Gläubige Schüler des Philosophen
Maimonides, Averroes, Thomas von Aquin
Das lateinische Mittelalter als ein in sich geschlossenes weltanschauliches, religiöses und kulturelles System ist ein weit verbreitetes Klischee. Abgesehen davon, dass es „das“ Mittelalter nie gegeben hat, ist die westeuropäische Kultur und Kulturlandschaft zwischen 500 und 1500 tief verwurzelt in der „heidnischen“ römisch-griechischen Antike. Sie ist deshalb auch maßgeblich geprägt von interkulturellen Beziehungen, die wichtige Einflüsse auf philosophisch-theologische Diskussionen in den intellektuellen Zentren (wie etwa Paris und Oxford) ausübten. Jüdische und v.a. auch muslimische Gelehrte fungierten als wichtige Vermittler der antiken Philosophie. Die Tagung wird diesen Rezeptionsbeziehungen exemplarisch nachgehen.
Im Zentrum stehen dabei die höchst kontroversen Auseinandersetzungen mit dem Aristotelismus des Avicenna (Ibn Sīnā, vor 980-1037), des Averroes (Ibn Rušd, 1126-1198) und bei den großen christlichen Autoren des 13. und 14. Jahrhunderts (Albert der Große, Thomas von Aquin, Heinrich von Gent, Johannes Duns Scotus…).
Zudem wird sich die Akademietagung mit den literarischen Zeugnissen des interreligiösen Dialogs des 11. Jahrhunderts bis an die Schwelle der Frühen Neuzeit beschäftigen.
Samstag, 15. Januar 2022
14.00 Uhr
Heiden, Juden und Christen aus der Sicht des lateinischen Mittelalters
Für die Gelehrten des lateinischen Mittelalters stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der drei abrahamitischen Religionen anders als für uns: Das Judentum kommt im Rahmen einer geschichtstheologischen Konzeption – mit allen auch negativen Konsequenzen – als die eigene Herkunfts- und Vorgängerreligion in den Blick, die Muslime entweder als christliche Häretiker oder lediglich als Vertreter einer nur philosophischen Perspektive auf die Welt und den Menschen. Wie hat man sich diese Konstellation vorzustellen? Welche Konsequenzen hatte sie für die Wahrnehmung der anderen Religionen, aber auch der philosophischen Traditionen der Antike? Im Zentrum des Vortrages steht dabei die besondere Textgattung der „Religionsgespräche“.
15.30 Uhr
Kaffee- und Teepause
16.00 Uhr
Aristoteles, der Philosoph – Averroes, der Kommentator
Mindestens im Rückblick scheinen Philosophie und Theologie des Hochmittelalters dominiert durch die „Wiederentdeckung“ der platonischen Philosophie (des „Timaios“) im 12. Jh. und der Neuerschließung der aristotelischen Philosophie im 13. Jh. Alles scheint sich um die Frage zu drehen, ob und wie Christen überhaupt mit Aristoteles umgehen können und sollten. Aristoteles avancierte zu „dem“ Philosophen schlechthin, den man – mit einer Wirkungsgeschichte bis tief in die Neuzeit hinein – in der Vermittlung durch arabische Kommentare liest.
18.00 Uhr
Abendessen
19.00 Uhr
Engel auf der Nadelspitze
In der Scholastik des Mittelalters war die literarische Form der Quaestio weit verbreitet: kleine gelehrte Miniaturdramen, die - manchmal tatsächlich in verteilten Rollen „aufgeführt“ - dazu dienten, systematische Probleme immer subtiler aufzugliedern – und womöglich sogar zu lösen, indem man zugleich neue Probleme erzeugte. Die Referenten werden diese Form mittelalterlicher Denk- und Lehrpraxis wiederaufleben lassen, um erfahrbar zu machen, dass und wie die Art, über Inhalte zu sprechen, auf diese Inhalte zurückwirkt(e). Das galt in ganz besonderer Weise für den Versuch, Aristoteles in der Interpretation durch seine „heidnischen“ Kommentatoren in den eigenen christlichen Denkhorizont einzufügen.
21.15 Uhr
Ende des Veranstaltungstages
Sonntag, 16. Januar 2022
ab 7.00 Uhr
Frühstück
8.00 Uhr
Gelegenheit zum Besuch eines katholischen Gottesdienstes in der Edith-Stein-Kapelle
9.30 Uhr
Lektüre in Kleingruppen
In angeleiteten Kleingruppen werden die Themen der ersten beiden Vorträge der Veranstaltung durch die gemeinsame Lektüre von ausgewählten Quellentexten (in deutscher Übersetzung) vertieft. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob und wie sich mit der Rezeption DES Philosophen Aristoteles die Sicht des lateinisch-mittelalterlichen Europa auf das Judentum und die „Heiden“, also auf die nicht-christliche Antike und den Islam, ändert. Ein Reader mit Quellenauszügen wird zur Verfügung gestellt.
11.00 Uhr
Kaffee- und Teepause
11.30 Uhr
Außerhalb der Kirche kein Heil?
In gegenwärtigen Konflikten werden rückschrittliche Positionen wie etwa religiöse Intoleranz und aus ihr folgende Gewalt oft als „mittelalterlich“ bezeichnet. War das lateinische Europa zwischen Spätantike und Früher Neuzeit tatsächlich so geschlossen von Christentum und Kirche dominiert? Welche Funktionen wiesen die Gelehrten Kirche und Religion bzw. Religionen im und für das Zusammenleben der Menschen zu? Was waren die Konsequenzen für das Verhältnis zu Judentum und Islam?
13.00 Uhr
Mittagessen
14.00 Uhr
Ende der Tagung
Änderungen im Programmverlauf und in der Organisation bleiben vorbehalten.