Gläubige Schüler des Philosophen
Avicenna, Averroes, Thomas von Aquin
Das lateinische Mittelalter als in sich geschlossenes weltanschauliches, religiöses und kulturelles System – das ist ein weit verbreitetes Klischee: eine überaus positiv besetzte „rückwärtsgewandte Utopie“ bei romantischen Aufklärungskritikern mit einer Wirkungsgeschichte bis in aktuelle Debatten, ein Feindbild für Revolutionäre, Kirchen- und Religionskritiker aller Art.
Abgesehen davon, dass es „das“ Mittelalter nie gegeben hat, ist die westeuropäische Kultur und Kulturlandschaft zwischen 500 und 1500 tief verwurzelt in der „heidnischen“ römisch-griechischen Antike. Sie ist deshalb auch maßgeblich geprägt von interkulturellen Beziehungen, die, ausgehend von den Kontaktzonen in Süditalien und insbesondere auf der iberischen Halbinsel, wichtige Einflüsse auf philosophisch-theologische Diskussionen in den intellektuellen Zentren (wie etwa Paris und Oxford) ausübten. Jüdische und v.a. auch muslimische Gelehrte – letztere wurden freilich durchweg nicht als Anhänger einer eigenen Religion, sondern als gegenwärtige Vertreter der heidnischen Antike wahrgenommen – fungierten als wichtige Vermittler der antiken Philosophie. Die Tagung wird diesen Rezeptionsbeziehungen exemplarisch nachgehen.
Im Zentrum stehen dabei die höchst kontroversen Auseinandersetzungen mit dem Aristotelismus des Avicenna (Ibn Sīnā, vor 980-1037), des Averroes (Ibn Rušd, 1126-1198) und bei den großen Autoren des 13. und 14. Jahrhunderts (Albert der Große, Thomas von Aquin, Heinrich von Gent, Johannes Duns Scotus…), aber auch mit den literarischen Zeugnissen des interreligiösen Dialogs vom 11. Jahrhunderts bis an die Schwelle der Frühen Neuzeit.
Die Veranstaltung findet statt am:
28. Juni 2021 (Mo.), 19.00 bis 20.30 Uhr
3. Juli 2021 (Sa.), 14.00 bis 18.00 Uhr
Bitte beachten Sie, dass eine Anmeldung zu dieser Veranstaltung nur bis 11.00 Uhr am Veranstaltungstag möglich ist. Sollten Sie kurzfristig noch Interesse haben, an der Veranstaltung teilzunehmen, rufen Sie uns im Rahmen unserer Bürozeiten an unter 02204 / 408 472. Vielen Dank.
Montag, 28. Juni 2021
19.00 Uhr I Vortrag und Diskussion
Begrüßung und Einführung
Heiden, Juden und Christen aus der Sicht des lateinischen Mittelalters
Für die Gelehrten des lateinischen Mittelalters stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der drei abrahamitischen Religionen anders als für uns: Das Judentum kommt im Rahmen einer geschichtstheologischen Konzeption – mit allen auch negativen Konsequenzen – als die eigene Herkunfts- und Vorgängerreligion in den Blick, die Muslime entweder als christliche Häretiker oder lediglich als Vertreter einer nur philosophischen Perspektive auf die Welt und den Menschen. Wie hat man sich diese Konstellation vorzustellen? Welche Konsequenzen hatte dies für die Wahrnehmung der anderen Religionen, aber auch der philosophischen Traditionen der Antike? Im Zentrum des Vortrages steht dabei die besondere Textgattung der „Religionsgespräche“.
20.30 Uhr
Ende der Veranstaltung
Samstag, 3. Juli 2021
14.00 Uhr I Textarbeit in Kleingruppen
Aristoteles, der Philosoph – Averroes, der Kommentator
Mindestens im Rückblick scheint die Philosophie und Theologie des Hochmittelalters dominiert durch die „Wiederentdeckung“ der platonischen Philosophie (des „Timaios“) im 12. Jh. und der Neuerschließung der aristotelischen Philosophie im 13. Jh. Alles scheint sich um die Frage zu drehen, ob und wie Christen überhaupt mit Aristoteles umgehen können und sollten, der sehr zu „dem“ Philosophen schlechthin avanciert, den man – mit einer Wirkungsgeschichte bis tief in die Neuzeit hinein – in der Vermittlung durch arabische Kommentare liest. Dabei wird – namentlich an der Universität Paris und in ihrem Umfeld – sehr energisch um eine Reihe von Schlüsselthemen gestritten: die Ewigkeit der Welt im Gegensatz zur Schöpfung, das Verhältnis von Verstand und Wille, das Problem individueller Personalität des Menschen sowie das Verständnis von Glück und Glückseligkeit. Ein Blick in die Quellen hilft bei der Erschließung dieser Zeit.
anschl.
Kurze Vorstellung der Ergebnisse der Arbeitsgruppen im Plenum mit anschließender Diskussion.
15.30 Uhr
Pause
16.30 Uhr I Vortrag und Diskussion
Außerhalb der Kirche kein Heil?
Wenn in gegenwärtigen Konflikten rückschrittliche Positionen kritisiert werden wie religiöse Intoleranz und aus ihr folgende Gewalt oder gesellschaftliche und politische Forderungen, die der individuellen Freiheit wenig Raum geben, dann werden diese Positionen gerne als „mittelalterlich“ bezeichnet. War das lateinische Europa zwischen Spätantike und Früher Neuzeit tatsächlich so geschlossen von Christentum und Kirche dominiert? Welche Funktionen wiesen die Gelehrten Kirche und Religion bzw. Religionen im und für das Zusammenleben der Menschen zu? Was waren die Konsequenzen für das Verhältnis zu Judentum und Islam?
18.00 Uhr
Ende der Veranstaltung
Änderungen im Programmverlauf und in der Organisation bleiben vorbehalten.