Worauf warten Sie… ?
Start der Corona-Impfungen. Sinkende Infektionszahlen. Rückkehr in eine alte, neue Normalität. Klar, darauf warte ich in diesen Tagen. Wer täte das nicht! Aber sonst?
Ich warte darauf, dass Weihnachten wird: Begegnungen in der Familie – auf Sparflamme, reduziert, mit Sicherheitsabstand, aber doch „in Präsenz“. Ein Wort, über das ich viel nachgedacht habe in den vergangenen Tagen. Präsenz ist ja nicht nur eine Frage, wie wir aufeinandertreffen – analog oder halt digital. Präsenz ist auch eine Frage der Haltung. Nicht von ungefähr steht die zweite, vom lateinischen „praesens“ abgeleitete Bedeutung des Wortes damit in Verbindung: Präsent zu sein, das ist im zwischenmenschlichen Umgang ein Präsent, ein Geschenk. Und das hat dann schon wieder sehr unmittelbar mit Weihnachten zu tun.
Worauf wartest du? Ich möchte die Ausgangsfrage für diesen Blogbeitrag gern ein wenig modifizieren: Worauf wartest du noch? Da kommt in die passive Haltung des Wartens ein drängendes Moment: Nicht einfach nur dasitzen und abwarten! Aktiv werden! In diesem Sinn warte ich, wenn ich ehrlich bin darauf, dass die spürbaren Erschütterungen in unserer Kirche endlich zu erkennbaren Veränderungen führen. „So kann es nicht mehr weitergehen.“ Dieser Satz ist die Entsprechung zur Frage „Worauf wartest du noch?“
Aus meiner Zeit in einer von den Jesuiten geleiteten Hausgemeinschaft habe ich den Satz des heiligen Ignatius von Loyola mitgenommen: „Wir müssen so auf Gott vertrauen, als ob alles von uns, nichts von Gott abhinge. Wir müssen unsere Kräfte aber so einsetzen, als ob alles von Gott, nichts von uns abhinge.“ Vielleicht gilt das auch für unser Warten: Wir müssen so auf Gott warten, als ob alles von uns, nichts von seinem Kommen abhinge. Wir müssen uns für unsere Erwartungen aber so einsetzen, als ob alles von Gott, nichts von uns abhinge.
Mit der Einübung in dieses Paradox des Wartens gehe ich ins neue Jahr.
Bild von Joachim Frank: Christoph Hardt
23. Dezember 2020 || ein Beitrag von Joachim Frank, Journalist und Buchautor
Joachim Frank ist u.a. DuMont-Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“.