Jan_Steen_Wikicommons, gemeinfrei

Verewigte Gefühle

Körperhaltung, Gestik und Mimik in der Bildenden Kunst

Der schillernde Oberbegriff „Gefühl“ weckt unterschiedlichste Vorstellungen, ebenso wie seine Unterkategorien „Affekt“ als Erregung des Gemüts und „Emotion“ als dessen Bewegung. All dies entzieht sich der unmittelbaren Darstellung, handelt es sich  doch um psychologische Phänomene und somit um subjektive Erfahrungen und Reaktionen von Individuen. Nur das, was von diesen inneren Vorgängen als „Körpersprache“ sichtbar wird, können Kunstschaffende auf die Leinwand bringen oder ins plastische Werk setzen.
Dann aber eröffnet sich eine ebenso reiche wie rätselhafte Welt. Mithilfe der drei Kategorien „beredter Leiblichkeit“ – Körperhaltung, Gestik und Mimik – erweitert die Kunst die Grenzen des klassischen Bildwerks. Bringt es zum Klingen, indem sie visualisiert, was Sprache nicht vermitteln kann oder soll; setzt es in Bewegung und befähigt es dadurch, flüchtige Gefühle für die Ewigkeit festzuhalten.
Wir laden Sie herzlich dazu ein, gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Karoline Künkler das bildschöpferische Potential der Körpersprache vor Originalen in zwei Kölner Museen – dem Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud sowie dem Museum Ludwig – zu erkunden und in einem Seminar zu ergründen.

Donnerstag, 17. Oktober 2019
 
10.00 Uhr
Treffpunkt am Wallraff-Richartz-Museum
 
Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Den Anfang macht der Osnabrücker Altar (um
1370-80), der mit Szenen aus dem Leben Christi Grundelemente “beredter” Leiblichkeit bereithält: Sitzfiguren wie die demütig knienden Könige zu Füßen der thronenden Gottesmutter; betende wie segnende Hände im Kontrast zur hasserfüllt geballten Faust; das schmerzverzerrte Antlitz oben am Kreuz, das unten ein Echo findet in Mienen von Trauer und Verzweiflung. Im Anschluss geht es dann zu Lochners berühmter „Madonna in der Rosenlaube“ (1440-42) und zu de Coters weniger bekanntem Gemälde „Die Verdammten“ (um 1502-10).
 
12.30 Uhr
Mittagessen im Maternushaus
 
13.30 Uhr
Seminar Teil 1: Bildanalysen
Beim Vergleich ausgewählter Werke aus dem Wallraf-Richartz-Museum steht das mimische Motiv vom „Blick aus dem Bild“ im Fokus, lässt dieser doch die ästhetische Wirklichkeit des Kunstwerks mit der sozialen Realität der Betrachterinnen und Betrachter davor zusammentreffen. Welchen Eindruck vermitteln Liebermann und Corinth, die uns, jeweils malend vor der Staffelei, anzuschauen scheinen? Welche Empfindungen ruft der Diener in Steens “Amnon und Tamar” hervor (1668/70), der uns grinsend die soeben vergewaltigte Tamar vorführt?
 
14.45 Uhr
Kaffee- und Teepause
 
15.00 Uhr
Seminar Teil 2: Die „realistische“ Moderne
Gerade hinsichtlich der „beredten Leiblichkeit“ bestätigt sich Kandinskys Prognose von 1912, die Kunst werde sich von nun an zwischen den Polen Realistik und Abstraktion entfalten. An eine gegenständliche Darstellungsweise gebunden, finden Körperhaltung, Gestik und Mimik Aufnahme bei realistischen Strömungen, während Abstraktes ihnen weitgehend entsagt. Entsprechende Beispiele stimmen ein auf den Besuch im Museum Ludwig.
 
16.00 Uhr
Spaziergang zum Museum Ludwig
 
16.30 Uhr 
Expressionismus bis Pop
Museum Ludwig
Im Rückblick aufs Wallraf-Richartz-Museum erweist sich: Der Gefühlsausdruck wird dem Expressionismus zum Programm. Scherers Holzplastik vom 1924 zeigt Liebende als erotisches Ineinander einer einzigen Liegefigur; Jawlenskys Frauenkopf von 1911 fixiert uns mit hypnotischem Augenpaar. Dix steigert den Illusionismus zu neusachlicher Akribie, wie die blau geäderte Mensurnarbe im unheimlichen „Bildnis Doktor Hans Koch“ (1921) bezeugt. Am Eingang zur Pop-Art empfängt uns Hansons hyperrealistische Plastik „Frau mit Umhängetasche“ (1974) – schlussendlich sucht das Bild einer gewöhnlichen Frau unseren Blick.
 
17.45 Uhr
Ende der Veranstaltung 

Änderungen im Programmverlauf und in der Organisation bleiben vorbehalten.

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