Hippolyte Flandrin, Jüngling am Meeresufer, gemeinfrei

Schön. Aussagekräftig. Provokant.

Körperdarstellungen als Spiegel von Menschenbildern

Die Kunst im westlichen Teil der Welt speist sich aus Quellen, deren Einflüsse bis heute spürbar sind; zu ihnen gehört das Christentum. Ganz wesentlich ist ein zentrales Sujet der Kunst von diesem mitgeprägt: der Mensch. Als einziges Lebewesen ist jener dazu befähigt, sich selbst im Verhältnis zur Welt zu reflektieren und davon in ästhetischen Werken Zeugnis abzulegen, namentlich in der Bildenden Kunst. Hier konzentriert sich alles auf die sichtbare Erscheinung des Menschen, festgehalten als plastisches, gezeichnetes, gemaltes Bild.
Mit Adam und Eva widmet sich das Seminar einem ‚Urthema‘ der Kunst, versinnbildlicht doch gerade dieses biblische Paar das, was alle Menschen verbindet: sinnlich-sexuelle, generative und sterbliche Leiblichkeit. Zudem boten Szenen mit Adam und Eva für lange Zeit eine der wenigen legitimen Möglichkeiten, nackte Frauen- und Männerkörper darzustellen. Im Mittelalter zunächst als flächige Figuren, geschaffen auf der Grundlage eines ornamentalen Liniensystems; für den Anblick des realen Körpers interessierte sich erst (wieder) die Renaissance. Seitdem sollte die künstlerische Darstellung menschlicher Nacktheit im Laufe der Jahrhunderte von allen Rechtfertigungen entbunden werden.
Das Seminar hat das Ziel, den „Körper als Bild“ anhand der Kunstgeschichte von Adam und Eva im Zuge einer intensiven Analyse ausgewählter Werke zu ergründen. Welche Gestalt nimmt die Figur im Gefüge von Fläche und Raum, Licht und Schatten an? Wie kann man Haltung, Gestik und Mimik auslegen? Bietet sich die Bildwelt schwarz-weiß dar oder bringt Farbe im Zusammenspiel mit dem Licht lebensvoll bewegtes „Fleisch und Blut“, warm durchpulste Haut zur Erscheinung? Welche Bedeutung haben außerkünstlerische Aspekte, der Leib-Seele-Dualismus oder die christliche „Gefäß“- Metaphorik, die den Leib als „Tempel des Heiligen Geistes“ ehrt und die „sterbliche Hülle“ verachtet?

Samstag, 6. Juli 2019

14.00 Uhr    Begrüßung
Das erste Menschenpaar in frühchristlicher Zeit
Nach einem Blick in die Bibel (Gen 1-5,5) vermitteln exemplarische Werke aus frühester Zeit (Katakombenmalerei, Sarkophagplastik, Bibelillustration) einen ersten Eindruck: Die Erschaffung, Adam und Eva mit den Tieren, der Sündenfall finden sich dargestellt – aber auf welche Weise wird Körperlichkeit anschaulich? In welcher Beziehung stehen Adam und Eva zu Jesus Christus als Erlöser?

15.30 Uhr     Kaffee- und Teepause

15.45 Uhr    
Vom Sündenfall zum Brudermord. Schuldfragen
Mit den Typologien Adam-Christus und Eva-Maria im Sinn wird der Figurenschmuck der Bernwardstür (um 1015) des Hildesheimer Doms erschlossen, hier stehen Szenen von der Erschaffung bis zu Kains Bluttat den Szenen aus dem Leben Jesu gegenüber. Ein Beispiel spätmittelalterlicher Malerei begegnet im Genter Altar (vollendet 1432): Adam und Eva stehen weit voneinander entfernt, beide mit Feigenblatt – der Sündenfall ist geschehen, Kain und Abel führen die Folgen vor Augen.

18.00 Uhr    Abendessen

19.00 Uhr    
Der (männliche) Mensch, Maß aller Dinge
Seit der Renaissance entwickelten sich Adam und Eva zu Prototypen der Geschlechter. Zuweilen blieb das Bild des Mannes prägend, wie Michelangelos maskuline Eva-Gestalten in der Sixtinischen Kapelle (1508-12) bezeugen. Anders Dürer: Angeregt durch Jacopo de Barbari, legte er seinen „Adam und Eva“-Variationen Studien nach Personen beiderlei Geschlechts, mathematisch genau vermessen, zugrunde.

21.15 Uhr     Ende des Veranstaltungstages

Sonntag, 7. Juli 2019
    
Frühstück für Übernachtungsgäste ab 7.00 Uhr

 8.00 Uhr     
Gelegenheit zur Mitfeier der Eucharistie in der Edith-Stein-Kapelle

 9.30 Uhr     
Eindeutig zweideutig. Die Verführerin und ihr (willfähriges) Opfer
Im „Adam und Eva“-Historienbild des 16. Jahrhunderts dominierte der Sündenfall. Stets zieht die sinnlich inszenierte Blöße der Frauengestalt die Blicke auf sich, wie Tizians Ölgemälde „Der Sündenfall“ (um 1550) belegt. Rubens übernahm in seiner Kopie nach Tizian (1628/29) dessen Sichtweise: Eva trägt die Alleinschuld, Adam kann ihr nur nicht widerstehen. Bald wurde Evas erotisierter Akt isoliert, bis Ende des 18. Jahrhunderts ging er im stereotypen Schönheitsideal auf.

11.00 Uhr     Kaffee- und Teepause

11.30 Uhr    Adam und Eva als modernes Paar
Im 19. Jahrhundert geriet die nun sexualisierte Eva zur Verderberin des Mannes, Franz von Stuck präsentiert sie mit Schlange als Allegorie der „Sünde“ (1893). Wie Max Beckmanns Radierung „Adam und Eva“ (1917) zeigt, standen die beiden am Anfang des 20. Jahrhunderts für die Krise des Paars und der Liebe schlechthin. Suzanne Valadon hingegen nutzte in „Adam et Eve“ (1909) die alte Ikonographie zum kühnen Bruch mit allen Konventionen …
 
13.00 Uhr     Mittagessen

14.00 Uhr     Ende der Veranstaltung

Änderungen im Programmverlauf und in der Organisation bleiben vorbehalten.

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