Eine ungewöhnliche Mittagspause Oder: Sinn kommt von anderswo

Es war an einem Mittwoch letzten Sommer: Ich hatte den ganzen Vormittag verschiedene Gespräche in meinem Büro geführt und ging auf den Marktplatz, um mir am Einkaufsstand eine Erbsensuppe mit Wurst und Brot zu holen.

Ruhebedürftig, wie ich war, setzte ich mich auf eine Bank im Park vom Städtischen Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach. Kurz danach setzte sich eine ältere Dame auf die Bank nebenan, grüßte mich und fing sofort ein Gespräch an, obschon ich nun wahrlich keine Bereitschaft hatte erkennen lassen, dass ich mit ihr sprechen wollte. Ich war mir sicher, sie würde dies bald auch merken und mich dann in Ruhe lassen.

Doch weit gefehlt: Auch ohne große Resonanz von meiner Seite fing die Frau an, mir ungefragt ihr Leben zu erzählen. Sie wohne im Oberbergischen Kreis und komme hier und da nach Bergisch Gladbach zum Markt. Ihr Mann sei schon lange tot und ihr Sohn wohne zwar in der Nähe, doch habe sie kaum Kontakt zu ihm.

Ohne nachzufragen, erfuhr ich so ziemlich alles, was es an ihrem Sohn zu kritisieren gäbe: Arbeitslos, keine Motivation für nix, keine Partnerin, keine Gespräche mit seiner Mutter. Er liege nur faul und dick auf seiner Couch herum.

So langsam ergab ich mich in mein Schicksal und öffnete mich innerlich wie äußerlich für dieses unerwartete Gespräch. Wie groß musste die Einsamkeit der älteren Frau sein, dass sie einfach immer weitersprach – auch ohne zunächst auf Resonanz zu stoßen.

Auf ihre Frage hin erzählte ich ihr, wo ich arbeite, nämlich im Katholischen Bildungswerk in Bergisch Gladbach – gleich hier in der Nähe. Doch mit Bildung habe sie rein gar nichts zu tun, erfuhr ich darauf sofort. Die Schulzeit sei lange her und ihre Ausbildung zur Verkäuferin sei die letzte Etappe ihres Bildungswegs gewesen.

Da hatten wir schon mal keine Gemeinsamkeiten.

Aber ich konnte mich emotional dann doch immer besser auf sie einstellen. Ich konnte quasi fühlen, wie sie sich durch ihr hartes Leben durcharbeiten musste – und warum sie heute in dieser recht unerfreulichen Situation war: Einsam, enttäuscht vom Leben, auch materiell offensichtlich recht arm. Ich versuchte, ihr ein paar Gedanken mitzugeben, die sie vielleicht etwas aufhellen könnten, doch glaube ich kaum, damit etwas erreicht zu haben.

Eher hat sie bei mir etwas erreicht: nämlich das Gefühl, dass einem Lebenssinn manchmal ganz unverhofft als Geschenk zugeflogen kommt: Einfach mal eine Zeit einem anderen Menschen zuzuhören, ihn als Menschen wahrzunehmen. Dabei war ich zugegebenermaßen nicht gerade vorbildlich, da ich anfangs einfach nur meine Ruhe haben wollte.

Doch ihre Hartnäckigkeit hat meine innere Mauer stückweise geöffnet, hat mich zugänglich gemacht. Bereichert und zufrieden, aber auch nachdenklich ging ich an meinen Schreibtisch zurück, nachdem wir uns freundlich verabschiedet hatten…

Die erhoffte Mittagsruhe hatte sich – ganz anders als geplant – dann doch innerlich eingestellt. Das Leben birgt Überraschungen – und diese sind oftmals besser als all das, was wir geplant haben.

Ich habe einmal gehört, was den lieben Gott am meisten zum Lachen bringen würde: Nämlich wenn wir Menschen ihm von unseren Plänen erzählen. Dann muss er sich den Bauch vor Lachen halten!

9. März 2025 || Elmar Funken

Leiter des Katholischen Bildungswerks Rheinisch-Bergischer Kreis