Leben sehen, fühlen – und feiern
Pferde im Kölner Karneval sind ein imposanter Anblick – und Tradition. Für Agnes Puffert, zweite Vorsitzende des Reiterkorps der Großen Kölner Karnevalsgesellschaft, gehören Pferde dort auch unbedingt dazu, als das „Schönste am Rosenmontagszug“. Sie hat schon als junges Mädchen mit dem Reitsport begonnen und wurde auch Stück für Stück an die Karnevalsgesellschaft und den Höhepunkt des Jahres, den Rosenmontagszug herangeführt, durch Zufälle, Einfälle und Bekanntschaften – wie man das in Köln eben kennt. Ihre Mutter gehörte zu den ersten Frauen, die bereits im Jahre 1976 mitreiten durften.
Zuallererst sei sie „Reiterin mit einer großen Verantwortung für das Pferd, die auch Karneval feiert“, erzählt Agnes Puffert. Das bedeutet, dass sie das ganze Jahr über im Training ist, eine Beziehung zum Pferd aufbaut und sich um sein Wohlergehen kümmert, auch wenn es nicht ihr persönlich gehört. Es sei schlichtweg ein ganz anderes Gefühl, für sie ein Glücksgefühl, den Zug auf einem Pferderücken statt auf einem Wagen oder zu Fuß zu erleben, eine einzigartige Pracht. Und viele Zuschauer des Zuges freuen sich in dem Moment, in dem vor ihnen ein festlich geschmücktes Pferd unter Musik, Kamelle und Lebensfreude paradiert und das Gefühl von Größe verkörpert. Das Pferd teilt sich dem Reiter immer mit durch seinen Körper – Aufmerksamkeit, Gelassenheit, Reaktionen auf die Umgebung: enge Straßen, weite Plätze tanzende und singende Zuschauer, Kinder, die das Pferd streicheln möchten, auf Musik und Wind und all die unzähligen Eindrücke rund um einen Rosenmontagszug. Die Pferde „transportieren durch ihre eigene Lebendigkeit noch einmal ganz anders das Gefühl von Leben“ –verglichen etwa mit einem Traktor. Pufferts Augen strahlen vor Begeisterung, die Hände untermalen pointiert ihre Schilderungen.
Lauter werdende Bestrebungen, Tiere im Karnevalszug zu verbieten, sieht Puffert sehr kritisch mit Blick auf die Argumente der Sicherheit und Gesundheit der Tiere. Sind es wirklich arme Pferde?
Die Reiter im Zug müssen strenge Vorschriften befolgen, die vom Festkomitee des Kölner Karnevals in Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt der Stadt und der Landesregierung aufgestellt worden sind und die streng kontrolliert werden. Jedes Pferd muss jährlich eine Gesundheits- und Gelassenheitsprüfung absolvieren, in der es auf die Reize einer lautstarken Umgebung vorbereitet wird. Insgesamt lägen die körperlichen Anforderungen an das Tier weit unter denen eines Turniers im normalen Hobbysport, so Puffert. Dort müssten die Pferde komplexe Aufgaben erfüllen und werden körperlich ganz anders gefordert, mit größerer Belastung für den Bewegungsapparat. Im Zug hingegen täten sie genau das, wozu die Natur sie ausgestattet hat: stundenlang im Schritt gehen in Begleitung ihnen vertrauter „Mitpferde“ und Menschen. Rosenmontag sei also quasi ein langer Arbeitstag. Jedem Pferd wird zudem ein Begleiter zur Seite gestellt, der ebenfalls einen Fachkundenachweis haben muss. Und mit dem Pferd vertraut sein muss. Auch der Reiter muss sein Können vorab unter Beweis stellen und entsprechende Prüfungen absolvieren. Es gibt Vorschriften für Pausen, Transportzeiten, Tränken und Füttern. Selbstverständlich dürfen die Tiere nicht sediert werden. Die meisten Pferde haben schon öfter am Zug teilgenommen und kennen ihre Kameraden von der Weide, sodass sie sich in der Gruppe sicher bewegen. Jeder Reiter, der gegen die Vorschriften handelt, erhält nicht nur eine empfindliche Strafe, sondern schadet durch sein unreiterliches Verhalten dem Tier, der Reiterei und dem Karneval.
Daher sei es schade, findet Puffert, dass Kinder, vor allem Stadtkinder, den Bezug zu Pferden verlieren. Die Kraftpakete sind immer seltener im Stadtbild präsent, beispielsweise vor Hochzeitskutschen oder bei der berittenen Polizei, sodass sie zu „Nischenlebewesen“ werden. Dabei würden, so Puffert, Pferde genauso wie andere Lebewesen dafür sorgen, dass der Mensch nicht „immer weiter eskaliert“, also nicht alles immer lauter, länger, größer, extremer werden müsse. Denn es müsse eben Rücksicht auf die Grenzen der Pferde und damit die „Dimensionen des Lebens“ genommen werden. Das Rad der Zeit könne man kaum zurückdrehen, aber man müsse sich darüber klar werden, was es bedeutet, wenn ein Bewusstsein für große Säugetiere kaum mehr vorhanden sei. Die doch jahrtausendelang mit Menschen zusammengelebt und gearbeitet haben. Heute gibt es In der Stadt maximal Hunde, Katzen – und Ratten.
So ein Umzug stellt für alle eine besondere Situation dar: Verkleidungen, Jubel, Freude, wie bei einem Autokorso nach einem gewonnen Fußballspiel – doch elementar zum Karneval gehören für Agnes Puffert Pferde und Kutschen dazu. Ohne all die Warm- und Kaltblüter wäre sie gar nicht erst im Kölner Karneval aktiv. Für die Zukunft wünscht sie sich eine Beschränkung auf das Wesentliche, keinen Exzess, sondern Karneval als Ausdruck der Lebensfreude – und Menschen auf Augenhöhe mit Vierbeinern, in diesem einzigartigen Augenblick.
© Große Kölner Karnevalsgesellschaft e.V. 1882 | Sarah Nagelschmidt, Grafik * Illustration * Webdesign (vielen Dank)
16. Februar 2023 || ein Beitrag von Judith Uebing, Akademiereferentin Forum :PGR