Worauf warten Sie… ?

Wenn die Welt sich so schnell dreht und die Ereignisse sich zu überschlagen scheinen, mutet die Frage nach dem „Worauf warten Sie?“ schon befremdlich an. „Keine Zeit zu warten, worauf denn auch?“ könnte die erste Antwort sein. Die Dinge passieren, sie verändern sich in einem fort. Informationen prasseln auf einen ein. Wir müssen interpretieren und reagieren. Wir sind zu beschäftigt, uns zu fragen, worauf wir warten. Keine Zeit nachzudenken.

Und doch warten wir. Müssen wir warten, Immer wieder, manchmal tagelang. Obwohl wir vermeintlich besseres zu tun hätten. Wir warten auf den Bus, eine E-Mail, den Postboten, den Arzttermin. Wir warten, weil wir noch nicht dran sind. Wieder stehen wir in der falschen Schlange. Keine Geduld. Keine Zeit zu warten.

Und dann diese Ohnmacht. So lange wir warten müssen, sind wir zum Nichtstun verdammt, zur Passivität. Es kommt zu Verzögerungen. Zusagen werden nicht eingehalten. Und dann ist das Ergebnis anders als erwartet, vielleicht sogar anders als ausdrücklich vereinbart. Umsonst gewartet. Wir sind auf andere angewiesen, auf ihre Kompetenz, ihre Zuverlässigkeit und Zuwendung. Andere haben keine Zeit für uns.

Manchmal warten wir, um Dinge einfach nur hinter uns bringen zu können. Eine Last oder eine Qual. Warten kann aber gerade auch das Gegenteil bedeuten. Dass etwas, was noch nicht ist, uns heute schon glücklich macht. Eine Urlaubsreise, ein Videochat, ein angekündigter Besuch oder die anstehende Geburt eines Kindes. Warten kann eine Zeit der Vorfreude sein.

Dabei kommt es oftmals weniger auf die Sache denn auf die Person an, auf die wir warten. Weil wir auf sie unsere Hoffnung setzen, weil wir uns auf sie verlassen können, weil wir wissen, dass sie uns gut tut. Weil mit ihr alles besser wird und wir die Herausforderungen nicht allein bestehen müssen. So wird Warten zu einer Zeit für Mut und Zuversicht.

Der Advent ist eine Zeit des Wartens – auf bessere Zeiten, auf Begegnung, auf Erlösung.

Und so warten wir auf den Impfstoff und das Ende der Corona-Pandemie,
dass wir einander auf Festen und Veranstaltungen, in Schulen und Unternehmen, im Bundestag und politischen Betrieb und auf der Straße wieder unbeschwert begegnen können,
dass es der Kirche gelingt, sich zu ihren Fehlern zu bekennen und nötige Reformen ernsthaft angeht,
dass wir die Nöte von Kindern und Familien ernster nehmen,
dass die Tage wieder länger werden …
Wir warten auf Weihnachten und freuen uns, beschenkt zu werden.
Jedes Jahr von Neuem. Alle Jahre wieder.

Bild von Dr. Tebroke: Manfred Esser

20. Dezember 2020 || ein Beitrag von Dr. Hermann-Josef Tebroke, Betriebswirt, Politiker der CDU und seit 2017 Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Rheinisch-Bergischer Kreis.

Von 2004 bis 2011 war Dr. Hermann-Josef Tebroke Bürgermeister der Gemeinde Lindlar und von 2012 bis 2017 Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises.