Liebe Virginia Woolf, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!
Sie wurden heute vor 140 Jahren in London geboren, am 25. Januar 1882. Mit 46 Jahren haben Sie in Oxford zwei Vorträge gehalten, die später die Basis für ein Buch wurden, das zu den grundlegenden Texten der Frauenbewegung wurde, das oft rezipiert und übersetzt, gelobt und angefeindet wurde. Es wurde 1929 veröffentlich:
„A Room of One’s Own“.
Renate Gerhardt übersetzte und veröffentlichte den Text erstmals 1978 und nannte das Buch: „Ein Zimmer für sich allein“.
Sie meinten damals, dass zwei Bedingungen erfüllt sein mussten, damit auch Frauen „große Literatur“ produzieren konnten: „Fünfhundert (Pfund) im Jahr und ein eigenes Zimmer“ – also ein Grundeinkommen und ein eigener Ort, Privatsphäre, ein eigens Zimmer.
Ihre Überlegungen haben Literaturschaffende beeindruckt und beeinflusst. Sie haben mit Ihren Thesen provoziert, weil sie eine andere Perspektive als die gewöhnliche, vorherrschende, männliche eingenommen haben.
Ich erinnere mich, dass mich schon der Titel Ihres Buches nachdrücklich beeindruckt hat. Die Formulierung war für mich so ungewöhnlich, dass ich ihn immer wieder im Sinn hatte: „Ein Zimmer für sich allein“ – ein Zimmer für m i c h als Bedingung des Möglichen, als Ort von Kreativität, Phantasie, Einsicht, Ruhe. Das haben Sie gefordert, angemahnt, gewollt. Für mich war das wie ein Augen öffnen: Bedingungen haben die Macht, Dinge möglich oder unmöglich zu machen. Es klingt so banal – aber Sie haben es durchbuchstabiert, was in Ihrer Zeit als Gesellschaftskritik verstanden wurde und von Ihnen auch so verstanden werden wollte. Sie waren eine Frau mit analytischem Blick, literarischem Können, geschichtlichem Wissen und spitzer Feder. Sie waren eine verletzliche, mutige, kreative, feinfühlige, fleißige, mutige und noch-viel-mehr Frau. Ich lese mal wieder bei Ihnen herein und danke für Ihre Worte und mein Bewusstsein um die Bedeutung eines Zimmers für mich allein.
25. Januar 2022 || ein Beitrag von Karin Dierkes, Akademiereferentin für Theologie und Philosophie