Heilige Weihnacht
Da ist Gott selbst leise aus dem schrecklichen Glanz, in dem er als der Gott und der Herr wohnt, herausgetreten und zu uns gekommen; still ist er in die Hütte unseres irdischen Daseins eingetreten, erfunden wie ein Mensch; er hat angefangen, wo wir anfangen, ganz arm, ganz gefährdet, ganz kindlich und sanft, ganz wehrlos. Er, der die unendliche, ferne Zukunft ist, die wir von uns aus nie einholen, weil sie in immer weiteren Fernen zurückzuweichen scheint, wenn wir ihr entgegeneilen auf den harten Straßen unseres Lebens, er ist selbst uns entgegen-gekommen, bei uns angekommen, da wir sonst nicht zu ihm fänden, er ist mit uns unseren Weg zu sich gegangen, damit er ein seliges Ende finde, weil dieses Ende auch selbst unser Anfang wurde. Gott ist nahe; sein ewiges Wort des Erbarmens ist da, wo wir sind; es pilgert unsere Wege, es kostet unsere Freude und unser Elend, es lebt unser Leben und stirbt unsern Tod. Es hat lind und leise sein ewiges Leben in diese Welt und in ihren Tod eingesenkt. Er hat uns erlöst, da er unser Los teilte. Er hat unsern Anfang zu seinem gemacht, unsern Schicksalsweg betreten und ihn so offen gemacht in die unendlichen Weiten Gottes. Und da es uns unabsehbar annahm, da das Wort Gottes nie mehr aufhört, Mensch zu sein, darum ist dieser Anfang, der unser und seiner ist, ein Anfang unzerstörbarer Verheißungen, ist dieser nächtlich stille Anfang eine Heilige Weihnacht.
Das zeigt uns, wie wir Weihnachten feiern müssen. Als Mysterium der heiligen Nacht. Still muss es sein, gesammelt und sanft in unseren Herzen, vorbehaltlos offen wie das Herz eines Kindes, das sich noch keiner der Möglichkeiten seines Daseins versperrt, sondern für alle arglos bereit ist.
Karl Rahner
24. Dezember 2021 || Das Akademie-Team wünscht Ihnen gesegnete Weihnachten.