Nonne steht auf einer Wiese

Herbstkino – Philosophie

Wenn die Tage kürzer werden und das Licht sich verändert, entsteht Raum für Filme, die mehr sind als bloße Unterhaltung – Filme, die nach innen führen und Fragen stellen. Unsere Herbstkino-Reihe lädt ein, solche Werke neu zu entdecken.

Ida ist ein Film, der fast flüstert – und gerade dadurch eindringlich wirkt. In strengen Schwarz-Weiß-Bildern erzählt Regisseur Paweł Pawlikowski die Geschichte einer jungen Novizin, die kurz vor ihrer Profess erfährt, dass sie jüdische Wurzeln hat. Diese Enthüllung ist kein dramatischer Wendepunkt im klassischen Sinn, sondern ein leiser Riss in ihrer Identität – ein Moment, der alles in Frage stellt, ohne ein lautes Wort.

Die Kamera beobachtet mit Distanz, oft am Rand des Geschehens. Diese Zurückhaltung schafft Raum für Stille – für das, was im Kino selten geworden ist: innere Bewegung ohne große Geste. Ida ist kein Film, der erklärt. Er lädt vielmehr zum Schweigen ein, zum Mit-Denken, zum Aushalten von Ungewissheit. Wer bin ich, wenn die Geschichte, an die ich glaubte, nicht meine ist? Und kann Glaube Bestand haben, wenn die eigenen Wurzeln plötzlich anders aussehen?

Der Film verweigert Wege der schnellen Identifikation. Er zeigt, wie Erinnerung und Glauben miteinander ringen – nicht laut, sondern in Blicken, Pausen, in der Art, wie Menschen nebeneinander gehen oder einander nicht ansehen. Die wenigen Worte erhalten dadurch Gewicht. Jedes Bild wirkt wie eine Ikone – reduziert, konzentriert, voller leerem Raum, der nicht leer bleibt.

Fazit:
Ida ist kein Film zum schnellen Durchschauen, sondern einer, der nachhallt. Er stellt die Frage nach Identität nicht als Problem, das gelöst werden muss, sondern als geistige Bewegung. Ein stiller Film, der uns lehrt, dass Erkenntnis manchmal nicht im Reden, sondern im Schweigen beginnt.