Von feinen Schlössern und kleinen Häusern : Virtueller Salon Schloss Türnich

Es herrscht Trockenheit, in mancherlei Hinsicht. Die Niederschläge der letzten Wochen und Monate sind erschreckend gering ausgefallen, während das Jahr bereits jetzt das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen ist. Meteorologen erwarten einen weiteren Hitze-Sommer. Aber auch das kulturelle Leben droht auszutrocknen, da Veranstaltungen allenfalls unter strengen Hygieneauflagen durchgeführt werden dürfen. Anders als beim Klima zeigt bei der Kultur die menschliche Kreativität jedoch unmittelbar Wirkung. Dies lässt sich exemplarisch an einem märchenhaften Ort im Rheinland erfahren: Schloss Türnich. Das Anwesen, bestehend aus Herrenhaus und Vorburg, Kapelle und Mühle, liegt mitsamt französischem Garten und Landschaftspark inmitten der Erftaue.

Die unterirdische Trockenheit und ihre Folgen
Leider ist jedoch das zwischen 1757 und 1766 erbaute barocke Herrenhaus seit 1979 unbewohnbar, was wiederum mit der Trockenheit zu tun hat: Bedingt durch den rheinischen Braunkohleabbau sank der Grundwasserspiegel um zwei Meter, wodurch das Gebäude kippte und seither gestützt werden muss. Die Familie von und zu Hoensbroech, deren Vorfahren das Anwesen 1850 kauften, wohnt heute in der Vorburg und dem sogenannten „Schwedenhaus“, einem Nebengebäude in Holzbauweise. Sie hat sich schon seit vielen Jahren dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben. So legte der Schlossherr, Godehard Graf von und zu Hoensbroech, einen biologisch-dynamischen Obstgarten an, der 1994 als Demeter-Betrieb anerkannt wurde. Sein Sohn Severin von Hoensbroech zog 2012 mit Frau Anja und den Kindern nach Türnich, um das 54 Hektar große Anwesen in „eine Art Phantasialand für Nachhaltigkeit“ zu verwandeln.

Trockenheit durch den Klimawandel
Anfang des Jahres erläuterte Severin von Hoensbroech seine Vorstellung von einer naturnahen und zukunftsfähigen Landwirtschaft in einem Interview mit dem Sender phoenix. Ein großes Problem für das Schloss und seine Bewohner ist die Trockenheit, die mit dem Klimawandel einhergeht. Der Dürre der beiden letzten Sommer sind nicht nur einige Buchen im Schlosspark zum Opfer gefallen. Erst kürzlich musste eine alte Linde in der prachtvollen Allee des Schlosses gefällt werden. Vor diesem Hintergrund erfährt der Einsatz der Familie Hoensbroech für eine nachhaltige Wirtschaftsweise eine eindrückliche Relevanz und wird die Verve verständlich, mit der Severin von Hoensbroech zum Umdenken auffordert.

Kulturelle Trockenheit in Zeiten von Corona
Eine Herausforderung ganz anderer Art bringt die Corona-Pandemie für das kulturelle Leben auf Schloss Türnich mit sich. Am letzten Freitag im Monat laden Anja und Severin von Hoensbroech gemeinsam mit der Architektin Wibke Schäffer traditionell zum Türnicher Salon. Das Spektrum dieser Veranstaltungsreihe ist sehr breit und reicht von Jazz- und Heinz-Erhardt-Abenden bis zu Poetry-Slams und Vorträgen über Achtsamkeit. Weil es auch dieses Format unter Corona-Bedingungen schwer hat, verlegte das Team die Salons ins Internet.

In einer ersten Folge geht es um den Wohntrend der „Tiny Houses“ genannten Mini- und Mikrohäuser. Diese Behausungen mit sehr kleiner Wohnfläche von maximal 30 Quadratmetern verlangen von ihren Bewohnerinnen und Bewohnern einen stark reduzierten Lebensstil, der mit wenigen Dingen auskommt. Im Gespräch mit Severin von Hoensbroech erläutern Architektin Wibke Schäffer und Designer Moritz Zielke, auch bekannt als „Momo Sperling“ aus der Lindenstraße, gestalterische, technische und rechtliche Aspekte des Wohnens auf kleinstem Raum. Das Gespräch wurde live gesendet, ist aber auch nachträglich im neuen YouTube-Kanal von Schloss Türnich verfügbar. Technisch ist noch etwas Luft nach oben, aber die launige Runde macht Lust auf mehr und lässt hoffen, dass der Salon bald wieder in den Räumlichkeiten von Schloss Türnich stattfinden kann.

Bilder:
Schloss Türnich um 1860, Sammlung Alexander Duncker. Bild: Christian Hohe auf Wikipedia, gemeinfrei
Schloss Türnich heute. Bild: A.Savin (Wikimedia Commons, WikiPhotoSpace) / FAL
Tiny Houses in Portland, Oregon. Bild: DanDavidCook auf Wikipedia, (CC BY-SA 4.0)

3. Juni 2020 || empfohlen von Dr. Matthias Lehnert, Referent Forum: PGR