Aufbruch! Den Frühling im Bergischen Land erleben – Einladung zu einer spirituellen Wanderung rund um Odenthal

Mit großartigen Fernblicken auf Köln und das Rheinland beeindruckt der Wanderweg ebenso wie mit abwechslungsreichen Wegen zwischen den Tälern und Höhenzügen des Bergischen Landes rund um Odenthal. Fortwährend führt dabei der Frühling vor Augen, wie durch ihn die Welt neu wird, welche Kraft für Aufbruch und Neubeginn in ihm steckt – Kraft, die auch wir Menschen fühlen und nutzen können. So eröffnet jede Wegkreuzung eine neue Perspektive auf die Natur, unterschiedliche Licht- und Wetterverhältnisse akzentuieren die Eindrücke und ermöglichen einen ganz persönlichen Zugang zu ihr. Sich dabei erfüllen zu lassen – dafür braucht es oft nicht mehr, als wach und aufmerksam durch die Welt zu gehen …

Mit diesem Text habe ich noch vor wenigen Wochen eine „Spirituelle Wanderung“ im Bergischen Land angekündigt. Da ich selbst der Natur und der (sportlichen) Betätigung in ihr sehr verbunden bin, ist für mich diese besondere Angebotsform seit einigen Jahren immer eine großartige Gelegenheit, Naturerfahrung und Spiritualität miteinander zu verbinden. Denn mit kleinen Übungen, beim Gehen in Stille oder unterstützt durch kurze Texte gelingt es oft leichter, einen neuen Zugang für das scheinbar Bekannte zu finden, es sich neu bewusst zu machen. Lassen Sie sich überraschen, was Sie bei genauem Hinsehen alles entdecken können!

Denn auch wenn ein Weg bereits viele Male gegangen wurde, erhält er doch einen neuen Akzent, sobald der Weg selbst und seine Kontexte in den Mittelpunkt der Betrachtung und des persönlichen Erlebens rücken. Wenn Farben, Formen, Düfte und Geräusche aufmerksam aufgenommen werden. Wenn Stille herrscht – außen und innen. Wenn der Geist zur Ruhe kommt und das Kulturwesen Mensch wieder die Seite des Naturwesens an sich entdeckt. Wenn die Landschaft in ihrer ganzen Erhabenheit und selbst Wildheit die oder den Wandernden umfasst.

Aus bekannten Gründen kann die Spirituelle Wanderung am 8. Mai nicht stattfinden. Aber Sie haben nun die Gelegenheit, die geplante Route mit ihren knapp neun Kilometern und etwa 300 Höhenmetern in ca. 2,5 Stunden selbst zu erwandern! Sie starten die Wanderung am Besten in Odenthal und gehen sie im Uhrzeigersinn. In Odenthal finden Sie am Ortsrand, Richtung Voiswinkel, einen Wanderparkplatz sowie weitere Parkmöglichkeiten unweit des Schulzentrums. Um es sich gut gehen zu lassen: Dazu bietet sich bei dieser Wanderung auch eine überraschende Gelegenheit. Neben der „Milchtankstelle Büchel“ steht nämlich seit einigen Jahren der Food-Truck „Affemia“, der seinen Gästen stilvoll Kalt- und Heißgetränke sowie leckere (!) Crêpes offeriert. Im Zuge der Corona-Krise ist das Angebot eingeschränkt, aber immer noch höchst willkommen während einer Wanderung.

Einige Texte mögen Ihnen als Inspiration dienen, nehmen Sie diese doch gerne auf dem Smartphone oder auch ausgedruckt mit. Nehmen Sie sich eine Auszeit vom Alltag, gehen Sie bedächtig, in Ihrem eigenen Rhythmus. Spüren Sie den Wind auf Ihrer Haut und die warmen Strahlen der Sonne, ertasten Sie den Waldboden durch die Sohlen Ihrer Schuhe. Lassen Sie es sich gut gehen – das wünsche ich Ihnen!

Noch ein Hinweis zu Ihrer Sicherheit: Der Weg geht zum größten Teil über geschotterte Waldwege oder asphaltierte Abschnitte. Insbesondere nach einer längeren Regenperiode können einige steilere Abschnitte aber auch rutschig werden. Bitte achten Sie deshalb auf festes Schuhwerk!

8. Mai 2020 || von Dr. Michael Hartlieb, Akademiereferent Theologie und Philosophie

[osm_map_v3 map_center="51.0238,7.1403" zoom="14.036342642580582" width="100%" height="450" file_list="https://tma-bensberg.de/wp-content/uploads/2015/10/rundgang-bei-odenthal-ueber-scherfbach-und-dhuenn.gpx" file_color_list="#000000" control="fullscreen" file_title="rundgang-bei-odenthal-ueber-scherfbach-und-dhuenn.gpx"]

Hier können Sie den gpx-Track für Ihr Navigationsgerät herunterladen:

Wanderung um Odenthal

Ich glaube, dass die Landschaft einen tiefen Eindruck auf uns machen kann,

wenn wir ihr erlauben, uns zu bewegen und uns ins Herz zu treffen,

in den Sitz unseres Wesens. Ich glaube, dass Landschaft heilen kann.

Ich kann mir vorstellen,

dass ein Psychotherapeut einem Klienten eine Landschaft verschreibt:

drei Wochen Wüste, um in der Weite verlorenzugehen

und so sich selbst in sich wiederzufinden.

Zwei Wochen Hochgebirge ohne besonderes Programm,

einfach nur, um die Großartigkeit der Welt, ihr Emporstreben wahrzunehmen

und sich mitreißen zu lassen – eine Art Verlassen der Grau-in-Grau-Zone.

Drei Wochen Meer mit sehr hohem Tidenhub

(etwa am Bay of Fundy in Nova Scotia, wo zwischen Ebbe und Flut ein Unterschied von fünfzehn Metern ist),

mit der Auflage, auf die Gezeiten zu achten,

um einen anderen Rhythmus in sich zu entwickeln.

Um das zu erleben, dürfen wir die Landschaft nicht mehr konsumieren,

sondern müssten ihr erlauben, uns tief zu betreffen.

Jede Landschaft hat das Potential,

uns zu einer wesentlichen Seite unseres Wesens zu führen.

Ulrich Schaffer, Autor

Auf der Suche nach der wirklichen Wirklichkeit

„Laßt uns danach streben, bisweilen einen Tag unsres Lebens mit derselben Überlegung zu verbringen wie die Natur, und nicht durch jede Nußschale oder durch einen Mückenflügel, der auf unserm Pfade liegt, aus dem Geleise gebracht zu werden. Wir wollen früh aufstehen und fasten, oder frühstücken ruhig und ohne Störung. Besucher mögen kommen, Besucher mögen gehen, die Glocken mögen läuten und die Kinder schreien – wir wollen gern auf solche Weise den Tag verleben.

Warum sollen wir die Waffen strecken und mit dem Strome schwimmen? Laßt uns nicht untergehen und ertrinken in jenem schrecklichen Strudel, in jener Untiefe zur Mittagszeit, die man »diner« nennt! Entreiße Dich dieser Gefahr und Du bist gerettet, denn der übrige Weg geht hernach bergab! Mit Nerven von Stahl und mit der Kraft der Jugend fahre an dieser Klippe vorbei, sieh nach der andern Seite, an den Mast gebunden wie Odysseus. Wenn die Lokomotive pfeift, laß sie pfeifen, bis sie heiser wird. Wenn die Glocke tönt, warum sollen wir laufen? Wir wollen lieber darüber nachdenken, was das eigentlich für eine Musik ist. Wir wollen mit uns selber ins Reine kommen, uns mutig einen Weg bahnen durch den Dreck und Kot der Meinungen, der Vorurteile und der Tradition, der Täuschung und des Scheins, durch jene Schlammschicht, die den Erdball bedeckt, durch Paris und London, Newyork, Boston und Concord, durch Kirche und Staat, durch Poesie, Philosophie und Religion, bis wir auf hartem, felsigen Grund an einen Ort gelangen, den wir »Wirklichkeit« nennen und von dem wir sagen können: »Das ist, und ein Irrtum ist ausgeschlossen«.

Ralph Waldo Emerson

Stille und Einsamkeit als Glück

„Ich halte es für gesund, die meiste Zeit allein zu sein. Gesellschaft, selbst mit den Besten, wird bald langweilig und zerstreuend. Ich liebe die Einsamkeit. Nie fand ich einen Kameraden kameradschaftlicher als die Einsamkeit. Wir sind meistens einsamer, wenn wir zwischen Menschen umhergehen, als wenn wir in unsern Zimmern bleiben. Ein Mensch ist immer allein, wenn er denkt oder arbeitet, sei es wo er wolle. Einsamkeit wird nicht nach den Meilensteinen gemessen, die sich zwischen uns und unsern Mitmenschen befinden. Der wirklich fleißige Student, der zu Cambridge in einem der vollgepfropften Bienenstöcke lebt, ist so einsam wie der Derwisch in der Wüste. Der Landwirt kann den ganzen Tag auf den Feldern oder in den Wäldern allein Holz hacken oder Bäume fällen und sich doch nicht einsam fühlen, weil er beschäftigt ist. Kommt er aber abends nach Haus, dann mag er nicht allein in seinem Zimmer sitzen, sich der Willkür seiner Gedanken überlassen, sondern es treibt ihn dahin, wo er »Leute sehen«, sich erholen und sich – seiner Ansicht nach – für des Tages Einsamkeit entschädigen kann. Und darum wundert er sich, daß der Gelehrte, ohne Langeweile oder melancholische Anwandlungen zu haben, zu Hause sitzen kann. Er vermag natürlich nicht zu begreifen, daß der Gelehrte, obschon er zu Hause bleibt, doch bei der Arbeit auf seinem Felde ist, wie ein Landwirt Holz hackt in seinem Walde, daß er für seine Person die gleiche Erholung und Gesellschaft aufsucht wie der Farmer, wenn auch vielleicht in etwas konzentrierterer Form.“

Henry Thoreau

Die heilende Kraft der Natur

„Die unbeschreibliche Unschuld und Güte der Natur – Sonne, Wind und Regen, Sommer und Winter – gewähren immerdar solch gute Gesundheit und solchen Frohsinn, sie haben so viel Mitgefühl mit dem Menschengeschlecht, daß die Allnatur trauern, der Sonne Glanz erbleichen, die Winde wie Menschen seufzen, die Wolken Tränen regnen, die Wälder ihre Blätter abwerfen und im Hochsommer Trauer anlegen würden, wenn je ein Mensch wahrhaft Ursache hätte, traurig zu sein. Soll ich nicht mit der Erde im Einvernehmen sein? Bin ich selbst nicht zum Teil Blätter und Pflanzenerde?
Was ist das für eine Arznei, die uns glücklich, heiter und gesund erhält? Nicht die Deines oder meines Urgroßvaters, sondern die unserer Urgroßmutter Natur. Ihr Universalheilmittel, durch welches sie sich selbst jung erhielt, durch dessen Kraft sie manchen Hundertjährigen überlebte, um aus seinem morschen Gebein neue Kraft zu sammeln, entströmt Feldern und Wäldern. Statt jener Quacksalberflasche mit Mixtur aus dem Acheron oder dem Toten Meere, die man aus den langen, flachen, schwerbehangenen, schiffartigen Wagen nimmt, welche bisweilen zum Flaschentransport benutzt werden, soll mein Allheilmittel ein Trunk unverdünnter Morgenluft sein. Morgenluft! Wenn die Menschen davon nicht trinken wollen am Urquell des Tages, dann müssen wir auch sie auf Flaschen ziehen und in den Läden verkaufen zum Besten derjenigen, die ihre Abonnementskarte »für Morgenluft auf dieser Welt« verloren haben. Doch darf man Eines nicht vergessen: diese Morgenluft hält sich selbst im kühlsten Keller nicht bis zum Mittag, sondern treibt den Pfropfen von der Flasche und eilt nach Westen, Auroras Spuren folgend.“

Henry Thoreau

Prinz Vogelfrei

So hang ich denn auf krummem Aste
Hoch über Meer und Hügelchen:
Ein Vogel lud mich her zu Gaste –
Ich flog ihm nach und rast‘ und raste
Und schlage mit den Flügelchen.

Das weisse Meer ist eingeschlafen,
Es schläft mir jedes Weh und Ach.
Vergessen hab‘ ich Ziel und Hafen,
Vergessen Furcht und Lob und Strafen:
Jetzt flieg ich jedem Vogel nach.

Nur Schritt für Schritt – das ist kein Leben!
Stets Bein vor Bein macht müd und schwer!
Ich Lass mich von den Winden heben,
Ich liebe es, mit Flügeln schweben
Und hinter jedem Vogel her.

Vernunft? – das ist ein bös Geschäft:
Vernunft und Zunge stolpern viel!
Das Fliegen gab mir neue Kräfte
Und lehrt‘ mich schönere Geschäfte,
Gesang und Scherz und Liederspiel.

Einsam zu denken – das ist weise.
Einsam zu singen – das ist dumm!
So horcht mir denn auf meine Weise
Und setzt euch still um mich im Kreise,
Ihr schönen Vögelchen, herum!

Friedrich Nietzsche, aus: Idyllen aus Messina

Alle Fotos (c) Michael Hartlieb