Wider die Ketzer – Die Gründung der dominikanischen und franziskanischen Hochschulen in Köln

Die früheste Entwicklung des Dominikaner- und des Franziskanerordens sowie deren Ansiedlung in Köln verlief fast zeitgleich. Im Jahre 1209 hatte der heilige Franziskus (1180/81 bis 3. Oktober 1226) seine „Minderen Brüder“ zu einem Orden zusammengeschlossen. Die Gründung der Gemeinschaft der Predigerbrüder durch den heiligen Dominikus (um 1170 bis 6. August 1221) erfolgte sechs Jahre später. Im selben Jahr 1221 waren dann beide Gemeinschaften erstmalig in Köln. Erzbischof Engelbert I. von Berg hatte ihre Niederlassung gegen den Widerstand des Kölner Domkapitels gefördert. Die Domherren sahen sich zu Recht von beiden Gemeinschaften ob ihrer vornehmen Lebensart provoziert. Denn Dominikaner und Franziskaner verband das Mendikantentum. Beide Orden lebten von den Almosen der Gläubigen und standen damit in scharfem Kontrast zu den zahlreichen in Köln ansässigen Klöstern und Stiften. Armut und Askese waren geradezu ein Angelpunkt bei der Gründung beider Orden, doch in je unterschiedlicher Intention.

Historischer Hintergrund für die Gründungen der Franziskaner und Dominikaner waren die vor allem in Südfrankreich, aber auch in Italien, Spanien und Römischem Reich aktiven Katharer (= Albigenser). Deren fundamentalistische, aus einer dualistischen Auffassung von guter Welt des göttlichen Reichs versus bösem irdischen Prinzip sich legitimierende Bewegung lehnte beispielsweise die Geltung des Alten Testaments, weil als Schöpfung einer grundsätzlich satanischen Welt verstanden, vollständig ab. Gegen den Antijudaismus der Katharer hatte schon 100 Jahre zuvor Bernhard von Clairvaux gepredigt. Bernhard hatte auf die fundamentale Bedeutung des Alten Testaments gegenüber den Evangelien im Verhältnis von Erfüllung (NT) und Verheißung (AT) hingewiesen.

Mit ihrer Ablehnung alles Weltlichen und damit der Ablehnung auch aller menschlichen Schöpfungen einschließlich der Liturgien und Gebete der Kirche standen die Katharer in Fundamentalopposition zu Rom und zu den weltlichen Mächten. Ihre radikal-asketische Lebensweise aber gab ihnen innerhalb der mittelalterlichen Ständegesellschaft, die zumeist aus Recht- und Mittellosen bestand, große Überzeugungskraft und beschied ihnen weit verbreitete Sympathien. Für Klerus und Adel aber waren sie zu einer Bedrohung geworden.

Und genau hier setzten die frühen Bettelorden an. Auch sie lebten und predigten Armut. Sie machten sich abhängig von Zuwendungen aus der Bevölkerung und ordneten sich damit materiell sogar dem dritten Stand unter. Auf diese Weise bekamen auch sie schnell Zulauf und Akzeptanz, aber ohne, dass sie Macht und Autorität der kirchlichen und weltlichen Instanzen in Frage stellten. Das Irdische lehnten sie nicht ab. Der Lobpreis der Schöpfung im Sonnengesang des heiligen Franziskus kann geradezu als Gegenprogramm zum Entsagertum und zum materialistischen Nihilismus der Katharer verstanden werden. War aber nun die arme Lebensweise den Franziskanern ein essentieller Wert, so war sie für die Dominikaner eher Mittel zum Zweck. Dominikus wollte die Menschen vor allem über die Irrlehren der Katharer unterrichten und damit die Lehren der Kirche verteidigen. Dazu brauchte er die Nähe zum Volk. Zunächst also suchte er im Gefolge einer Gruppe von Zisterzienseräbten als Wanderprediger die Menschen vom rechten Weg zu überzeugen. Die Zisterzienser hatten sich dazumal im Auftrag von Papst Innozenz III. zur antikatharischen Mission aufgemacht. Da aber das feudale Auftreten der Äbte nicht den gewünschten Erfolg zeigte, entschied sich Dominikus für einen alternativen, den Weg des armen Predigers. Die ausgesprochen intellektuelle und kirchen-apologetische Ausrichtung der Dominikaner schützte sie bald davor, selbst als „Katharer“, das heißt: als „Ketzer“ angesehen zu werden. Den pragmatisch orientierten Franziskanern, die wie die Katharer mit Kritik am Reichtum der Kirche und des Adels nicht sparten, erging es in ihren frühen Jahren durchaus anders. Die „römische“ Intellektualität der Dominikaner erklärt aber auch deren spätere unrühmliche Rolle bei der Inquisition.

Die Gründung des Kölner Dominikanerkonvents erfolgte auf persönliche Veranlassung durch Dominikus. Dieser hatte 1221 einige Predigerbrüder aus Bologna – dort befand sich die älteste, 1088 gegründete Universität des Abendlands – an den Rhein gesandt. Damit war Köln neben Friesach in Kärnten die erste dominikanische Ordensniederlassung im deutschsprachigen Raum. Mit der Niederlassung wurde sofort auch die Einrichtung einer Predigerschule betrieben. Im Jahre 1223 oder 1229 berief Dominikus‘ Nachfolger im Amt des Ordensgeneralissimus, Jordan von Sachsen, Albert von Lauingen als Lektor an die Kölner Schule. Als Albertus Magnus gründete dieser 1248 das Studium generale der Kölner Dominikaner und damit die erste „echte“ Hochschule in dieser Stadt und gleichzeitig die institutionelle Vorläuferin der 140 Jahre später gegründeten Universität zu Köln. Köln war somit einer der Hauptaktionsplätze des im 13. Jahrhundert europaweit von den Dominikanern dominierten Hochschulwesens. Neben der Pariser Universität an der Sorbonne, wo sie als einzige dauerhaft zwei, statt wie die übrigen Orden einen Lehrstuhl beanspruchen konnten, und welche Vorbild für alle übrigen theologischen Fakultäten war, bauten die Dominikaner vier eigene Hochschulen auf. Neben Köln waren dies Montpellier, Bologna und Oxford. Überregionale, und man darf sagen: für das europäische Geistesleben epochale Bedeutung kam Köln durch die Berufung Alberts zum Studienleiter zu. Mit Albert und seinem Schüler Thomas von Aquin fand die mittelalterliche Hochscholastik ihren Anfang und durch letzteren ihren unbestreitbaren Höhepunkt. Im 14. Jahrhundert ist die Kölner Dominikanerschule mit Meister Eckhardt und dessen Schülern Heinrich Seuse und Johannes Tauler ein Zentrum der mittelalterlichen deutschen Mystik.

Waren die Gründung von Kloster und Ordenshochschule für die Dominikaner eines, so waren die primär mit der praktischen Seelsorge beschäftigten Franziskaner fast 40 Jahre in Köln, bevor sie ein eigenes Studium generale gründeten. Erst mit Vollendung und Weihe des Chorbaus ihrer heute noch bestehenden Klosterkirche St. Mariä Empfängnis geschah dies. Überregionale und in puncto Mariologie sogar bis heute gültige Bedeutung erlangte die Kölner Franziskanerhochschule 1307 mit der Berufung des Johannes Dun Scotus. Die Gründung der Kölner Universität – die erste städtische Universitätsgründung überhaupt(!) – erfolgte 1388. Inwiefern dies um die Ecke herum, lanciert durch die romtreuen Kölner Dominikaner geschah, mag Inhalt eines weiteren Beitrags werden.

Bilderverzeichnis:

  • Der heilige Dominikus lässt katholische und katharische Schriften ins Feuer werfen. Die Schriften der Katharer verbrennen, die katholischen steigen gen Himmel.
  • Fra Angelico: Dominikus, San Marco, Florenz
  • 1228 entstand das älteste erhaltene Bild des heiligen Franziskus, Sacro Specio, Subiaco
  • Die Kölner Dominikaner-Klosterkirche Heilig Kreuz mit dem von Albertus Magnus gestifteten gotischen Chorbau. Links ist angeschnitten die Kirche des St. Andreas-Stiftes zu sehen, bei denen die Dominikaner 1221 zunächst Aufnahme gefunden hatten. (aus dem Mercator-Plan von 1571)
  • Albertus Magnus als Bischof und Lehrer

Alle im Text verwendeten Bilder sind gemeinfrei.

8. August 2020 || ein Beitrag des Kunsthistorikers und Germanisten Markus Juraschek-Eckstein