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Was fehlt, wenn die Christen fehlen?

Wenn Christen „fehlen“ – im Sinne von sündigen –, dann schaden sie dem christlichen Zeugnis vor der Welt. Solche „Antizeugnisse“ dominieren derzeit das medienvermittelte „Fernbild“ von Kirche, vor allem bei jenen, denen ein Nahbild eigener Erfahrung fehlt.

Die andere Bedeutung des „Fehlens“ von Christen wird leicht übersehen: Man entdeckt sie in Repräsentativumfragen zu Lebenseinstellungen, Rechtsbewusstsein, Hilfs-, Leistungs- und Spendenbereitschaft, mitmenschlichem Vertrauen, politischer Mäßigung und Toleranz. Hier unterscheiden sich kirchennahe Christen im Durchschnitt signifikant von kirchenfernen Mitbürgern, und zwar im Sinne sozial erwünschter Eigenschaften. Ein Schimmer vom „Licht der Welt“ wird in Studien sichtbar. Caritas und Diakonie sind als große Sozialverbände bekannt. Noch mehr aber prägen sie als Haltung täglich Millionen Alltagsentscheidungen, ohne dass Akten und Geschichtsbücher davon Notiz nähmen. Sauerteig wirkt im Verborgenen.

Zwar bekunden auch Agnostiker Unbehagen beim Gedanken an eine „Gesellschaft ohne Gott“. Doch dass das soziale Klima wirklich kälter und rauer zu werden droht, wenn es immer weniger Christen gibt, gilt eher als fundamentalistische Schwarzmalerei. Eine demütige und beschämte Kirche kann sich so auch schlecht äußern. Christlichen Wissenschaftlern aber steht es heute frei, die alte abendländische Idee zu belegen, dass Glaube, Liebe und Hoffnung das Gutsein beflügeln und politisch wirken. Nicht zufällig stehen den schönsten Früchten des Christseins – Empathie, Demut, Gelassenheit – inzwischen Empathielosigkeit, Hybris und Daueraufgeregtheit des Rechtspopulismus gegenüber. Der legte allerdings innerkirchlich auch offen, wo hinter ostentativer „Rechtgläubigkeit“ bloß ideologische „Rechtsgläubigkeit“ steckt. „An ihren Früchten“ sollen Christen erkannt werden – auch im „Fehlen“. So oder so.

Die Adventszeit beginnt. Wird sie wieder an uns vorbeiziehen oder wird es uns gelingen, sie bewusster wahrzunehmen? In der geprägten Zeit des Advents tut es gut, innezuhalten – und zu schauen auf das, was da Weihnachten passiert: Gott wird Mensch und kommt in die Welt.

Wie viele glauben noch daran oder wissen darüber? Schon bald werden weniger als 50% der Deutschen einer christlichen Kirche angehören. Im Redaktionsteam fragen wir uns, was fehlt, wenn die Christen fehlen? Und das haben wir auch andere gefragt, ihre Antworten lesen Sie an den Adventssonntagen in unserem Blog „Akademie in den Häusern“. Den Anfang macht der Politikwissenschaftler und Publizist Dr. Andreas Püttmann.

28. November 2021 || ein Beitrag von Dr. Andreas Püttmann, Politikwissenschaftler, Journalist und Publizist, Bonn

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