Orte für Aussteiger?
Zur Geschichte und Bedeutung von Künstlerkolonien
Von den 1830er Jahren an bis weit ins 20. Jahrhundert hinein machen sich Menschen in ganz Europa auf, um Lebens- und Arbeitsgemeinschaften fernab der großen Städte in naturnaher, schöner, zuweilen auch wilder Umgebung zu gründen. Das Leben in Barbizon, der Mutter aller Künstlerkolonien, in Capri, Worpswede oder Ascona ist von bewusster Abgrenzung zur bürgerlichen Gesellschaft bestimmt. Die Aussteiger suchen eine Gegenwelt zur Dichte und zum Konkurrenzdruck in den Städten, zum übersteigerten Nationalismus und dem allgegenwärtigen Krisengefühl. Ohne große soziale Kontrolle entwickeln sich neue Lebensstile, die sich erst deutlich später durchzusetzen beginnen, manche von ihnen erst im 21. Jahrhundert. Dazu gehören die Frauenemanzipation und das Spiel mit verschiedenen Geschlechterrollen ebenso wie das offene Ausleben einer freieren Sexualität.
Mit der Zeit entsteht ein Netzwerk von Subkulturen, das von Skagen an der Nordspitze Jütlands bis nach Tanger an der marokkanischen Küste, von der Finistère, der äußersten Spitze der Bretagne, bis nach Korfu reicht. Häufig pendeln sogar Künstlerinnen und Künstler von einem Aussteigerort zum andern. Darunter sind regelrechte Stars, aber auch nur Eingeweihten bekannte Malerinnen wie Marianne Stokes oder zu Unrecht vergessene Schriftstellerinnen wie Maria Lazar. Mancherorts, exemplarisch in der Aussteigerkolonie Monte Verità rund um ein alternatives Sanatorium oberhalb des schweizerischen Ascona, verbindet sich die Idee der Künstlerkolonie auch mit den neuen Grundsätzen und Gesundheitsregeln der Lebensreform.
Zu einer Beschäftigung mit den Künstlerkolonien laden wir Sie herzlich nach Bensberg ein.
Samstag, 14. Januar 2023
14.00 Uhr
Begrüßung und Einführung
Andreas Würbel, Thomas-Morus-Akademie Bensberg
Orte für Aussteiger – eine Reise durch ein alternatives Europa
Was zeichnete Künstlerkolonien aus?
- Historischer Überblick anhand von Beispielen
- Die Suche nach dem Authentischen
- Naturnähe
- Neue Lebensformen
16.15 Uhr
Kaffee- und Teepause
16.30 Uhr
Reformkulturlandschaften: Die Bedeutung des Ortes
Beispiel: Der Monte Verità
- Gründungsgruppe
- Vegetarismus
- Frauenbefreiung
18.00 Uhr
Abendessen
19.00 Uhr
„Monte Verità – Der Rausch der Freiheit“
2021, Regisseur Stefan Jaeger
Filmvorführung (116 Min.) mit anschließender Diskussion
21.30 Uhr
Ende des Veranstaltungstages
Sonntag, 15. Januar 2023
ab 7.00 Uhr
Frühstück für Übernachtungsgäste
8.00 Uhr
Gelegenheit zum Besuch eines katholischen Gottesdienstes in der Edith-Stein-Kapelle
9.30 Uhr
Einblicke, Überblicke, Perspektiven
Künstlerkolonien im Bild
11.00 Uhr
Kaffee- und Teepause
11.30 Uhr
Die Bedeutung von Künstlerkolonien für die Gegenwart
Vergleichbare Phänomene heute
13.00 Uhr
Mittagessen
14.00 Uhr
Ende der Veranstaltung
Referierende
Dr. Stefan Bollmann
Stefan Bollmann promovierte mit einer Arbeit über Thomas Mann, bevor er als Lektor und Programmleiter für verschiedene Verlage tätig war. Seit 2004 ist er Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher, u.a. „Frauen, die lesen, sind gefährlich“ und zuletzt: „Der Atem der Welt. Johann Wolfgang Goethe und die Erfahrung der Natur“. 2017 erschien sein Werk „Monte Verità. 1900 – Der Traum vom alternativen Leben beginnt“.
Dr. Andreas Schwab
Andreas Schwab ist Autor, Ausstellungsmacher und Gemeindepräsident von Bremgarten bei Bern. Er hat Bücher über den Monte Verità und die Landkooperative Longo maï veröffentlicht. 2021 folgte „Zeit der Aussteiger. Eine Reise zu den Künstlerkolonien von Barbizon bis Monte Verità“. Als Mitglied der Ausstellungsgruppe Palma3 kuratierte er zahlreiche Ausstellungen zu kulturgeschichtlichen Themen, u. a. die Dauerausstellung in der Casa Anatta auf dem Monte Verità.
Änderungen im Programmverlauf und in der Organisation bleiben vorbehalten.