Auf ein Wort mit… Michael Schneider
Lieber Herr Schneider, seit diesem Jahr begleiten Sie die „Kunstbegegnungen“, die Kunstausstellungen in der Thomas-Morus-Akademie. Ihr Debut war am 21. Februar 2024 mit der Eröffnung der Ausstellung „Für einen Moment. Malerei von Friedhelm Falke“. Wie hat Ihnen diese Kunstbegegnung gefallen?
Sehr gut! Es war neu für mich, mit einem Bildvortrag in eine Ausstellung einzuführen. Normalerweise spricht man zu Eröffnungen „nur“ vor den Exponaten. Hier ist eine Rede in einem großen Vortragssaal möglich – noch bevor die Ausstellung besichtigt werden kann und das eröffnet die Möglichkeit, mit einem kleinen kunsthistorischen Vortrag mit Abbildungsmaterial eine Herleitung zu geben. Das ist für die Zuhörer*innen vielleicht ganz interessant und hat mir Spaß bereitet.
Die Reihe „Kunstbegegnungen“ hat eine lange Tradition und wurde Anfang der 1990er Jahre zusammen mit Professor Zehnder und Akademiereferent Andreas Würbel entwickelt. Professor Zehnder war fast ausnahmslos in die Wahl der KünstlerInnen eingebunden und hat fast alle Eröffnungen mitgestaltet. Sind das große Fußstapfen für Sie?
Ich verbinde gute Gedanken mit Herrn Professor Zehnder, z.B. seine tolle Stefan Lochner Ausstellung des WRM in Köln. Ich habe ihn im kunsthistorischen Institut der Universität Bonn erlebt und auch als Direktor des LVR Museums in Bonn und der Kunstakademie Heimbach. In einem Workshop zum Erweiterungsbau des Leopold-Hoesch-Museums Düren und bei der Organisation von StadtKunstBonn haben wir zusammengearbeitet. Ich schätze seine zugewandte Art der Kunstvermittlung sehr und teile diesen Ansatz – insofern freue ich mich über seine großen Fußstapfen.
„Kunstbegegnungen“ heißen die Ausstellungen im Kardinal Schulte Haus also. Ein passender Titel, wie ich finde. Welche Art der Begegnungen sind für Sie besonders eindrücklich? Die mit den Künstlern? Die mit der Kunst? Die mit den Gästen?
Die Begegnung mit Kunst und Künstlern konnte ich mir seit Mitte der neunziger Jahre zu meinem großen Glück zum Beruf machen. Seitdem gewinnen diese Begegnungen erstaunlicher Weise immer noch an Eindrücklichkeit. Das gilt auch für die Ausstellungen im Kardinal Schulte Haus. Besonders gespannt bin ich auf die Reaktion und den Austausch mit den Gästen. Ich lerne in meinen Gesprächen mit dem Publikum häufig Aspekte von Kunstwerken kennen, die Ausdruck einer ganz individuellen Auseinandersetzung sind. – Dieser Aspekt von Kommunikation gehört für mich ganz wesentlich zur Kunst.
Mit Ihrem Hintergrund als Kunsthistoriker und Galerist sind Sie einerseits kunsthistorisch versiert, andererseits in der zeitgenössischen Kunst unterwegs. Bei einer solchen Bandbreite drängt sich die Frage auf: Gibt es einen Schwerpunkt für Sie? Ein besonderes Steckenpferd?
Ein Steckenpferd gestehe ich gerne ein: Die Farbe als Thema der (erweiterten) Malerei. Vielleicht sollte ich dazu hier aber nicht weiter ausführen. Das Thema wird wohl bei den Kunstbegegnungen, die ich zukünftig mit zu verantworten habe, bisweilen tangiert und diskutiert werden.
Wo sehen Sie die Besonderheiten im Umgang mit zeitgenössischer Kunst? Ist es das persönliche Gespräch? Ist es die Wahrnehmung einer Kunst in einer „eigenen“ Zeit, die man auch selbst verspürt?
Das persönliche Gespräch trifft es sehr gut – aber nicht das Gespräch mit der/dem Künstler*in, sondern das persönliche Gespräch mit dem Artefakt, dem Werk. In gewisser Weise sind das Selbstgespräche, die für mich persönlich jedoch zu Erkenntnissen führen und die für mein Leben bedeutsam sind – eine Art Tagebuch der Kunstbetrachtung. Das funktioniert bei mir auch mit alter Kunst, mit der Kunst der „eigenen“ Zeit ist der Effekt aber unmittelbarer.
Haben Sie einen Tipp für uns, wie man sich idealerweise an zeitgenössische Kunst heranwagt? Leicht und selbsterklärend ist es sicher nicht immer.
Irgendwo habe ich einmal den schönen Satz aufgeschnappt: Kunst stellt mehr Fragen als sie beantwortet. Leicht und selbsterklärend muss die Kunst also nicht sein. Ich kann ganz trefflich darüber nachdenken, warum ich etwas als schön empfinde. Was spricht mich in einem Kunstwerk diesbezüglich konkret an? Was macht die von mir empfundene Schönheit aus? Andererseits schätze ich auch, wenn mich etwas verstört, das kann hässlich, destruktiv, oder dissonant sein. Das bietet mir dann vielleicht einen Aufhänger zur Befragung. Unbefangenheit ist in meinen Augen eine gute Voraussetzung für das Heranwagen und wenn sich diese nicht einstellen will, die Frage danach an uns selbst: Warum kann ich angesichts dieses Werkes nicht unbefangen sein? So kann alles anfangen …
Lieber Herr Schneider, vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit! Wir freuen uns sehr, Sie nun häufiger in der Thomas-Morus-Akademie zu sehen.
Einmal im Monat erscheint „Auf ein Wort mit…“ und stellt interessante und engagierte Personen vor, mit denen die Akademie auf unterschiedliche Weise verbunden ist. Gesprochen wird über Gott und die Welt, über Kunst und Kultur, über Aktuelles aus Gesellschaft und Kirche ….
Neugierig geworden? Dann abonnieren Sie hier unseren Newsletter! Wir freuen uns, mit Ihnen im Kontakt zu sein.
7. April 2024 || ein Gespräch mit Michael Schneider, Kunsthistoriker
1969 geboren in Düren, Studium der Kunstgeschichte in Bonn, arbeitet seit 1993 im Galeriewesen und in der Organisation des Kunstbetriebes als Kunstvermittler und Kunsthistoriker mit einem Schwerpunkt in der Zeitgenössischen und Modernen Kunst