Von Männern, Macht und Selbstmitleid
Zum Minnesang des Mittelalters
Das Mittelalter, seine Mythen, Sagen und Helden, aber auch seine Kriege und Krisen erfreuen sich derzeit großer Beliebtheit; davon legen Publikationen wie auch TV-Produktionen beredtes Zeugnis ab. Ob sie sich alle der mittelalterlichen Realität tatsächlich nähern, darf bezweifelt werden.
Das vorliegende Seminar macht den Versuch, sich über den Weg der mittel-alterlichen Liebeslyrik, dem sogenannten Minnesang, dieser Realität zu vergewissern. Am Beispiel der großen Minnesänger sollen grundsätzliche Fragen besprochen werden: Was definiert und charakterisiert den Minnesang als literarische Gattung? Was macht diese Lyrik – ein sonst eher sperriges Genre für die Rezeptionsgeschichte – so attraktiv für die Nachwelt? Und in welchem Bezug standen höfische Lyrik und Alltag am fürstlichen Hof, dem gesellschaftlichen und kulturellen Zentrum des Mittelalters?
Dr. Silvan Wagner, Privatdozent der Universität Bayreuth, absolvierte vor seinem Germanistik- und Theologiestudium ein Musikstudium an der Musikhochschule Köln. Als profunder Kenner des Sujets zeichnet er über die Analyse erhaltener Handschriften die aktuelle Forschungslage nach und verknüpft diese mit historischen, philosophischen und theologischen Erkenntnissen. Darüber hinaus bringt er den Minnesang auch als Lautenspieler und Sänger in einem abendlichen Gesprächskonzert zu Gehör und verschafft seinem Publikum so einen mehrdimensionalen und unmittelbar verständlichen Zugang zu dieser literarisch-musikalischen Kunstform.
Ein besonderes Seminar, das einen neuen Blick auf die Welt des Mittelalters verspricht.
Ihr/e Referent/in und Tagungsleitung
Samstag, 2. April 2022
14.00 Uhr
Minne – die höfische Spielform der Liebe
Liebe und Macht in der Lyrik des Mittelalters
Die frühe Mediävistik des 19. Jahrhunderts sowie der klassische Hollywoodfilm des 20. Jahrhunderts malen ein sehr romantisches Bild der Sozialform, die im Minnesang ihren künstlerischen Niederschlag gefunden hat. Eine etwas nüchternere Betrachtung zeigt, dass in den Minneliedern etwas anderes im Zentrum steht: Macht. Exemplarisch soll an Hartmann von Aues Minneliedern gezeigt werden, dass Minnesang vor allem eines ist: eine Verhandlung von Macht und Herrschaft.
16.15 Uhr
Kaffee- und Teepause
16.45 Uhr
Der Mönch von Salzburg
Mittelalterliche Musik - Ein unvermeidliches Missverständnis?
Der Dichter und Musiker, von dem uns die meisten Minne-lieder in den Handschriften überliefert sind, ist der sogenannte „Mönch von Salzburg“. Bei diesem überaus fruchtbaren Dichterkomponisten aus dem späten 14. Jahrhundert ist der (Über-)Name Programm: Ziemlich genau die Hälfte seines Œuvres besteht aus weltlichen (Minne-)Liedern; die andere Hälfte machen geistliche Lieder aus. In der Vertonung ist der Unterschied deutlich zu hören – oder sitzen wir da einer Täuschung auf, weil wir unsere modernen Hörgewohnheiten nicht aufgeben können?
18.15 Uhr
Abendessen
19.30 Uhr
Oswald von Wolkenstein
Dichtung und Wahrheit: Ein Gesprächskonzert
Ein narzisstischer Egomane, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, war vermutlich kein einfacher Zeitgenosse – doch unterhält er damals wie heute als fulminanter Sängerdichter mit seinen phantastischen Selbstbildern. Oswald von Wolkenstein, ein Tiroler Adeliger des 15. Jahrhunderts, besingt in seinem Minnesang und seinen politischen Liedern vor allem eines: sich selbst. Im Rahmen eines Gesprächs-konzertes wird ein anschaulicher Einblick in sein ebenso komplexes wie unterhaltsames Werk vermittelt.
21.45 Uhr
Ende des Veranstaltungstages
Sonntag, 3. April 2022
ab 7.00 Uhr
Frühstück für Übernachtungsgäste
8.00 Uhr
Gelegenheit zum Besuch eines katholischen Gottesdienstes in der Edith-Stein-Kapelle
9.45 Uhr
Ars Musica
Mittelalterliche Musik zwischen Mathematik und Physik
Was ist Musik im Mittelalter? Jedenfalls nicht Musik! So lautet etwas zugespitzt die Antwort der heutigen Forschung. Unser moderner Musikbegriff unterscheidet sich fundamental von der mittelalterlichen „musica“, die deutlich mehr mit Mathematik und Physik zu tun hat als mit Bach oder den Beatles. Dennoch identifizieren wir mittelalterliche Klangereignisse ganz selbstverständlich als Musik – und zugleich als eine
reizvolle philosophisch-ästhetische Knobelaufgabe einer
fernen Epoche. Eine Näherung.
11.15 Uhr
Kaffee- und Teepause
11.30 Uhr
Von der Handschrift zur Interpretation
Faksimiles als mittelalterliche „Gebrauchsanweisungen“
Die Literatur und Musik des Mittelalters war für die Aufführung vor Publikum bestimmt. Doch aus dem Mittelalter sind bekanntlich keine akustischen Aufzeichnungen überliefert, sondern lediglich Handschriften, die selbst interpretationsbedürftige Kunstwerke darstellen. Wenn wir wissen wollen, wie Musik geklungen und rezitierte Texte gewirkt haben, führt der Weg durch die handschriftliche Überlieferung – eine faszinierende Entdeckungsreise, die keine Gewissheit, aber jede Menge Entdeckungen liefert.
13.00 Uhr
Mittagessen
14.00 Uhr
Ende des Seminars
Änderungen im Programmverlauf und in der Organisation bleiben vorbehalten.