Religiöse Reformbewegungen des Mittelalters und ihr Erbe-Akademietagung in Bensberg
© Sailko, Wikimedia commons

Freigeister, Büßer, Ketzer

Religiöse Reformbewegungen des Mittelalters und ihr Erbe

Im Übergang vom Früh- zum Hochmittelalter entwickelte sich in den Städten Europas eine florierende Geld- und Warenwirtschaft. Neben den Gilden der Kaufleute profitierten der höhere Adel und Klerus über Zehnten und Abgaben. Selbst Ordensgemeinschaften sammelten große Reichtümer an. Die einfache Landbevölkerung litt dagegen unter dieser Entwicklung.
In dieser Situation entstanden im Gefolge von Wanderpredigern religiöse Bewegungen, die sich gegen die Verweltlichung des Klerus wandten. Ihre wachsende Anhängerschaft wollte in freiwilliger Armut nach dem Vorbild des Evangeliums leben und sich selbst aktiv religiös betätigen. Zu den bedeutendsten dieser sogenannten Armutsbewegungen des Mittelalters gehören die Katharer, die Waldenser und die Beginen.
Während diese mittelalterlichen Laiengemeinschaften oft in einem Atemzug erwähnt werden, sind ihre Ursprünge und Entwicklungsgeschichte ebenso facettenreich wie ihre Glaubensüberzeugungen. Und keineswegs reagierte die römisch-katholische Kirche auf alle Reformströmungen in gleicher Weise. Die gewaltsame Verfolgung der Katharer und Waldenser ist ein abschreckendes Beispiel religiöser Intoleranz. Dagegen kann das Aufkommen der Bettelorden als eine durchaus kreative Reaktion auf die Herausforderung der Laiengemeinschaften angesehen werden.
Die Tagung begibt sich auf eine Zeitreise ins Mittelalter und erkundet Ursprünge, Entwicklungen und Erbe der wichtigsten religiösen Reformbewegungen.

Samstag, 6. August 2022

14.00 Uhr
Alles in Bewegung?
Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf mittelalterliche Lebensformen innerhalb und außerhalb der geistlichen Orden
Herbert Grundmanns Werk „Religiöse Bewegungen des Mittelalters“ (1935) gilt nach wie vor als Standardwerk. Obwohl lange Zeit sehr befruchtend, engten seine Vorstellungen von religiösen Bewegungen den Blick auch ein. Primär aufgrund eigener Forschungen zur franziskanischen Observanzbewegung fragt der Vortrag danach, welche neuen Erkenntnisse für das Mittelalter die heutige Soziologie bereithält.
Dr. Daniel Stracke, Historiker, Institut für vergleichende Städtegeschichte, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

15.30 Uhr
Kaffee- und Teepause

15.45 Uhr
Wir sind die wahre Kirche
Die Katharer und ihre Kirchenkritik
Sie waren die Erzketzer schlechthin, ja wahrscheinlich sogar die Namensgeber des deutschen Wortes „Ketzer“: die Katharer. Doch warum verfolgte die Amtskirche diese Menschen, die als „gute Christen“ bekannt waren, so erbittert? Und handelte es sich bei den Katharern überhaupt um eine kohärente Gruppe, wie von der älteren Forschung angenommen? Oder gab es die Katharer gar nicht? Um diese Fragen zu beantworten, beleuchet der Vortrag die Anfänge der katharischen Bewegung im Rheinland.
Prof. Dr. Daniela Müller, Kirchenhistorikerin, Radboud-Universität Nijmegen

18.00 Uhr
Abendessen

19.00 Uhr
Das Engagement für die Laienpredigt
Die Waldenser im Mittelalter (1174 -1532)
Die Waldenser waren im Hoch- und Spätmittelalter eine große Herausforderung für die katholische Kirche. Ihnen wurde vorgeworfen, dass „sie sich einbildeten, wie die Jünger Jesu predigen zu dürfen, obwohl sie Laien waren“. Wieso entstand das Bedürfnis nach Laienpredigern? Wie verteidigten die Waldenser ihr Engagement für die Laienpredigt? Und warum gaben sie diese im 16. Jahrhundert auf? Der Vortrag geht diesen Fragen nach und zeigt, wie die Waldenserbewegung entstand und wie sie sich im Verlauf des Mittelalters entwickelte.
Dr. Albert de Lange, Kirchenhistoriker, Karlsruhe

21.15 Uhr
Ende des Veranstaltungstages

Sonntag, 7. August 2022

ab 7.00 Uhr
Frühstück für Übernachtungsgäste

8.00 Uhr
Gelegenheit zum Besuch eines katholischen Gottesdienstes in der Edith-Stein-Kapelle

 9.30 Uhr
Die gefährlichste Häresie?
Die waldensische Bewegung im Spätmittelalter
Kleruskritik, Ablehnung traditioneller Frömmigkeit und Beharren auf dem Wortsinn der Bibel galten als charakteristisch für die waldensische Bewegung im Spätmittelalter. Geistliche warnten deshalb vor einer angeblich existentiellen Bedrohung der Kirche. Dennoch lebten Waldenserinnen und Waldenser zeitweilig vergleichsweise unbehelligt, sie konnten aber auch heftigen Verfolgungen zum Opfer fallen. Vor allem am Beispiel des österreichischen Raums wird gezeigt, wie sich die waldensische Gemeinschaft und der kirchliche Blick auf sie im Spätmittelalter veränderten.
Christoph Burdich, Historiker, Historisches Institut, Universität zu Köln

11.00 Uhr
Kaffee- und Teepause

11.30 Uhr
Geschätzte Religiose oder beargwöhnte Pseudo-Nonnen?
Beginen in der mittelalterlichen Stadt
In zahlreichen Städten des Mittelalters lebten seit dem 13. Jahrhundert ehelose Frauen außerhalb der Klostermauern. Sie wurden oft Beginen genannt, aber ihre Lebensweisen waren sehr verschieden. Einige Beginen lebten in eigenen Häusern, andere in Konventen, einige praktizierten freiwillige Armut, andere hatten reiche Häuser mit Bediensteten. Was verband sie, und was bemängelten ihre Kritiker? Der Beitrag begibt sich auf die Spuren einiger Beginen und demonstriert die Bandbreite der beginalen Lebensentwürfe.
Dr. Letha Böhringer, Historikerin, Forschungsstelle Geschichte Kölns, Universität zu Köln

13.00 Uhr
Mittagessen

14.00 Uhr
Ende der Akademietagung

Änderungen im Programmverlauf und in der Organisation bleiben vorbehalten.

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