Veränderung.Gemeinsam.Jetzt. #MeineKircheIstMirNichtEgal
Die Situation der Kirche im Erzbistum Köln wird von vielen Beobachtern als „desaströs“ bezeichnet. Der Umgang mit der Aufklärung des sexuellen Missbrauchs, die Umstrukturierung der Gemeinden zu Großpfarreien im Pastoralen Zukunftsweg, die Frage der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften … führen zu einem enormen Anstieg an Kirchenaustritten im Erzbistum Köln. In Köln gibt es aktuell eine richtige Austrittswelle, die das Amtsgericht kaum bewältigen kann. Viele sind frustriert und kehren ihrer Kirche den Rücken, auch bisher engagierte Christinnen und Christen.
Sehr geehrter Herr Paetzold, Sie sind Vorsitzender des Pfarrgemeinderates in St. Theodor und St. Elisabeth in Köln-Höhenberg und Köln-Vingst und haben nun eine Aktion ins Leben gerufen, die zum Protest aufruft, aber auch die Hand zur Zusammenarbeit ausstreckt. „Veränderung.gemeinsam.jetzt“ lautet der Titel. Mit „So geht das nicht mehr weiter!“ eröffnen Sie das Schreiben. Das ist schon ein starker Satz gegenüber der Bistumsleitung.
Können Sie die Initiative kurz beschreiben?
Eigentlich ist es ganz einfach: Wir haben ein Postkarte entworfen mit dem Slogan „Veränderung.Gemeinsam.Jetzt. – #MeineKircheIstMirNichtEgal“.
Auf der Rückseite der Postkarte wird unser Erzbischof direkt angesprochen: Wer die Karte an ihn abschickt, erklärt in einem kurzen Text, dass sie/er an der Zukunft der Kirche im Bistum Köln mitbauen will. Aber eben geschwisterlich, auf Augenhöhe. Und sie/er lädt den Erzbischof dazu ein, dabei mitzumachen. Zum Start der Aktion haben wir ein großes Banner an der Fassade unserer Pfarrkirche St. Theodor angebracht und in den Tagen danach den oben erwähnten Brief jeweils mit einigen Karten als Muster an die Pfarrgemeinderäte aller Seelsorgebereiche im Erzbistum Köln verschickt. Mittlerweile haben wir auch kleinere Banner, die wir auch Wunsch verschicken, ebenso wie weitere Postkarten zum Verteilen.
Was hat Sie bewegt, so eine Aktion ins Leben zu rufen?
Genau die Erkenntnis: So geht es nicht mehr weiter! Die Seelsorgebereichsforen, auf denen der sogenannte Pastorale Zukunftsweg vorgestellt wurden, und die nicht mehr als Placebo-Partizipation und Zeitverschwendung für uns Ehrenamtler waren, die bittere Erkenntnis, dass unser Mitdenken überhaupt nicht gefragt ist, sondern dass über unsere Zukunft nicht mit uns, sondern nur über uns nachgedacht und entschieden wird. Nicht vergessen haben wir das Abschalten der Website der KHG Köln, ein Akt der Zensur, den wir nur aus anderen Zeiten und Regimen kennen. Dann der unglaubliche Umgang der Bistumsleitung mit dem Missbrauchsskandal: Noch nie mussten wir uns so für unsere Kirche schämen. Es gäbe noch so viel zu benennen.
Irgendwann war es dann einfach genug: Die Kirche im Erzbistum Köln steckt in einer ihrer tiefsten Krisen und die Bistumsleitung verweigert die Kommunikation. Wir haben uns gesagt: So geht das nicht weiter! Wir wollten aber nicht gehen, so wie das Viele zurzeit tun, denn #MeineKircheIstMirNichtEgal. Deshalb haben wir den Versuch unserer Postkartenaktion gestartet
Sie haben in einem Schreiben die Mitglieder der anderen Pfarrgemeinderäte im Erzbistum Köln angeschrieben und über die Aktion informiert. Auf welche Weise erhoffen Sie sich von dort Unterstützung?
Wie gesagt, es ist ein Versuch. Uns ist klar, dass wir als einzelner Pfarrgemeinderat, als einzelne Pfarrgemeinde nicht zu unserem Erzbischof durchdringen. Unsere gewählten Vertretungen, das ist für unser der Kölner Katholikenausschuss und der Diözesanrat, beteiligt der Erzbischof ebenfalls wenn überhaupt nur unzureichend an den Planungen für die Zukunft des Erzbistums und verweigert die Diskussion, sobald Kritik zu hören ist.
Deshalb versuchen wir es anders: Wir hoffen, dass sich viele Pfarrgemeinderäte unserer Aktion anschließen und in ihren Gemeinden für die Aktion werben und die Postkarten verteilen. Wir hoffen, dass möglichst viele Katholik*innen ihren guten Namen auf die Postkarte schreiben und sie an den Erzbischof schicken. Wir hoffen auch große Stapel der Postkarten im Erzbischöflichen Haus.
Was wollen Sie mit dieser Aktion erreichen? Haben Sie Hoffnung, dass sich durch Ihre Initiative im Erzbistum Köln etwas verändern wird?
Mit unserer Aktion wollen wir erreichen, dass es in unserem Erzbistum endlich anders weitergeht, denn wie gesagt: So geht es nicht mehr weiter. Unsere Hoffnung haben wir in dem Slogan zusammengefasst: Wir wollen Veränderung, aber gemeinsam und wir wollen sie jetzt. Wir hoffen darauf, dass unsere kleine Postkarte ein bisschen dazu beitragen, dass wir als Geschwister, egal ob Kleriker oder Laien, gemeinsam und auf Augenhöhe darüber nachdenken, wie wir in Zukunft Kirche im Erzbistum Köln leben wollen und was sich verändern muss, damit wir auch so leben können. Und jetzt muss es losgehen, denn für unser Erzbistum ist es fünf vor 12!
Was wünschen Sie sich ganz konkret von Kardinal Woelki?
Dass er endlich versteht, dass Kirche nur gemeinsam geht, dass ein Hirt ohne Herde ziemlich dumm dasteht, dass die Zeit einsamer Entscheidungen auch in der Kirche endgültig vorbei ist, dass er den Menschen, die ein anderes Bild von Kirche haben als er, nicht gleich den guten Willen und den rechten Glauben abspricht, dass er weniger redet und mehr zuhört und dass er dabei ist, wenn die Katholik*innen an einer Kirche mit Zukunft im Erzbistum Köln bauen. Wenn er das nicht kann oder will, dann wünsche ich mir, dass er darüber nachdenkt, ob er noch am richtigen Platz ist.
Sehr geehrter Herr Paetzold, ganz herzlichen Dank für das offene Gespräch und die Informationen zu Ihrer Initiative.
Das Gespräch führte Akademiereferent Andreas Würbel.
Nähere Information über „Veränderung. Gemeinsam. Jetzt“ finden Sie im Brief zur Initiative, den Sie hier herunterladen können.
Die Karte zur Aktion finden Sie hier als PDF oder hier als Bild.
alle Bilder und Dateien: Pfarrgemeinderat in St. Theodor und St. Elisabeth in Köln-Höhenberg und Köln-Vingst
4. Mai 2021 || ein Gespräch mit Michael Paetzold, Vorsitzender des Pfarrgemeinderates der Kirchengemeinde St. Theodor und St. Elisabeth in Höhenberg und Vingst