Licht teilen – Was kann ich selbst tun, um anderen ein Licht zu sein?
„In dir selbst muss brennen, was du in anderen entzünden willst.“, so lautet ein gern zitierter Aphorismus, der dem spätantiken christlichen Philosophen und Kirchenvater Augustinus zugeschrieben wird. In dieser aphoristischen Version hat der Ausspruch eine positive Implikation: man denkt an Leidenschaft, Begeisterung, ein positives Brennen. Das ursprüngliche Zitat von Augustinus, aus dem der Aphorismus wohl hervorging, will mit dem Bild des Feuers jedoch etwas anderes unterstreichen. Es stammt aus einem Kommentar des Kirchenvaters zu Psalm 34. Statt der brennenden Leidenschaft hat Augustinus in seinem Kommentar wohl die verbrennende, zerstörerische Kraft des Feuers vor Augen, wenn er sagt: „Stellt euch die Schlechtigkeit vor wie ein Feuer. Du willst etwas anzünden: Was du dorthin bewegst, brennt schon vorher; wenn es nicht brennt, entzündet es nicht.“ („Meide das Böse und tu das Gute / Suche Frieden und jage ihm nach“)
Diese gegensätzliche Verwendung desselben Bildes zeigt, dass Feuer für sich genommen ein neutrales Element ist. Es kann brennen und damit wärmen, aber auch verbrennen und damit zerstören. Die Kräfte des Feuers haben sich zur Genüge in der menschlichen Kultur und ihren Erzählungen niedergeschlagen. Vom Mythos des Prometheus bis zum Stern von Bethlehem: Feuer ist eine Grundlage menschlichen Lebens. Die „Umwidmung“ der augustinischen Warnung vor der ansteckenden Schlechtigkeit in die ansteckende Wärme oder Leidenschaft scheint daher durchaus legitim. Es liegt im Ermessen eines Jeden, womit er oder sie seine Mitmenschen anstecken will.
Nichts anderes ist das Weihnachtsfest, dem wir uns nun mit schnellen Schritten nähern: Die Entscheidung Gottes, uns Menschen eine menschliche Hand entgegenzustrecken und mit seiner göttlichen Liebe anzustecken. Und genauso ist es menschliche Entscheidung, sich anstecken zu lassen. Und das nicht bloß individuell: Genauso wie sich das Feuer ausbreitet, wenn man es nicht bewusst von weiterem brennbaren Material abschirmt, kann und soll jeder, der die göttliche Hand ergreift, dieses Licht in der Dunkelheit weitertragen. Mehr noch als an Weihnachten ist der Effekt des sich ausbreitenden Lichtes zu Beginn der Feier der Osternacht in berührender Weise zu erleben. Die Botschaft ist jedoch die gleiche: Gottes Gegenwart ist lebensspendend, sie ist das Gegenteil zur Dunkelheit, zum Nichts. Und wie in der Osternacht kann jeder diese Gegenwart, dieses Licht dort weitergeben, wo er oder sie gerade steht: Das weiß das Kind in der Kommunionvorbereitung, das feststellt, dass die Schönheit des Lichtes darin liegt, dass man es teilt. Darum bemühen sich die Gemeindemitglieder, die mit einem Bus durch ihre Pfarrei fahren und ansprechbar sind. Dazu will Jochen Klepper in seinen Dichtungen inspirieren.
Lassen wir sie also in uns entzünden und brennen, die göttliche Liebe. Tragen wir das Licht des Sterns von Bethlehem weiter und stecken wir unsere Mitmenschen an.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Thomas-Morus-Akademie wünschen allen Lesern, Gästen und Freunden einen gesegneten vierten Advent und ein frohes und friedliches Weihnachtsfest.
Tim Trute, Referent Theologie, Philosophie, Pädagogik



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