Kleine Kirchen in schönem Ambiente

Auf den ersten Blick sehen die fünf Bunten Kirchen gleich aus: immer eine kleine Kirche weiß gekälkt, mit Turm. Aber ein zweiter Blick lohnt, denn sie unterscheiden sich in interessanten Details. Nach der Besiedelung des Bergischen Landes im 9. Jahrhundert wurden wahrscheinlich zunächst Holzkirchen gebaut, später dann einschiffige Steinkirchen. Die heutigen ältesten Teile der Bunten Kirchen stammen alle aus dem 12. Jahrhundert, als man dreischiffige Kleinbasiliken mit einem Westturm und einem runden Chor errichtete. Im 15. Jahrhundert kam es erneut zu einem Bauboom aufgrund der guten wirtschaftlichen Situation, nun wurden die Chöre zu Rechteckchören mit Querhäusern erweitert und mit umfangreichen Wandmalereien ausgestattet.

Die Kirche in Marienhagen ragt aus der Architektur der Bunten Kirchen heraus. Der Orden der Johanniter übernahm die Kirche um 1300 und baute sie zu einer einschiffigen Saalkirche mit fünfseitigem Chor um. Das Langhaus ist durch abgetreppte Strebepfeiler gegliedert, unter der Dachtraufe zieht sich ein Spitzbogenfries auf Konsolen entlang. Der Chor besitzt ebenfalls Strebepfeiler, aber anstelle des Frieses schmücken nun spitzbogige Blenden die Wand. Auf den ersten Blick mag diese Außengliederung schlicht erscheinen, im Konzert der Bunten Kirchen spielt sie aber die erste Geige, da keine weitere Kirche so aufwändig geschmückt ist. Die Johanniter scheuten keine Kosten, denn der für diese Gliederung verwandte Haustein war im bergischen Land nicht vorhanden, mußte herantransportiert und von Steinmetzen bearbeitet werden. Der stehengebliebene romanische Turm verdankt sein altertümliches Aussehen statischen Gründen, im 17. Jahrhundert wurde eine Stützmauer im Westen angebracht sowie das oberste Geschoß abgetragen. Die Kirche liegt inmitten des Dorfes und es lohnt sich ein Rundgang durch eines der besterhaltenen Kirchdörfer im Oberbergischen, da sich Marienhagen durch zahlreiche Fachwerkhäuser mit Inschriften der Erbauer und besonders durch die zahlreich erhaltenen Scheunen auszeichnet.

Müllenbach offeriert das genaue Gegenteil, hier liegt die Kirche am Rande des Dorfes, bis vor wenigen Jahren umgeben von hohen Tannen, die leider wegen Umsturzgefahr gefällt werden mußten. Die Lage verrät, daß es sich ursprünglich um eine Eigenkirche handelte, also eine Kirche, die ein vermögender Adeliger oder Bauer auf seinem Grund errichtete. Neben der Kirche ergrabene Fundamente belegen einen größeren Gebäudekomplex, ab dem 14. Jahrhundert stand hier die Burg des Adelsgeschlechts Mollenbeck. Den Außenbau der Kirche dominiert der Turm, der in seiner Schwere und Schmucklosigkeit den Eindruck großer Wehrhaftigkeit vermittelt. Selbst wenn es sich bei den Bunten Kirchen um keine Wehrkirchen handelt, so konnten die Türme den bedrängten Gemeinden kurzzeitig als Rückzugsort dienen. Besonderheiten des Müllenbacher Turms sind ein schmiedeeisener Turmhahn (der originale Hahn wird in der Sakristei aufbewahrt) und ein extra Dächlein mit einer Stundenglocke. Insgesamt besticht die Kirche durch ihre strenge, romanische Architektur. Obwohl der Chor aus dem 15. Jahrhundert stammt, fügt er sich nahtlos dem Turm und dem Kirchenschiff aus dem 12. Jahrhundert an. Auch im Innenraum zeigt sich eine schlichte, aber äußerst qualitätvolle Architektur. Ausweis dafür sind unter anderem die geraden Wände, die in anderen Kirchen auch einmal krumm und buckelig sein können. Das kurze Langhaus von zwei Jochen ist breiter als lang, zudem fallen die außerordentlich schmalen Seitenschiffe auf, die nur zwei Meter messen im Gegensatz zum fünf Meter weiten Mittelschiff. Diese Besonderheiten teilt die Müllenbacher Kirche mit dem westfälischen Raum, an den das Oberbergische hier grenzt.

Ebenfalls in weiten Teilen noch der Romanik verpflichtet, aber mit einem völlig anderen Architektureindruck gibt sich die Kirche in Lieberhausen. Turm und Mittelschiff stammen noch aus dem 12. Jahrhundert, wobei die Fenster der Seitenschiffe im Barock vergrößert wurden. Der Chor wurde im 15. Jahrhundert erneuert und geht im Außenbau nahtlos in die Sakristei aus dem 18. Jahrhundert über. Der Turm steht nicht wie bei den anderen Bunten Kirchen komplett vor dem Mittelschiff, sondern sitzt zur Hälfte auf dem Langhaus auf, so daß er im Innenraum nicht in Erscheinung tritt. Im Inneren zeigt sich der gedrungene Eindruck einer kleinen, romanischen Landkirche. Die tiefen Fensterlaibungen offenbaren die Massigkeit der romanischen Mauern, die schweren Arkaden, besonders die rundbogigen im Osten, sind tiefgezogen, insgesamt ist die Kirche niedrig. Die Kirche liegt am Rande des Dorfes und ist die einzige der Bunten Kirchen, die auf einem kleinen Platz steht, der von Häusern des 18. und 19. Jahrhunderts gerahmt wird.

Im Gegensatz zu Lieberhausen ist Marienberghausen wieder ein Kirchdorf wie auch Marienhagen, das heißt die Kirche befindet sich inmitten der Häuser, abgetrennt nur durch eine kleine Bruchsteinmauer. Die Kirche in Marienberghausen ist diejenige unter den Bunten Kirchen, die Bauteile aus drei verschiedenen Epochen aufweist. Der Turm ist der älteste Teil aus dem 12. Jahrhundert, wobei er nach einem Brand im 17. Jahrhundert eine barocke Haube bekam, die 1899 erneuert wurde. Im 15. Jahrhundert wurde auch in Marienberghausen der ursprünglich runde Chor durch einen eckigen mit Querhaus ersetzt. Der jüngste Teil der Kirche ist das Langhaus, das nach einem Brand im 17. Jahrhundert als sehr schlichter einschiffiger Saalbau errichtet wurde. Die klare Form und die Helligkeit der Kirche durch die großen Fenster entsprach sehr viel eher dem Ideal einer reformierten Kirche als das bis zum Brand bestehende romanische Mittelschiff. Im Inneren der Kirche sind die Reste des romanischen Baus in den Westwänden der Querhäuser zu erkennen: die zugesetzten, ehemaligen Durchgänge zu den Seitenschiffen zeigen, wie schmal diese gewesen sein müssen und erinnern an die Architektur von Müllenbach und Lieberhausen.

Eines der schönsten Ortsbilder weist die Kirche in Wiedenest auf. Weit entfernt vom Dorf steht sie am Hang des Dörspetals, umgeben von Wiesen und alten Bäumen. Mit den Fachwerkhäusern des Pfarrhauses, des Küsterhauses und des Pfarrstalls bildet sie ein malerisches Ensemble. Die auffällige Lage der Kirche abseits einer Siedlung dürfte wie bei Müllenbach auf eine ehemalige Eigenkirche verweisen. Sie hängt aber wohl auch mit der oberhalb der Kirche entspringenden Quelle zusammen, die über Jahrhunderte als „heiliger Brunnen“ bezeichnet wurde. Möglicherweise war diese Quelle in vorchristlicher Zeit bereits ein besonderer Ort, an dem dann auch die christliche Kirche errichtet wurde. Turm und Langhaus der Kirche stammen aus dem 12. Jahrhundert, wobei die Gliederung des Turmes mit je zwei Zwillingsschallfenstern im Glockengeschoß reicher ist als die aller anderen Kirchtürme der Bunten Kirchen. Wie in Lieberhausen auch sind die Fenster der Seitenschiffe im Barock vergrößert worden, um mehr Licht in die Kirche zu lassen. Der Chor wurde laut einer Urkunde 1452 neu errichtet. An der malerischen Dekoration des Innenraumes läßt sich erkennen, daß die Kirche ursprünglich flach gedeckt war: die Streifen in Rot und Ocker, die heute von den Gewölbekappen überschnitten werden, laufen oberhalb des Gewölbes weiter. Das romanische Langhaus wurde wohl im 13. Jahrhundert gewölbt und die ehemals rundbogigen Arkaden in spitzbogige umgewandelt. Anlaß dazu war wahrscheinlich die Schenkung einer Kreuzreliquie an die Kirche, worauf sich eine Wallfahrt dorthin entwickelte und man anschließend die Kirche modernisierte.