Maria in der Kunst
Rot, blau, weiß und golden, das sind die ikonografisch etablierten Farben der Jungfrau Maria. Die Erklärungsansätze für diese Farbzusammenstellung sind mannigfaltig. Steht Rot nicht für die Liebe, die sie ihrem Sohn und den Menschen entgegenbringt? Ist Blau nicht die Farbe des Himmels, in den sie einst aufgefahren ist? So ist sie auch als Himmelskönigin bekannt, der die Farbe (oder das Material) Gold zusteht. Und Weiß steht sicher für die Unschuld und die unbefleckte Empfängnis. Nicht zu vergessen ist aber auch der Wert dieser Farben. Purpur war jahrhundertelang die teuerste Farbe, ist doch ihr Entstehungsprozess komplex und langwierig (Aristoteles berichtet ausführlich über die Gewinnung der Farbe Purpur aus zahllosen Purpurschnecken für nur ein paar Gramm des kostbaren Farbstoffs in seiner Historia Animalum). Blau wurde lange aus zerstoßenem Lapislazuli hergestellt, ein ebenfalls sehr wertvoller Farbstoff. Zusammen mit Gold eine angemessene Zusammenstellung für die Mutter Gottes, die seit Anbeginn des Christentums zu den wichtigsten Motiven der Kunst gehört.
Die herausragende Marienfrömmigkeit brachte den Wunsch nach bildlicher und skulpturaler Sichtbarkeit der Gottesmutter hervor. Die Folge war – und ist bis heute – nicht nur höchste Qualität, sondern auch eine besondere Vielfalt der Darstellungsformen. Im frühen Mittelalter, in der Zeit der Romanik, findet sich Maria beispielsweise nicht selten als Sedes Sapientiae, als Sitz der Weisheit. In dieser Form wird sie entsprechend dem theozentrischen Weltbild als Thron für den Sohn Gottes dargestellt – mit gerader, steifer und frontaler Sitzposition ein idealer „Sitz“ für Jesus Christus, der hier für die Weisheit steht.
Viele verschiedene Varianten der künstlerischen Präsentation entwickelten sich parallel. So etablierten sich im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche neue Bildtypen, wie die Maria im Paradiesgarten (eine Darstellung Mariens meist in einem Hortus conclusus als Sinnbild für ihre Befreiung von der Erbsünde), wie auch Anna Selbdritt (Anna mit ihrer Tochter Maria und Jesus Christus), oder wie der Englische Gruß (hier handelt es sich um die Darstellung der Verkündigung).
Viele dieser Bildtypen stammen aus dem Mittelalter und haben sich bis heute erhalten. So auch die sogenannte Maestà. Ähnlich dem Typ des Sedes Sapientiae ist Maria auch hier thronend und mit dem Jesusknaben auf dem Schoß dargestellt. Zur Maestà-Darstellung gehört aber auch ein großes Gefolge. So werden Maria und das Kind meist von einer großen Schar von Engeln und Heiligen umgeben.
Die Darstellung der Person Maria variiert in Aussehen und Haltung deutlich. Denn nicht nur ändert sich das Schönheitsideal, dem Maria über die Jahrhunderte sichtbar folgt, es werden auch immer wieder die Schwerpunkte neu gesetzt, die Blickwinkel angepasst und die Ideale neu bestimmt. Besonders präsent ist dies sicher im Übergang vom Mittelalter zur Renaissance. Letztere lebt das von der Antike inspirierte humanistische Weltbild und löst so das theozentrische des Mittelalters ab. Dies muss sich auch in der Darstellung der heiligen Personen wiederspiegeln. Maria ist nicht mehr ausschließlich der Thron für ihren Sohn, sie ist eine liebende Mutter mit einem verspielten kleinen Knaben auf ihrem Schoß.
Der großen Verehrung Mariens angemessen, waren es bald nicht mehr nur Darstellungen, die die Muttergottes zusammen mit Jesus Christus zeigten, wie die Maria lactans (die stillende Maria) oder die Pietà (Beweinung Christi). Die Himmelfahrt oder die Krönung Mariens wurden schon bald ins Bildprogramm aufgenommen und schließlich ergänzt durch ganze Marienzyklen, die auch Geschichten aus ihrer Kindheit aufnahmen, wie den Tempelgang Mariens oder die Verlobung mit Josef.
Nicht weit entfernt ist ein besonderes Schmuckstück der Marienverehrung zu bewundern. Ein seltener, aber besonders lieblicher Darstellungstyp ist die Madonna im Rosenhag. Das Exemplar aus der Hand von Stefan Lochner aus dem Jahr 1450 findet sich heute im Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud in Köln. Die in einem blühenden Garten sitzende Maria ist in einen strahlend blauen, äußerst voluminösen Mantel gehüllt und hält den auf ihrem Schoß sitzenden Jesusknaben sacht fest. Das kleine Bild quillt über von Symbolen, von denen die Rose dem Bildtypus seine Form und seinen Namen gegeben hat. Der Künstler folgt der Legende, in der die Rose vor dem Sündenfall keine Dornen hatte. Maria, die frei von der Erbsünde blieb, wurde aus diesem Grund auch „Rose ohne Dornen“ genannt.
26. Mai 2024 || ein Beitrag von Akademiereferentin Judith Graefe