Apotheker, Unternehmer, Kunstmäzen. Oscar Troplowitz: Ein Markenpionier mit Begabung und Engagement
Oscar Troplowitz, 1863 in oberschlesischen Gleiwitz geboren, verbindet viele Fähigkeiten in seiner Person. Er ist es, der den Impuls für den Erfolg des heute weltbekannten Unternehmens Beiersdorf legt. Nach einer Apothekenlehre bei seinem Onkel Gustav Mankiewicz in Breslau schließt er ein Studium der Pharmazie ab. Das reicht dem jungen dynamischen Mann nicht und so promoviert er im Anschluss in Heidelberg zum Dr. phil. und besteht die Prüfung zum Magister der freien Künste. Danach kehrt er für kurze Zeit noch einmal in die Apotheke seines Onkels nach Posen zurück, verlobt sich mit dessen Tochter Gertrud Mankiewicz, die ihn als seine spätere Ehefrau in vielen Bereichen unterstützen wird, und zieht 1890 nach Hamburg.
Mit finanzieller Unterstützung seines Onkels übernimmt er das Laboratorium von Paul Carl Beiersdorf. Beiersdorf hatte bereits acht Jahre zuvor in Zusammenarbeit mit dem Dermatologen Paul Gerson Unna ein Verfahren zur Herstellung medizinischer Pflaster entwickelt und dafür ein erstes Patent angemeldet. Die Produkte sind anerkannt und lassen sich gut verkaufen.
Oscar Troplowitz will nach der Übernahme noch stärker auf die Vermarktung setzen und geht für seine Zeit ungewohnte Schritte: Er schaltet Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften und nutzt Reklameflächen auf Bussen. Außerdem konzentriert er sich auf die Erweiterung der Produktpalette u.a. mit Seife, Creme und Zahnpasta. Einer seiner wichtigsten Mitarbeiter wird neben Paul Gerson Unna der Chemiker Isaac Lifschütz, der bei Beiersdorf ein eigenes Labor erhält. Lifschütz hatte bereits 1900 den Wirkstoff Eucerit (einen Wasser-in-Öl-Emulgator) entwickelt und zum Patent angemeldet. Mehr als 10 Jahre später (1911) wird Eucerit zu einem zentralen Inhaltsstoff von „NIVEA“, der ersten industriell gefertigten Creme, die bis heute in ihrer Zusammensetzung kaum verändert wurde. Auch die umfangreiche Produktlinie „Eurecin“ beruht auf dem von Lifschütz entwickelten Wirkstoff und ist seit vielen Jahrzehnten erfolgreich.
Oscar Troplowitz begründet mit seinem ausgeprägten unternehmerischen Engagement in vielfacher Hinsicht den anhaltenden internationalen Erfolg von Beiersdorf. Er sieht bereits früh die Bedeutung von Markenartikeln und setzt auf die Wirkung der Werbung. Die Entwicklung des Klebefilms, der später unter der Bezeichnung „Tesafilm“ verkauft wird, geht auf ihn zurück. Auch der Klebeverband „Leukoplast“ und der Lippenpflegestift „Labello“ zählen dazu. Das Wohlergehen der Angestellten ist ihm ebenso wichtig. Als einer der ersten Unternehmer in Hamburg reduziert er bei vollem Lohnausgleich die Wochenarbeitszeit von 60 auf 48 Stunden. Zu den verhältnismäßig hohen Löhnen erhalten die Angestellten Weihnachts- und Urlaubsgeld. Oscar Troplowitz richtet Stillstuben für seine Arbeiterinnen ein. Auch die „TROMA“ (Alters- und Hinterbliebenenstiftung von Beiersdorf) wird 1915 von ihm und seinem Schwager und Mitgesellschafter Otto Hanns Mankiewicz gegründet und besteht bis heute.
Oscar Troplowitz engagiert sich in der Hamburger Bürgerschaft. Er unterstützt den Bau des Stadtparks und setzt sich für die Berufung von Fritz Schumacher als Oberbaudirektor ein. Schumacher verwirklicht ab 1909 seine Vorstellungen von einer modernen Stadt (mehr Grünanlagen, Geschossgebäude mit höchstens fünf Etagen, Wohngebiete mit Kinderspielplätzen und Rasenflächen, luft- und lichtdurchflutete Wohnungen und die Fortsetzung der traditionsreiche Backsteinbauweise), und wird damit das Stadtbild von Hamburg nachhaltig prägen. In den Jahren 1920 – 1923 begleitet er unter Konrad Adenauer die Stadtentwicklung Kölns.
In seinem letzten Lebensjahrzehnt wendet sich Oscar Troplowitz verstärkt der Kunst zu. So erwirbt er von der amerikanischen Schriftstellerin Gertrude Stein als erster deutscher Privatsammler 1909 ein Bild von Picasso und zwar „Die Absinthtrinkerin“. Seine Villa in der Agnesstraße in Nähe der Außenalster wird zum Treffpunkt junger Künstler. Er begeistert sich für die französischen Impressionisten und sammelt Gemälde von Auguste Renoir, Alfred Sisley und Jean-Baptiste Camille Corot, der als ein Hauptvertreter der Schule von Barbizon gilt. Diese Werke waren neben Gemälden von Max Liebermann und Max Slevogt 2013 zum 150. Geburtstag von Troplowitz in einer Ausstellung unter dem Titel „Oscar Troplowitz – Ein Leben für Hamburg“ in der Kunsthalle zu sehen. Sie befinden sich zum Teil im Bestand des Museums.
Im Alter von 56 Jahren stirbt Oscar Troplowitz 1918 in Hamburg und wird auf dem Ohlsdorfer Friedhof beerdigt. Fritz Schuhmacher, der Hamburger Baudirektor, würdigt in seiner Trauerrede den engagierten Unternehmer mit den Worten „Hinter dem Manne der Arbeit und des Geschäftes sah man den Menschen. Und man drang durch bis zum Menschen.“
In ähnlicher Weise urteilt der Unternehmens-Historiker der Beiersdorf AG Thorsten Finke: „Der bis heute anhaltende Erfolg zeigt, dass Troplowitz nicht nur eine außergewöhnliche Persönlichkeit war, sondern den seltenen Charakter eines innovativen Forschers und strategisch klug denkenden Unternehmers in sich vereinte, … er hat eine besondere Unternehmenskultur geprägt, die noch bis heute nachwirkt.“
Der Historiker Henning Albrecht zeigt in seinem 2020 erschienenen Buch über das Unternehmerpaar Troplowitz erstmalig auf, welchen großen Anteil auch Gertrud Troplowitz am Erfolg ihres Mannes hatte.
Ihre jüngere Schwester Valerie Alport wird ab 1921 nach dem Tod von Gertrud mit ihrer Familie in der Villa Troplowitz leben und sich als Kunstsammlerin und Mäzenin u.a. für Anita Rée engagieren. Die Geschichte über die Malerin Anita Rée wurde in diesem Blog bereits erzählt.
Literatur
Henning Albrecht: Troplowitz. Porträt eines Unternehmerpaares. Hamburg 2020
Links
Geschichte des Unternehmens Beiersdorf
Drei Todesfälle und eine Unternehmenshochzeit
Bildnachweise:
Franz Nölken – http://www.abendblatt.de/kultur-live/article1593147/Kunstsammler-mit-sozialem-Gewissen.html, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11152890
Von Alinea, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11499638
12. Juni 2021 || ein Beitrag von Edith Dietzler-Isenberg, Konrektorin i. R. an einer Grundschule
Für die Akademie ist Edith Dietzler-Isenberg als engagierte Reiseleiterin unterwegs.
Reisen Sie mit ihr vom 22. bis 27. August 2021 (So.-Fr.) nach Dessau oder vom 19. bis 25. September 2021 (So.-Sa.) zu den Künstlerkolonien Hiddensee, Ahrenshoop und Schwaan.
Folgen Sie mit ihr den Spuren August Mackes am 20. August 2021 (Fr.) in Bonn.