungsstätten angesteuert hat, die meiste Zeit war er als Autodidakt unterwegs und ließ sich von den unterschiedlichsten Künstlern inspirieren. Dazu gehörten Rembrandt, Rubens, Munch, Cézanne, Frans Hals, Jan Vermeer, Hodler, aber auch der Jugendstil und der Japonismus. Er reiste viel und hielt sich lange in Paris auf, was seine künstlerische Entwicklung enorm nach vorn brachte.
Max Beckmann war Mitglied der Berliner Secession, Stipendiat der Villa Romana in Florenz und schließlich Mitbegründer der Freien Secession. Die Einladung, in die Künstlergruppe „Brücke“ einzutreten, lehnte er ab, da die ganze Kunstrichtung des Expressionismus nicht seinen Vorstellungen entsprach. Dennoch teilte er mit den Künstlern der Brücke das Interesse an Motiven der Großstadt. Er strebte nach Modernität über den Impressionismus und den Expressionismus hinaus. Schon früh fiel seine Entscheidung gegen die Abstrakte und Ungegenständliche Kunst eines Henri Matisse und eines Wassily Kandinsky zugunsten der figurativen Malerei, der er immer treu blieb.
1914. „Meine Kunst kriegt hier zu fressen.“ Doch das war wohl das einzige, was der Erste Weltkrieg Max Beckmann brachte. Er war Sanitätshelfer und wurde durch das Erlebte zutiefst erschüttert. Für viele Kunstschaffende bietet die Kunst einen Ausweg aus dunklen Erinnerungen, so auch für Beckmann. Für ihn war dieser Krieg die größte nationale Katastrophe und er bemerkte einmal, dass er nicht auf die Franzosen schießen würde, da er so viel von ihnen gelernt habe. Seit dieser Zeit war sein Stil noch härter konturiert und radikaler in der Linienführung. Als er 1915 einen Nervenzusammenbruch erlitt, wurde er vom Sanitätsdienst freigestellt und zog nach Frankfurt.
Zu seinen Motiven kamen nun zahlreiche Stadtansichten von Frankfurt, viele Portraits von Bekannten und weitere Selbstbildnisse. Diese Werke lesen sich wie ein Tagebuch aus Bildern und bezeugen seine tiefe Verbundenheit zur Stadt am Main. Kein Wunder also, dass Frankfurt 18 Ausstellungen mit seinen Werken veranstaltete und ihm 1929 den Großen Ehrenpreis verlieh. Seit 1925 leitete er ein Meisteratelier an der Kunstgewerbeschule.
Schon vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten sah sich Beckmann einer veränderten Gesellschaft gegenüber. Seine Kunst wurde heftig angefeindet, schließlich erhielt auch er das Prädikat „entartet“ und verlor seinen Lehrposten. Über 650 seiner Werke wurden bei der großen „Reinigung“ der Museen und Galerien beschlagnahmt, viele wurden zerstört, einige wurden ins Ausland verkauft. In der großen Wanderausstellung „Entartete Kunst“ war er unter den meist Vertretenen mit 21 Werken, alles Beispiele für „schlechte Kunst“.
1937 konnte er nach Amsterdam flüchten, erhielt aber für sich und seine Familie erst 1947 die Erlaubnis, in die Vereinigten Staaten zu emigrieren. Den Rest seines Lebens verbrachte Beckmann in Amerika. Er nahm wieder seinen Lehrberuf auf, reiste viel und schuf pausenlos Kunst, so dass er ein riesiges Oeuvre für die Nachwelt hinterlassen konnte, welches heute weltberühmt ist. Nicht schlecht für einen schlechten Schüler.
14. Dezember 2023 || ein Beitrag von Judith Graefe, Akademiereferentin Erkundungen
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