Der September von Erich Kästner
Das ist ein Abschied mit Standarten
aus Pflaumenblau und Apfelgrün.
Goldlack und Astern flaggt der Garten,
und tausend Königskerzen glühn.
Das ist ein Abschied mit Posaunen,
mit Erntedank und Bauernball.
Kuhglockenläutend ziehn die braunen
und bunten Herden in den Stall.
Das ist ein Abschied mit Gerüchen
aus einer fast vergessenen Welt.
Mus und Gelee kocht in den Küchen.
Kartoffelfeuer qualmt im Feld.
Das ist ein Abschied mit Getümmel,
mit Huhn am Spieß und Bier im Krug.
Luftschaukeln möchten in den Himmel.
Doch sind sie wohl nicht fromm genug.
Die Stare gehen auf die Reise.
Altweibersommer weht im Wind.
Das ist ein Abschied laut und leise.
Die Karussells drehn sich im Kreise.
Und was vorüber schien, beginnt.
Erich Kästner (1899-1974) wurde besonders bekannt durch seine Kinderbücher, wie „Pünktchen und Anton“, „Emil und die Detektive“ und „Das fliegende Klassenzimmer“, die oft nicht nur einmal verfilmt wurden. Seine Werke für Erwachsene sind nicht minder beeindruckend, zumal er sowohl den Ersten, als auch besonders den Zweiten Weltkrieg immer wieder ins Visier genommen hat. Seine Werke sind Erzeugnisse eines äußerst intelligenten und genau beobachtenden Geistes, der es bestens versteht, die Worte mit größter Geschicklichkeit zu berührenden Meisterwerken zusammenzubinden.
Auch seine kleine Stücke strotzen vor Witz und Charme, so auch sein flotter Blick auf den beginnenden Herbst. Ein absolutes Fest der Sinne!
20. September 2023 || ein Beitrag von Judith Graefin, Akademiereferentin Erkundungen