HERBSTKINO – Spiritualität im Alltag
Wenn die Tage kürzer werden und das Licht sich verändert, entsteht Raum für Filme, die mehr sind als bloße Unterhaltung – Filme, die nach innen führen und Fragen stellen. Unsere Herbstkino-Reihe lädt ein, solche Werke neu zu entdecken.
Of Gods and Men (Von Menschen und Göttern) erzählt keine Heldengeschichte im klassischen Sinn – und gerade darin liegt seine Kraft. Der Film folgt einer Gemeinschaft von Trappistenmönchen in Algerien, die inmitten politischer Spannungen und wachsender Gefahr vor einer Entscheidung stehen: bleiben oder gehen? Kämpfen oder schweigen? Fliehen oder ausharren?
Was den Film so berührend macht, ist seine Langsamkeit. Statt dramatischer Konflikte zeigt er den Alltag: Gebet, Arbeit, Tee mit den Dorfbewohnern, brüderliche Gespräche – und die allmählich wachsende Angst. Die Bedrohung liegt wie ein Schatten über dem Kloster, und doch bleibt dort ein Raum der Würde. Nicht weil die Mönche keine Angst kennen, sondern weil sie sie nicht zum letzten Wort werden lassen.
Besonders eindrücklich ist die berühmte „Letzte Abendmahl“-Szene, in der Musik, Gemeinschaft und Stille ineinander greifen. Kein Wort wird gesprochen, und doch versteht man alles: Hingabe ist kein heroischer Akt, sondern eine stille, geteilte Entscheidung.
Of Gods and Men zeigt Spiritualität nicht als Rückzug, sondern als Beziehung – zu Gott, zu den Menschen, zum eigenen Gewissen. Der Film fragt: Was bedeutet es, an einem Ort präsent zu bleiben, obwohl alles dagegen spricht? Und wie viel Vertrauen braucht es, um nicht zu handeln – sondern zu bleiben?
Fazit:
Dieser Film ist eine Meditation über Treue und Menschlichkeit. Wer ihn sieht, wird nicht mit Antworten, sondern mit einer Haltung zurückgelassen: Präsenz als geistliche Form. Ein stilles, starkes Kinoerlebnis – und vielleicht einer der ehrlichsten Filme über Glauben, die je gedreht wurden.


Hans-Joachim Wagner 






