Ein besonderer Moment: Die Kraft der Barmherzigkeit

Die Fastenzeit ist eine Zeit der Besinnung, der inneren Einkehr und der Neuausrichtung. In unserer Reihe „Ein besonderer Moment“ möchte ich heute über eine Erfahrung sprechen, die mich tief bewegt hat.

In der Kirche hörte ich das Evangelium vom Verlorenen Sohn. Eine Geschichte, die so bekannt ist – und doch immer wieder mitten ins Herz trifft. Es ist die Erzählung eines jungen Mannes, der sein Erbe verschwendet, sich verirrt und schließlich mit leeren Händen und gebrochenem Herzen zum Vater zurückkehrt. Er erwartet Strafe, Zurückweisung oder zumindest eine spürbare Distanz. Doch stattdessen läuft der Vater ihm entgegen, schließt ihn in die Arme und feiert seine Rückkehr. Ein unglaublicher Moment der Barmherzigkeit!

Der Pastor sagte dazu: „Barmherzigkeit ist das größte Geschenk, das wir von Gott bekommen haben.“ Diese Worte haben mich tief berührt. Was für ein unsagbar schönes Gefühl, wenn jemand einem vergibt! Wenn man – trotz aller Fehler, trotz allem Versagen – wieder angenommen wird. Nicht mit Vorwürfen oder Bedingung, sondern mit offenen Armen.

Die Fastenzeit lädt uns dazu ein, diese Haltung in unser eigenes Leben zu tragen. Nicht nur, indem wir selbst um Vergebung bitten, sondern auch, indem wir anderen vergeben. Wie oft tragen wir Groll, halten an Enttäuschungen fest oder verweigern einem Menschen die Chance auf einen Neuanfang? Doch die wahre Kraft der Barmherzigkeit liegt darin, loszulassen, das Herz zu öffnen und dem anderen eine neue Möglichkeit zu schenken.

Vielleicht können wir in dieser Fastenzeit genau das üben: einen besonderen Moment der Barmherzigkeit schaffen. Einen Moment, in dem wir jemanden in Liebe annehmen – so wie der Vater den verlorenen Sohn. Ein Moment, der nicht nur den anderen befreit, sondern auch unser eigenes Herz leichter macht.

Barmherzigkeit ist nicht nur ein göttliches Geschenk – sie kann auch unser Geschenk an die Welt sein.

Copyright: Rembrandt Harmenszoon van Rijn: Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, um 1666/1669 Öl auf Leinwand, 262 x 206 cm, St. Petersburg, Eremitage

Pia von Boeselager | Referentin Öffentlichkeitsarbeit Thomas-Morus-Akademie Bensberg