Meister Eckharts Programm

Meister Eckhart, der vielleicht bedeutendste deutsche Prediger, Theologe, Philosoph, Mystiker und Sprachschöpfer des Mittelalters wurde in den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts, also vor exakt 700 Jahren, in Köln in einen Prozess verwickelt. Man hielt ihm vor, er würde durch seine radikalen Lehren die Herzen der einfachen und ungelehrten Menschen vergiften. Eckhart hielt dem entgegen, dass nie jemand verständig und gelehrt würde, wenn man nicht die Ungelehrten lehren würde. Und er hatte zuvor die Kernthemen seiner Lehre in einem Abschnitt einer Predigt zusammengefasst, den man als sein geistiges Predigtprogramm bezeichnet hat. In freier Übertragung lautet er:

„Wenn ich predige, dann spreche ich in aller Regel von vier Dingen:

Erstens von Abgeschiedenheit, und dass der Mensch frei und ledig sein muss – von sich selbst und von allen Dingen.

Zweitens pflege ich davon zu sprechen, dass man wieder hinein gebildet und zurückgeformt werden soll in das einzige und einfältige, wahrhaft eine gut, das Gott ist.

Drittens, dass man die große Edelkeit und den Adel bedenken muss, den Gott der Seele mitgeteilt hat, damit der Mensch mithilfe dieses Adels wieder in wunderbarer Weise zu Gott zurück gelangt.

Viertens spreche ich von der Lauterkeit, Reinheit und Klarheit der göttlichen Natur – aber welche Klarheit und Reinheit die göttliche Natur besitzt, das ist unaussprechlich. Gott ist ein Wort, ein ungesprochenes, unaussprechliches, unsprechbares Wort.“

Von dieser Grundhaltung und von diesem Text aus lassen sich die zentralen Lehren des heute als Mystiker so populären Meister Eckhart erarbeiten:

Eckharts Lehre ist nicht kompliziert. Seine Wahrheit ist für alle da und zielt auf alle.

Aber: Was versteht Eckhart unter Abgeschiedenheit und Gelassenheit, von der heute so viel die Rede ist, und wie ist das Verhältnis von Abgeschiedenheit und Freiheit?

Wie ist das Verhältnis zwischen Mensch und Gott zu denken und wie wird die Rückkehr zum einig Einen und die Überwindung der Vielheit und Zerstreutheit der Welt möglich?

Inwiefern ist der Adel der Seele, und damit letztlich die Göttlichkeit des Menschen, Bedingung der Rückkehr zu Gott?

Und schließlich die Frage, wie man von und über Gott überhaupt sprechen kann.

3. bis 4. Juni 2023 (Sa.-So.)
Die wichtigste Stunde ist immer die gegenwärtige.
Meister Eckharts Leben und Werk
Seminar

Ein Seminar in der Thomas-Morus-Akademie erarbeitet vom 3. bis 4. Juni 2023 auch von diesem Text aus mit allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern gemeinsam Leben und Werk Meister Eckharts. Referent ist Prof.em.Dr Freimut Löser, Mittelaltergermanist und Präsident der internationalen Meister-Eckhart-Gesellschaft, auch als Entdecker und Herausgeber zahlreicher bislang unbekannter Eckhart Texte einer der führenden Eckhart-Experten unserer Zeit.