Der Meisterschüler Platons
Plotin: Sein Denken, sein Werk
Plotin (204-270 n.Chr.) gilt neben Platon und Aristoteles als der dritte große Klassiker der Philosophie der Antike. Er wirkte in der Umbruchzeit der Spätantike, die eine Identifikation mit den politischen Verhältnissen immer schwieriger werden ließ, dafür aber neue vielfältige religiöse Orientierungen anbot. Durch seine christliche Rezeption wurde sein Denken wegweisend für die europäische Geistes- und Kulturgeschichte.
Bemerkenswert ist dabei die Verflechtung von griechischer Philosophie und Christentum. Wie einerseits das Römische Reich mit seinen griechischen Elementen allmählich christlich wurde, gilt andererseits zugleich, dass das Christentum seine systematische Gestalt wesentlich unter Zuhilfenahme der Begrifflichkeit der griechischen und insbesondere neuplatonischen Philosophie annahm.
Der Frage, auf welche Weise Plotin als Platon-Interpret, Denker, Asket und Mystiker so wirkungsmächtig werden konnte, geht die philosophische Tagung nach.
Der ermäßigte Preis für Studierende beträgt gegen Vorlage eines gültigen Studienausweises 75,00 € pro Person.
Ihr/e Referent/in und Tagungsleitung
Samstag, 18. September 2021
14.00 Uhr
Plotins Leben und Werk
Kultureller Hintergrund und philosophische Einflüsse
Plotin und der von ihm begründete Neuplatonismus schließen das über ein Jahrtausend währende Philosophieren der Antike ab und bereiten den Wandel von der Philosophie zur christlichen Theologie vor. Plotin selbst versteht sich als Interpret und Fortführer Platons. Allerdings sind sowohl das sokratische Gesprächselement als auch das Staatsdenken, die für Platon fundamental wichtig waren, bei Plotin kaum ausgeprägt. Stattdessen führt Plotin aufgrund seiner Lebensstationen in Alexandria und Rom sowie der dort lebendigen Diskurszusammenhänge platonische, aristotelische und stoische Gedanken zusammen, die wesentlich die Seinsordnung des Universums betreffen. Mit Porphyrius‘ Biografie wird der Mensch Plotin als Denker, Asket und Mystiker beleuchtet, mit einem Werküberblick werden die Einflüsse Platons, Aristoteles‘ und der Stoiker zum Aufbau des Seins differenziert.
15.30 Uhr
Kaffee- und Teepause
16.00 Uhr
Erfahrung des Schönen und Aufstieg zum Einen
Die innere Ordnung in Plotins‘ Schriften
Plotins Schriften sind in sechs Neunergruppen („Enneaden“) geordnet. Sie beinhalten ethische, naturphilosophische Überlegungen und Abhandlungen über die Seele (psychê), den Geist (nous) und das Eine (hen). Ihre innere Ordnung erhalten die Schriften durch Plotins doppeltes Anliegen: Zum einen bedenkt er in der Tradition der griechischen Kosmologie und mittels der platonisch-aristotelischen Begrifflichkeit das Eine (Gute) als Ursprung von allem und gibt so den Weg des Aufstiegs zu dem Einen in der Reihe der Ursachen bzw. Ursprünge vor. Zum zweiten ist der Aufstieg zu dem Einen zugleich Rückstieg des Menschen zu sich selbst, zum Urgrund seiner Seele. Bei Plotin entsprechen sich philosophische Kosmologie und rationale Psychologie. An ausgesuchten Texten wird der Aufstieg zum Einen als Stufenweg vom Sinnlichen zum Übersinnlichen verdeutlicht.
18.00 Uhr
Abendessen
19.00 Uhr
Über das Schöne und die Liebe
Mit Filmausschnitten zur „Liebe in der Antike“
Plotins Nachdenken über das Schöne knüpft an Platons „Symposion“ und die Diotima-Rede an. Filmausschnitte, die die Szenerie des Symposions veranschaulichen und Teile des platonischen Dialogs vorführen, inspirieren. Zugleich soll mit Platons und Aristoteles‘ Formdenken der Zusammenhang von Schönheit und Sein in der Gesamtordnung der Wirklichkeit auch bei Plotin verständlich gemacht werden. Im Hinblick auf die zugespitzten Positionen eines Philosophie-Talks zwischen dem Physiker Harald Lesch und Philosophen Wilhelm Vossenkuhl wird die Frage diskutiert, warum und inwiefern Plotins Denken immer wieder kontrovers interpretiert wird.
21.15 Uhr
Ende des Veranstaltungstages
Sonntag, 19. September 2021
ab 7.00 Uhr
Frühstück für Übernachtungsgäste
9.30 Uhr
Asketisch, transformativ, mystisch
Plotins philosophische Ethik
„So ist denn gerade diesem daimonischen Manne schon oft, wenn er sich hinaufhob zum Ersten, Jenseitigen Gott auf den Wegen, welche Platon im ‚Symposion‘ gewiesen, Jener Gott erschienen welcher keine Gestalt und keine Form hat und oberhalb des Geistes und der ganzen geistigen Welt thront […] es war nämlich sein Ziel und Richtpunkt nahe und eins zu sein mit dem Gott der über allem ist.“ Porphyrios‘ berühmte Passage aus seiner Biografie Plotins wird unter Einbeziehung Pierre Hadots und der antiken Wege zur Weisheit auf die Voraussetzungen der Philosophie als Lebensform bezogen. Welche Rolle spielt dabei die Renaissance der pythagoreischen Lebensform? Als wie ambivalent muss Hans Jonas‘ Deutung zufolge Plotins Askese aufgefasst werden? Und inwiefern ist nach Plotin allein die Liebe zur Berührung des Guten fähig?
11.00 Uhr
Kaffee- und Teepause
11.30 Uhr
Wirkungsgeschichtliche Impulse
Griechische Philosophie und christlicher Neuplatonismus
Der Einfluss Plotins auf die europäische Geistes- und Kulturgeschichte ist kaum zu überschätzen und außerordentlich vielschichtig. Im Zuge seiner Rezeptions- und Wirkungsgeschichte werden Platons und Aristoteles‘ Philosophie nicht nur als wechselseitige Ergänzung verstanden. Überdies versucht das Christentum die eigene Religion gerade mit griechisch-neuplatonischer Philosophie systematisch zu begreifen. Die letzte Seminareinheit betrachtet sowohl einige Schüler Plotins als auch den christlichen Neuplatonismus. Warum lässt sich die Diskussion um das christliche Trinitätsdenken besonders gut mit Hilfe von Platon, Aristoteles und Plotin rekonstruieren? Und wo bestehen bei aller Nähe von Neuplatonismus und biblisch-christlichem Denken die großen Unterschiede? Diese und weitere Fragen werden diskutiert und ein bilanzierender Rückblick versucht.
13.00 Uhr
Mittagessen
14.00 Uhr
Ende des Seminars
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