„Was ist es, was in uns lügt, mordet, stiehlt?“
Das Böse und seine Macht
„Was ist es, was in uns lügt, mordet, stiehlt?“ (Georg Büchner)
Wo kommt das Böse her? Was begründet seine Macht über uns? Kann es überwunden werden?
Das Böse, die Weigerung, anderen im Empfinden, Denken, Sprechen und Handeln mit bejahendem Wohlwollen zu begegnen, entfaltet eine verborgene Mächtigkeit, wo immer Menschen einander begegnen, in Beziehung treten, gar Gemeinschaften bilden. Die Theologie sprach zeitweise gar vom „mysterium iniquitatis“, um die geheimnisvolle Mächtigkeit der alles durchdringenden menschlichen Neigung zum wirklich Bösen zu benennen. Eine Spurensuche in Philosophie, Literaturwissenschaft und Theologie soll für die Wahrnehmung des Bösen sensibilisieren. Die theologische Deutung des Bösen soll Hoffnung auf seine Überwindung wecken.
Studierende und kirchlich engagierte Ehrenamtliche bezahlen gegen Vorlage eines offiziellen Nachweises ihres Studiums bzw. ihrer Tätigkeit durch ihre Kirchengemeinde oder ihren Verband 78,00 € (inkl. Übernachtung).
Samstag, 3. September 2022
14.00 Uhr
Was ist das Böse?
Warum ist der Mensch des Menschen Wolf? Warum mischt sich in Zuneigung, Sympathie, gar Begehren immer wieder der Drang, den anderen zu dominieren und zu negieren? Können wir einander überhaupt leben lassen? Und was bleibt von uns selbst, wo wir andere erfolgreich dominieren? Der Mensch gilt als soziales Wesen. Seiner Sozialität scheint aber von Anfang an das Verhängnis innezuwohnen, dass er seinesgleichen nicht wirklich leiden kann oder, da wo er seinesgleichen begehrt, schnell der Gefahr erliegt, den anderen in die eigene Lebensplanung so konsequent einpassen zu wollen, dass die „Liebe“ zum anderen zum zerstörerischen Verhängnis wird. Spiegeln unsere ökonomischen Systeme diese destruktive Tiefenstruktur menschlichen Begehrens? Ist menschliches Leben als gütiges Gewähren, als liebevolle Förderung überhaupt erstrebenswert oder sind wir Menschen, weil und insofern wir einander bekämpfen und bekriegen?
Innerhalb dieser Einheit
Kaffee- und Teepause
18.00 Uhr
Abendessen
19.00 Uhr
Mimetische Anthropologie
Der französische Literaturwissenschaftler und Philosoph René Girard (1923-2015) bestimmt das unterscheidend Menschliche als die Fixierung des Menschen auf Nachahmung (mimésis): Nachahmend erwerben wir lernend die uns auszeichnenden Fähigkeiten. Nachahmend aber auch nehmen wir die Mitmenschen im Kontext unserer Höherbildung als Konkurrenten wahr. Der Ärger Kains gegen Abel ist Folge eines konkurrierenden Blickes auf den anderen. Beide tun das Gleiche, werden dabei ihrer Ungleichheit inne und bejahen diese Ungleichheit nicht als Bereicherung, sondern nehmen sie zum Anlass einer blutigen Konkurrenz, wie sie bis heute als Prinzip wirtschaftlichen Handelns gilt. Wieviel Erziehung, Gewalt, Strafe und Drohung sind notwendig, um den Menschen, der sich selbst in der Konkurrenz bestimmt, im Zaum zu halten?
21.15 Uhr
Ende des Veranstaltungstages
Sonntag, 4. September 2022
ab 7.00 Uhr
Frühstück für Übernachtungsgäste
8.00 Uhr
Gelegenheit zum Besuch eines katholischen Gottesdienstes in der Edith-Stein-Kapelle
9.30 Uhr
Die Rolle der Bibel
Die Bibel unterscheidet sich fundamental von humanistischen Programmschriften darin, dass in ihr Gewalt und Böses ausführlich zu Wort kommen. Biblische Überwindung der Gewalt geht nie anders denn als Aufdecken, Darstellen und Skandalisieren der Gewalt. Möglich wird dies auf der Grundlage einer kontrafaktischen Ethik. Menschen sollen nicht einfach so sein, wie sie sich natürlicherweise vorfinden. Die Bibel vertritt keine indikativische, sondern eine imperativische Anthropologie. Mit ihr wird eine grundlegende Kluft der Weltwahrnehmung aufgebrochen: Was ist, soll so, wie es ist, nicht sein! Hier ist der Grund für die herausragende Bedeutung, die der Begriff der Sünde in der christlichen Anthropologie spielt und bleibend spielen muss. Und hier liegt auch der Grund, weshalb die irren, die sich ein Christentum ohne Sündenwahrnehmung erhoffen.
11.00 Uhr
Kaffee- und Teepause
11.30 Uhr
Ein Ausweg
Wie überwinden Christen Hass und Gewalt? Inwiefern ist Jesus von Nazareth das Gegenbild zum gewaltförmigen, mimetischen Begehren? Kann die Erlösung durch Jesus Christus verstanden werden als Erlösung von der Gewalt? Ist Nachfolge die geheilte Gestalt der Nachahmung (mimésis)? Ist damit ein Erlösungsbegriff denkbar, der nicht mit der traditionellen Idee von Schuldübertragung operieren muss? Ist der Gott Jesu beschreibbar als Gott sich verschenkender Fülle, der so gerade den Kampf um das Eigene gegen alles andere aufbricht? Wie kann die jesuanische Intuition umgesetzt werden und zum Prinzip menschlichen Mit-Lebens werden?
13.15 Uhr
Mittagessen
14.00 Uhr
Ende des Seminars
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