Fachtagung - Kein Ort ist frei von Macht und Abhängigkeit - Thomas-Morus-Akademie Bensberg

Fachtagung „Kein Ort ist frei von Macht und Abhängigkeit. Sexueller Missbrauch am Arbeitsplatz, in Kultur, Sport und Kirche“

Gestern ging unsere Fachtagung „Kein Ort ist frei von Macht und Abhängigkeit, sexueller Missbrauch am Arbeitsplatz, in Kultur, Sport und Kirche“ zu Ende gegangen.

Eine Teilnehmerin nannte die Tagung eine PERLE. Sie sei besonders, da sie in der ganzen Breite darstellt, wo sich sexualisierte Gewalt zeigt und sich nicht nur auf einzelne gesellschaftliche Bereiche begrenzen lässt.

Das Besondere daran war, dass wir Referent*innen aus fünf relevanten gesellschaftlichen Bereichen gewinnen konnten, die uns neueste, wissenschaftliche Erkenntnisse oder Best Practice Beispiele vorgestellt haben.

Ingo Wünsch, Direktor des Landeskriminalamtes NRW beschrieb eindrücklich die Arbeit der Beamten*innen, die sich der Aufklärung von digitaler sexualisierter Gewalt widmen. Dieser Bereich der Präventionsarbeit ist noch viel zu wenig im Blick. Die Fälle steigen exponentiell, insbesondere die Mittels KI generierten Bilder und Darstellungen von Missbrauchshandlungen an Kindern.

Die Präventionsmaßnahmen in den fünf NRW- Bistümern wirken! Zu diesem Ergebnis kommt das Wirksamkeitsforschungsprojekt (PräNRW) des ISA e.V und SOCLES. Die Vorstellung der Ergebnisse der Evaluation von Frau Dr. Bücken zeigte auf, wie die Maßnahmen wirken, aber auch, wo es noch viel zu tun gibt!

Nach der MHG – Studie der katholischen Kirche zieht die evangelische Kirche jetzt auch nach. Wie Dr. Peter Caspari vorstellt, zeigt die ForumStudie das Ausmaß von sexuellen Missbrauch an Schutzbefohlenen in den Landeskirchen auf. Kritik gab es jedoch an dem Teilprojekt E zu der Erhebung der Kennzahlen. Hier gab es erhebliche Probleme in der Datenerhebung. Wie ist das Ausmaß wirklich? Wichtig sind jedoch auch die Teilprojekte zu der Beteiligung der Betroffenen.

Frau Prof. Rulofs (Deutsche Sporthochschule, Köln) stellte die aktuellen deutschen und eine europäische Studien zum Ausmaß von interpersonaler Gewalt im Sport vor. Erst 1998 gab es die erste Studie zum Thema Mädchen und Frauen im Sport. Ernsthafte Prävalenzforschung zu sexualisierter Gewalt im Sport gibt es erst seit 2017!  Safe Sport steht für „Gemeinsam Stark. Gegen Gewalt im Sport.“ Frau Dr. Kurr (DOSB) berichtete über Entwicklungen im Bereich Sport. Seit 2018 hat der DOSB unterschiedliche Maßnahmen eingeleitet. Vor kurzen wurde der Safe Sport Code veröffentlicht. Jetzt gilt es, ihn in die tägliche Praxis im Breiten- und im Spitzensport umzusetzen. Aber es geht auch weiterhin darum eine gemeinsames Grundverständnis darüber zu schaffen, dass eine Kultur Veränderung am Leistungsstil im Training, bei den Trainingsmethoden auf der Grundlage eines verantwortungsbewussten, demokratischen Trainingsverständnisses gibt, bei dem die Sportler:innen als mündige, selbstbestimmte Athlet:innen  gesehen werden.

Gitta Axmann berichte eindrücklich aus der Perspektive der Betroffenen, über die Arbeit der Anlaufstelle „Anlauf gegen Gewalt im Leistungssport“. Diese wurde von Athleten Deutschland e.V. ins Leben gerufen. Die Anlaufstelle ist ein Angebot für von interpersonaler Gewalt betroffene Spitzensportler:innen. Das Angebot umfasst auch die Möglichkeit der Begleitung im individuellen Prozess der Aufarbeitung des erlittenen Leids. Zusammen mit Ihrer Kollegin Nadine Dobler verantworten die beiden das bundesweit einmalige Angebot, welches sehr gut angenommen wird. Wichtig: Dieses Beratungsangebot ist unabhängig und wird von einem von den Strukturen der Sportverbände unabhängigen Verein verantwortet.

Beeindruckend war auch der Blick in den Bereich Kultur und Theater, in der auf der einen Seite Menschen mit ungeheuren Machtbefugnissen über anderen stehen und damit ein System der Angst aufbauen. Auf der anderen Seite stehen zahlreiche Mitarbeitende in schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen, die weitere Abhängigkeiten hervorbringen. In der Hauptsache sind nach wie vor Frauen betroffen, wie ein Studie von Prof. Thomas Schmidt (Hochschule für Musik und darstellende Kunst) aufzeigt. Frau Gabrielle Schulz, stv. Geschäftsführerin im deutschen Kulturrat stellte den Dialogprozess „Respektvoll arbeiten und Kunst, Kultur und Medien“ vor. Hier wurden erste Schritte unternommen, Kodices und Handreichungen zu erstellen und weitere Maßnahmen zu ergreifen.

Studien, insbesondere in Themenbereichen, wie den der sexualisierten Gewalt, die mit einem gesellschaftlichen Tabu belegt werden und Betroffenen nicht geglaubt wird, legen das Ausmaß der unterschiedlichen Formen von Gewalt offen und deshalb sind sie so wichtig.  Frau Ksenia Meshkowa von der Hochschulde Fulda stellte unter anderem die Studie zum Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz – Lösungsstrategien und Maßnahmen zur Intervention, die im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erstellt wurde. Die Studie Uni – Safe zeigt auch, wieviel es im Bereich der Hochschulen und Universitäten noch zu tun gibt, um eine insbesondere für Frauen Diskriminierungsfreie Arbeits- und Studienumgebung zu schaffen. Auch hier gilt es genau hinzuschauen.

9% aller Beschäftigten wurden in den letzten drei Jahren an ihrem Arbeitsplatz sexuell belästigt. Die BASF in Ludwigshafen hat darauf reagiert, wie Julia Vincke, Vice President Security BASF Group, BASF SE, Ludwigshafen und Esther Richter, Leiterin berichten. Das Unternehmen hat eine Task Force gegen sexuelle Belästigung und Diskriminierung für das Werk eingerichtet,  welche z.B. durch Schulungen und Informationskampagnen 40.000 Mitarbeitende sensibilisiert, Betroffene anhört, Beschwerde- und Interventionsverfahren dazu entwickelt und die Prävention von sexualisierter Belästigung am Arbeitsplatz im letzten Jahr intensiv ausgebaut hat. Allein die Zahl der erreichten Mitarbeitenden hat einen gesamtgesellschaftlichen Impact, wenn es um eine Sensibilisierung gegen sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz geht. So es ist wichtig den Blick auch in andere Bereiche zu lenken und voneinander zu lernen.

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Auch die Arbeit der betrieblichen Gleichstellungsbeauftragten, die auf der Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) in jedem Betrieb sein müssen, kommt hier zum Tragen. Darüber berichtete Frau Doris Christians, Sprecherin für Chancengleichheit, Frauen und Familie im Bundesvorstand des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Auch, wenn es hierfür eine gesetzliche Grundlage gibt, ist die Umsetzung keine Selbstverständlichkeit.

Ein weiteres Thema, welches sich durchgezogen hat, ist das Stichwort: Nestbeschmutzer Wissenschaftler, Führungskräfte, Menschen in Unternehmen, Betroffene, die sich für die Prävention einsetzen, erleben oft hohe interne Widerstände, Benachteiligung und/oder Abwertung. Eine Veröffentlichung von Forschungsergebnissen oder die Information, dass ein Unternehmen z.B. eine Task Force einrichtet, eine Institution, eine Einrichtung, die sich mit der Prävention sexualisierter Gewalt beschäftigt, werden infrage gestellt, denn das Image nach außen könnte geschädigt werden. Dies zieht sich durch alle Bereiche. Es braucht immer wieder Menschen mit viel MUT aufzuklären!

Den Schlußpunkt der Tagung setze Frau Kerstin Claus, als UBSKM. Der Kinderschutz muss! nicht nur strukturell in den Kommunen und den Ländern noch besser verankert werden, sondern auch auf der europäischen Ebene gibt es kein Pendant zum Amt des/der UBSKM. Insbesondre im Bereich Schule gibt es noch viel zu tun. Dieser Bereich tut sich besonders schwer mit der Umsetzung von Präventionsmaßnahmen. Auch bleibt abzuwarten, ob die noch ausstehende Verabschiedung des Gesetzes zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen (UBSKM-Gesetz) noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird, oder ob es erst mit einer neuen Koalition kommt.

Die Fachtagung war eine Kooperation zwischen der Thomas-Morus-Akademie Bensberg, dem Institut für Prävention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt (IPA) und der Dr. AXE-Stiftung.

Text: Mary Hallay-Witte und Andreas Würbel

Fotos: TMA