Goethe Akademie in Wetzlar - Werther - Thomas-Morus-Akademie Bensberg
© Ernst Keil, b 599 via wikimedia commons

Werther, neu gelesen

Eine Fallstudie am Ort des Geschehens zum 250-jährigen Jubiläum

Werther-Fieber, Werther-Tracht und Werther-Tassen; europäischer Bestseller und autobiographischer Schlüsselroman; Verbot wegen Anstiftung zum Selbstmord und Störung des Ehefriedens – selten wurde ein Roman so überlagert von seiner Rezeptionsgeschichte. Der Autor selbst hat sich später von seinem Erstling distanziert. Zwar habe er ihm wahrscheinlich in einer schweren persönlichen Krise das Leben gerettet, aber trotzdem sei doch die Literatur nicht einfach mit dem Leben zu verwechseln!
Die Goethe Akademie begibt sich zum 250-jährigen Jubiläum der „Leiden des jungen Werthers“ nach Wetzlar, an den Ort seiner Entstehung – aber nicht, um das Leben mit dem Roman zu verwechseln, sondern um ihr Wechselverhältnis in einer Fallstudie genauer zu beleuchten. Wir begleiten Werther zu Lotte (Charlotte Buff) und Karl Wilhelm Jerusalem, folgen seinen Spuren nach Garbenheim und Volpertshausen. Ergänzend dazu steht die Lektüre des „Werther“ auf dem Programm. Der Roman und seine Rezeptionsgeschichte werfen eine Reihe von Fragen auf: Was hat es mit der „Empfindsamkeit“ auf sich, der Epidemie des Gefühlsüberschwangs im gebildeten Europa jener Jahre? Welche Bedeutung hatten Briefe im Zeitalter der Aufklärung? Wie stellt sich das Geschlechter-Verhältnis bei Goethe dar, und warum wurde Lotte zur Heldin in Thomas Manns Werther-Roman „Lotte in Weimar“? Und schließlich, in ökologisch bewegten Zeiten: Welche Natur ist es eigentlich, die der Autor und seine Hauptfigur so enthusiastisch verehren?

Donnerstag, 12. September 2024

Individuelle Anreise zum Hotel Wetzlarer Hof in Wetzlar.

15.00 Uhr
Willkommen zur Goethe Akademie!
Begegnungen und Gespräche bei Kaffee, Tee und Gebäck
Susanne Bonenkamp M.A.
Dr. phil. habil. Jutta Heinz

15.30 Uhr I Vortrag und Gespräch im Hotel
„Was ich von der Geschichte des armen Werthers nur habe auffinden können“
Entstehung, Fassungen, Hintergründe
Der Roman, der Goethe mit einem Schlag europaweit berühmt machte, erschien vor genau 250 Jahren in seiner Erstfassung. Knapp acht Jahre später begann Goethe mit der Überarbeitung seines umstrittenen Erstlings. Der Roman hat Literatur- und Zeitgeschichte geschrieben; und bis heute meint jeder ihn zu kennen, häufig aus jugendlicher Lektüre. Aber kennen wir „Werther“ wirklich? Der Einführungsvortrag ruft den Entstehungs- und Veröffentlichungskontext kurz in Erinnerung – und schließt daran eine Reihe von Leitfragen für die Neulektüre an.
Dr. phil. habil. Jutta Heinz

18.00 Uhr | Abendessen im Restaurant Äbbelwoistubb

20.00 Uhr I Gespräch im Restaurant
„... daß ein so sentimentalisches Werk wie dieses allen Menschen gehört“
Eine Zitatencollage zur Rezeptionsgeschichte
Selten wurde ein Roman so von seiner in hohem Maße kontroversen Rezeption überlagert. Gleichzeitig dokumentiert seine produktive Aneigung bis heute die bleibende Aktualität eines frühen „Klassikers“: Das Spektrum reicht von Friedrich Nicolais „Freuden des jungen Werthers“ über Thomas Manns „Lotte in Weimar“ und Ulrich Plenzdorfs „Die neuen Leiden des jungen W.“ bin hin zu den „Leichen des jungen Werthers“ (Susanne Picard); Verfilmungen und Illustrationen sind Legion. Warum ist bis heute immer noch die Rede von einer reichlich trivialen Liebesgeschichte mit tragischem Ausgang?
Dr. phil. habil. Jutta Heinz


Freitag, 13. September 2024

Frühstück

10.00 Uhr I Stadtführung
„Die Stadt selbst ist unangenehm ...“
Auf Goethes Spuren durch Wetzlar
Im Mai 1772 traf Goethe in Wetzlar ein.
Der junge Jurist, 22 Jahre alt, sollte ein Praktikum am Reichskammergericht absolvieren. Nach einem ereignisreichen Sommer verließ Goethe die Stadt im September wieder — die Spuren des Dichters und seines Romanhelden hingegen sind bis heute sicht- und spürbar. Der Spaziergang führt u.a. zum Geburtshaus von Charlotte Buff und der Wohnung Karl Wilhelm Jerusalems.

Gelegenheit zur individuellen Mittagspause

14.00 Uhr I Vortrag und Gespräch im Hotel
„Bester Freund, was ist das Herz des Menschen!“
Empfindsamkeit und Individualität im Roman
„Die Leiden des jungen Werthers“ gilt als eines der Hauptwerke des Sturm und Drang in der deutschen Literatur; gleichzeitig wird es der europaweiten Empfindsamkeits-Bewegung zugeordnet. Unabhängig von diesen literatur- und geisteswissenschaftlichen Zuschreibungen spricht der Briefroman aber nicht nur ausgiebig vom empfindsamen „Herz“ seines Protagonisten; er spricht auch zum Herzen der Lesenden. Ist eine wahrhaft empfindsame Lektüre immer noch möglich? Würde Werther heute noch Briefe schreiben?
Dr. phil. habil. Jutta Heinz

Kaffee- und Teepause

16.00 Uhr I Vortrag und Gespräch im Hotel
„Ich habe meine Entlassung vom Hofe verlangt“
Geschlecht und Gesellschaft im Roman
Welchen Beruf hat Werther eigentlich erlernt, wie verdient er seinen Lebensunterhalt? Was wissen wir über seine Familie, seine Herkunft, seine Beziehungen vor Lotte? Und was wissen wir von Lotte selbst: Inwiefern entspricht sie dem Frauenbild ihrer Zeit, was hat sie für Ansichten, Hoffnungen, Aussichten? Häufig wird vernachlässigt, dass der Roman vor einem konkreten sozialen, politischen und geschlechtergeschichtlichen Hintergrund entstanden ist; gerade deshalb könnten diese Fragestellungen für eine Neulektüre ergiebig sein.
Dr. phil. habil. Jutta Heinz

19.00 Uhr | Abendessen im Restaurant Äbbelwoistubb


Samstag, 14. September 2024

Frühstück

9.30 Uhr I Kuratorenführung durch die
Jubiläumsausstellung
„Werther. Welten“
Zu Besuch im Stadtmuseum Wetzlar
Auch die Jubiläumsausstellung wird die weltweite Rezeptionsgeschichte des „Werther“ nachzeichnen und nach der anhaltenden internationalen Aneignung des Romans fragen. Besonderes Augenmerk gilt dabei bislang wenig beachteten Aspekten wie der Omnipräsenz des Trauermotivs der Lotte im englischsprachigen Raum, der Frage nach den Geschlechterperspektiven der Wertheriaden, dem Einfluss der Mentalität auf die Rezeptionsgeschichte (in Ostasien) sowie der popkulturellen und transmedialen Verarbeitung des Stoffes in Literatur und Kunst.

Gelegenheit zur individuellen Mittagspause

14.00 Uhr I Abfahrt mit dem Reisebus
„Es ist wunderbar, wie ich hierherkam und vom Hügel in das schöne Tal schaute, wie es mich rings umher anzog“
Ein Ausflug nach Garbenheim und Volpertshausen
Die Fahrt über die Lahnberge führt zunächst zum Wetzlarer Stadtteil Garbenheim, das in Goethes „Werther“ als Wahlheim beschrieben wird: ein beliebter Ausflugsort für die gehobenen Schichten Wetzlars und regelmäßiges Ziel der Wanderungen des jungen Goethe. Die Wertherbriefe zeugen bis heute von den tiefen Eindrücken, die das Dörfchen und seine Bewohner bei Goethe hinterlassen haben.

15.30 Uhr I Führung im Heimatmuseum Volpertshausen
„Ich habe eine Bekanntschaft gemacht, die mein Herz näher angeht.“
Eine Ballnacht mit Folgen
Das Tanzvergnügen, das am 9. Juni 1772 im ehemaligen Jagdhaus der Grafen von Nassau-Weilburg in Volpertshausen stattfand, ging in die Weltliteratur ein. Goethe gehörte ebenso zu den 25 Teilnehmenden des Balls wie Charlotte Buff, die aus der benachbarten Stadt aufs Land gekommen waren. Abbildungen der Ballbesucher, auch die der brotschneidenden Lotte und des unglücklichen Jerusalem, schmücken die Wände und laden ein, Goethes Empfindungen nachzuspüren.

Vesper im Heimatmuseum

17.30 Uhr I Theaterstück für eine Person im Ballsaal des Heimatmuseums
„Mit mir nicht noch einmal, Herr Goethe!“
Lotte trifft Goethe nach 44 Jahren wieder
Lotte, 63 Jahre alt und verwitwet, trifft ihren alten Verehrer in Weimar wieder. Was wäre geworden, wenn sie Goethe geheiratet hätte? Aus dem einstigen Strahlemann ist ein Hofratsmusterstück geworden — und mit der Leidenschaft für Lotte scheint‘s nicht mehr so weit her zu sein — oder spielen da andere Frauen inzwischen eine aktuelle Rolle? Lotte jedenfalls, inzwischen zur Hofrätin aufgestiegen und mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein ausgestattet, stellt sich dem neuen alten Liebhaber mit überlegener Kritik, spart nicht mit Ironie und Witz und belichtet dabei lebhaft und wortstark ihr eigenes, arbeitsreiches, aber schließlich sehr erfolgreiches Leben.
Gertrud Gilbert
Schauspielerin und Autorin, Bad Nauheim

19.00 Uhr | Rückfahrt nach Wetzlar


Sonntag, 15. September 2024

Frühstück

9.00 Uhr I Gelegenheit zum Besuch eines katholischen Gottesdienstes

10.15 Uhr I Vortrag und Gespräch im Hotel
„Wenn das liebe Thal um mich dampft“
Natur im Roman
Neben dem „Herz“ ist die „Natur“ das zweite Schlüssel- und Hauptwort im „Werther“. Beides sind extrem vage Begriffe mit großer potentieller Bedeutungsvielfalt. Goethe entwickelt in diesem Roman bereits die Grundlagen seines eigenen Naturverständnisses; sie werden bei allen Modifikationen und Vertiefungen durch seine intensiven naturwissenschaftlichen Forschungen der späteren Jahre relativ konstant bleiben. Doch um Werthers empfindsame „Natur“ wirklich zu verstehen, muss man sie aufsuchen, sich ihr aussetzen, sie erleben — vom dampfenden Tal bis hin zu den wimmelnden Würmchen und Mückchen.

Kaffee- und Teepause

11.45 Uhr I Vortrag und Gespräch im Hotel
„Ossian hat in meinem Herzen den Homer verdrängt“
Literatur im Roman
Werther ist ein Leser. Und er liest so, wie man eigentlich nicht lesen sollte, wenn man den Literaturwissenschaftlern glaubt: identifizierend, mitfühlend, mitleidend. Eine solche Lektüre produziert, in den Begriffen der Zeit gesprochen, „Schwärmer“; Menschen, die an einer chronischen Verwechslung von Leben und Literatur leiden. Wird Werthers „Krankheit zum Tode“ durch Lesen induziert, potenziert, dramatisch verschärft? Wie verändert sich seine Lektüre im Verlauf des Romans und seiner „Krankheit“? Und was können wir daraus für unsere eigene Lektüre des „Werther“ lernen?
Dr. phil. habil. Jutta Heinz

13.00 Uhr | Mittagessen im Hotel und Verabschiedung

Änderungen im Programmverlauf und in der Organisation bleiben vorbehalten.

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