Friedrich Engels und Karl Marx in Köln: Spurenfindung

Am 16. November 1842 machte der 22-jährige Friedrich Engels auf einer Reise nach Manchester, wo er seine kaufmännische Ausbildung in der von seinem Vater mitbegründeten Textilfabrik Ermen & Engels abschließen sollte, einen Zwischenstopp in Köln. Die Stippvisite war keineswegs dem sich damals schon abzeichnenden Verkehrs-Drehkreuz Köln geschuldet. Vielmehr galt sie Engels dazu, Kontakt mit Karl Marx aufzunehmen, der aufgrund der Zensur anonym als Chefredakteur der von Kölner Kaufleuten gegründeten Rheinischen Zeitung wirkte.

Engels

Friedrich Engels

Es trafen in Köln so zusammen: ein blutjunger „bergischer Jong“ aus pietistischem Industriellenhaus, der sich schon länger im permanenten Dissens mit seinem Vater über die prekäre Lage der Arbeiterschaft befand, und ein 24-jähriger, in Philosophie promovierter Moselaner rabbinischer Herkunft. Marx und Engels sollten an diesem Tag in Köln – das freilich ahnten bei der eher kühlen Erstbegegnung nicht einmal sie selbst – eine lebenslange innige Verbindung gründen, welche das Bild von der Welt bis zum heutigen Tag prägt.

Rheinische-zeitung

Die Rheinische Zeitung

Marx hatte in der Rheinischen Zeitung bereits grundlegende Positionen zu allgemeinen Grundrechten formuliert. Sein Diktum von der „ersten Freiheit der Presse, kein Gewerbe zu sein“ darf als erste und klassische Formulierung – der heute leider wieder – zu verteidigenden journalistischen Freiheit gelten. Unter Marx war die „Rheinische Zeitung“ schnell das wichtigste Organ der demokratischen Bewegung in Deutschland geworden. Engels belieferte diese Zeitung nun in den nächsten Monaten von England aus mit Beiträgen. So trug er am 20. Dezember 1842 einen Essay zur „Lage der arbeitenden Klasse in England“ bei, eine Vorstudie zu seinem bekanntesten, gleichnamigen Werk von 1846.

Mit Verbot der Rheinischen Zeitung – die letzte Ausgabe erschien am 31. März 1843 – begannen für Marx die langen Jahrzehnte des Exils: zunächst in Paris, dann in Brüssel. Engels besuchte derweil von England aus gelegentlich Köln, wo er beispielsweise 1844 mit einer Gruppe von „Communisten“ zusammenkam. Die vor allem aus Rechtsanwälten, Ärzten, Künstlern und gar drei oder vier Artillerie Lieutenants bestehende Versammlung habe einen ganzen Saal gefüllt, teilte er einer englischen Zeitung mit.

1846 siedelte Engels zu Marx nach Brüssel über. Dort begannen ihre eigentliche lebenslange Arbeitsgemeinschaft und Freundschaft: Hier gründeten sie den Brüsseler Deutschen Arbeiterverein und verfassten sie das Programm des „Bundes der Kommunisten“, woraus das Kommunistische Manifest erwuchs, das dann im Februar 1848 in London erschien.

Die Pariser Februarrevolution bewirkte auch in Köln Aufstände. Am 3. März 1848, einen Tag nach Weiberfastnacht, marschierten hier – angeführt durch den Armenarzt Andreas Gottschalk – rund 3000 Arbeiter und Handwerker zum Rathaus und überreichten dort dem Stadtrat eine Petition mit Forderungen nach allgemeinem Wahlrecht, nach Pressefreiheit und einem kostenfreiem Schulsystem. Der sich gemäß Zensuswahlrecht zusammensetzende Stadtrat lehnte die Begehren allerdings ab. Das preußische Militär zerstreute die Menge und verhaftete deren Anführer. Am 20. März konnten zwar die demokratischen Kölner Kräfte einen Teil ihrer Forderungen durchsetzen, so beispielsweise den nach Bildung einer Bürgerwehr. Diese Wehr sorgte sich aber eher in devoter Weise um die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung.

Marx als Student-1836

Marx als Student

Marx und Engels kehrten im April 1848 aus Belgien über Paris nach Köln zurück, denn Köln war nach Engels „in jeder Beziehung damals der fortgeschrittenste Teil Deutschlands“. Mit Erstausgabe vom 1. Juni 1848 gaben sie nun die Neue Rheinische Zeitung heraus, die ebenso binnen kürzester Zeit eines der bedeutendsten Presseorgane der Revolutionsjahre wurde. Das Redaktionslokal befand sich „Unter Hutmacher 17“, heute „Heumarkt 65“. Karl Marx wohnte während der elf Monate, in denen die Neue Rheinische Zeitung erscheinen durfte, mit Frau und Kindern in der Cäcilienstraße 7. Engels hatte seinen Wohnort nächst dem Gürzenich: „In der Höhle 14“.

Nach Ablehnung der Frankfurter Nationalversammlung durch die Reaktion  kam es in Köln im September 1848 erneut zu einer Sammlung radikaler Kräfte. Am 13. September wählten circa 5000 Menschen auf dem Frankenplatz Karl Marx und Friedrich Engels in einen „Sicherheitsausschuss“. Auf Initiative der „Neuen Rheinischen Zeitung“ kamen am 17. September etwa 10 000 Kölner zu einer Volksversammlung nach Worringen, auf der die „rote Republik“ gefordert wurde. Der am 26. September 1848 durch die Obrigkeit ausgerufene Belagerungszustand hatte jedoch die weitgehend widerstandslose Auflösung der Kölner Bürgerwehr und die Aufgabe der innerstädtischen Barrikaden zur Folge. Die mangelnde Fähigkeit oder Bereitschaft der Kölner zur Revolte belegte Engels hernach mit ätzender Kritik: Sie hätten „ruhig losschlagen können und wären in zwei Stunden fertig gewesen. Aber schrecklich dumm war alles angelegt“.

Engels verließ in diesen Tagen wegen drohender Verhaftung die Stadt Köln, kehrte aber im Januar 1849 wieder zurück, um die Redaktionsarbeit in der Neuen Rheinischen Zeitung wieder aufzunehmen. Nach der endgültigen Niederschlagung der Märzrevolution im Zuge des Badischen Aufstands, an dem Engels aktiv teilgenommen hatte, flohen er und Marx 1849 nunmehr endgültig ins Exil nach England.

Seiner rheinischen Heimat blieb Engels aber verbunden. Gustav Meyer überlieferte die wehmütige Sentenz des alternden Engels: „Als er die Türme des Kölner Doms vor sich aufsteigen sah, äußerte er bekümmert zu seinen Begleitern: ‚Dies schöne Land, wenn man darin nur leben könnte!‘“

Bilder: CC BY-SA 4.0; gemeinfrei

30. März 2020 || Beitrag von Markus Juraschek-Eckstein, Kunsthistoriker und Germanist