Hoffnung in der Welt

Wo finden wir Hoffnung in einer Welt, in der Hoffnungslosigkeit herrscht? Wo finden wir Gott in einer Welt, die so gottfern zu sein scheint, in der nur das Recht des Stärkeren gilt?

Diese Frage stellen nicht nur wir heute. Vor über 2600 Jahren machten auch unsere jüdischen Geschwister im Glauben ähnliche Erfahrungen von Hoffnungslosigkeit und Gottferne. Der babylonische Herrscher eroberte das Königreich Juda, zerstörte die Hauptstadt Jerusalem samt dem dortigen Tempel, dem Ort der Gottesbegegnung und deportierte die judäische Oberschicht hunderte Kilometer ostwärts nach Babylon.

Wie sollte man mit dieser Ohnmachtserfahrung umgehen? Wie sollte man damit umgehen, dass scheinbar sogar Gott ohnmächtig ist gegenüber fremden Herrschern, Krieg und Gewalt?

Eine Strategie war es, diese Erfahrungen aufzuschreiben und sie mit dem eigenen Gottesbild zu verbinden. Viele biblische Texte sind in genau dieser Krisenzeit entstanden – darunter total niedergeschlagene und hoffnungslose Texte, aber auch solche, in denen leise Hoffnungsschimmer aufblitzen.

Im Buch des Propheten Jeremia wird von einem Brief berichtet, den Jeremia aus Jerusalem an die Verbannten nach Babylon geschickt haben soll. In diesem Brief lässt Jeremia Gott versprechen, dass er nach 70 Jahren sein Volk in der Verbannung heimsuchen und es zurückbringen würde:

„Denn ich, ich kenne die Gedanken, die ich für euch denke – Spruch des HERRN –, Gedanken des Heils und nicht des Unheils; denn ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben. Ihr werdet mich anrufen, ihr werdet kommen und zu mir beten und ich werde euch erhören. Ihr werdet mich suchen und ihr werdet mich finden, wenn ihr nach mir fragt von ganzem Herzen. Und ich lasse mich von euch finden ….“

Jeremia verspricht keine unmittelbare Besserung oder eine große Umwälzung. Aber er zeichnet ein Bild eines Gottes, der nicht verloren ist und sein Volk nicht verloren gehen lässt, sondern eines Gottes, der sich finden lässt – und zwar mitten in der Realität der Welt, mitten in einer Situation, die eigentlich nur von Unheil spricht.

Die Welt, in der wir leben, in der so viel Unheil herrscht, so viel Krieg und Gewalt, so viel soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Kälte, in der Gottes Nähe so oft nicht spürbar ist – sie wird sich nicht von heute auf morgen ändern. Das zu glauben und zu erhoffen wäre unrealistisch und naiv.

Aber wenn wir die Erfahrungen dieser Welt mit dem Glauben an einen Gott verbinden, der sich suchen und finden lassen will und Gedanken des Heils für uns hat, dann kann das Kräfte freisetzen. Das kann uns das Herz und die Augen öffnen für die Orte, wo Gott durch uns gegenwärtig werden kann: In einem Lächeln für den Anderen, wo sonst Kälte herrscht; in einem ermutigenden Wort für die Freundin, wo Mutlosigkeit überhandnimmt; in einem tatkräftigen Anpacken zugunsten derer, die nichts haben.

In meiner Gemeinde im Bonner Nordwesten wird das ganz konkret versucht: Mit einem ganz weltlichen Mittel, einem Bus (dem „Für-Dich-Bus“), fahren Ehrenamtliche zu unterschiedlichen besonderen Anlässen und regelmäßigen Terminen durch die Pastorale Einheit und sind da – für Begegnung und Gespräche, für Rat und Unterstützung. Die Welt wird sich zwar nicht von heute auf morgen vollkommen ändern, aber durch dieses Angebot inmitten der Welt lässt sich Gott vielleicht finden und wird unter uns gegenwärtig.

Mehr Informationen zum „Für-Dich-Bus“

Daniel M. Wowra, Theologe, Mitarbeiter am Neutestamentliches Seminar, Universität Bonn