Das sind meine modernen Frauen. Tausche Cranach gegen Modersohn-Becker
Eine Frau, die Kunstgeschichte schrieb: Paula Modersohn-Becker. Sie wurde geboren im Jahr 1876, 4 Jahre vor Franz Marc, 5 Jahre vor Max Pechstein, 7 Jahre vor Erich Heckel und 11 Jahre vor August Macke – alle alte Bekannte aus der Kunst, die in ihrer Arbeit so häufig mit Paula Modersohn-Becker verglichen werden und alle einige Jahre jünger.
Sie fand schon früh zur Malerei, doch war es ihr verwehrt, eine Kunstakademie zu besuchen, schließlich war sie ja „nur eine Frau“. Doch ihre Eltern unterstützten sie nach Kräften und bezahlten einige private Zeichenkurse, eine bemerkenswerte Entscheidung, denn Paulas Wunsch war doch eine „brotlose Kunst“. Und dieser folgte sie zielstrebig nach Worpswede, wo sie weiteren Zeichenunterricht nahm, ihren späteren Ehemann Otto Modersohn kennenlernte und schließlich ganz in der Kunst versank.
Sie genoss die Landschaft und das Leben unter Künstlern in Worpswede in vollen Zügen, doch zog es sie auch zu einem weiteren Herzensort, und ihre Sehnsucht führte sie mehrmals nach Paris, dem place to be für die Kunst um 1900. Und so wählte sie – sicher nicht zufällig – die Silvesternacht 1899/1900, den Übergang also zum nächsten Jahrhundert, um ihrem Wunsch nachzugeben und nach Paris zu reisen. Ein Aufbruch also in eine neue Zeit? In eine neue Kunst?
Ihre Ausbildung war durch die privaten Unterrichtsstunden technisch einwandfrei, doch niemand unterrichtete sie in der Betrachtung und Umsetzung moderner Kunst – wie auch? Diese Kunst war doch gerade im Entstehen und in ihrer Entwicklung erst sehr wenig greifbar. Also schulte sie sich selbst, besuchte regelmäßig Museen und Galerien, begegnete den Werken der Antike, wie den ägyptischen Mumienporträts, den „alten Meistern“, wie Lucas Cranach dem Älteren, aber auch dem, was gerade im Entstehen war und großen Einfluss auf die Kunst bis heute haben sollte, wie zum Beispiel Werken Paul Cézannes.
Paula Modersohn-Beckers Werk ist bahnbrechend und Grenzen sprengend. Sie band all ihre Inspirationen in ihre Arbeit ein und fand schließlich zu einem ganz eigenen unverwechselbaren Stil. Die entsprechende Anerkennung erhielt sie, als in Bremen das weltweit erste Museum für eine Malerin, das „Paula Modersohn-Becker-Museum“ eröffnet wurde.
Dieser Ehrung und Wertschätzung folgt das Arp Museum Bahnhof Rolandseck gerade mit einer beeindruckenden Schau, in der nicht nur bekannte und weniger bekannte Werke der Künstlerin gezeigt werden, sondern in der auch über den Tellerrand geblickt wird. So begegnet man dialogisch Werken von Lucas Cranach dem Älteren, Tilman Riemenschneider, Gustave Courbet, Edgar Degas, Camille Pissarro, Berthe Morisot und vielen weiteren – einem kleinen Who-Is-Who der Kunstgeschichte. Paula Modersohn-Becker wird hier in ihr Leben und die sie zu Lebzeiten umgebende Kunstwelt eingepasst. Ein an einigen Stellen augenöffnender Effekt, denn kein Mensch existiert allein, jeder Mensch ist Kind seiner Zeit, so auch Paula Modersohn-Becker.
Das sind meine modernen Frauen. Tausche Monet gegen Modersohn-Becker
Ausstellung im Arp Museum Bahnhof Rolandseck
noch bis zum 4. September 2022
Bildnachweis:
Frauenporträts von Renoir, Cranach und Modersohn-Becker in der Ausstellung © Arp Museum Bahnhof Rolandseck | Foto: Thomas Köster
Paula Modersohn-Becker | Bildnis Lee Hoetger vor Blumengrund | 1906 © Museen Böttcherstraße, Bremen
Paula Modersohn-Becker | Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag | 1906 © Museen Böttcherstraße, Bremen
24. Juni 2022 || ein Beitrag von Judith Graefe, Referentin Erkundungen