Thich_Nhat_Hanh_zu seinem Tod-Mehr im Blog der Akademie

Sonntagsworte aus der Akademie

Ein hoch verehrter, weltweit anerkannte buddhistische Mönch und Lehrer ist letzte Woche Samstag, am 22. Januar 2022 in der vietnamesischen Stadt Hue gestorben. Der Zen-Meister Thich Nhat Hanh wurde 95 Jahre. Der Dalai Lama würdigte ihn in einer Botschaft als «Freund und spirituellen Bruder». Thich Nhat Hanh habe mit den Menschen Achtsamkeit und Mitgefühl geteilt und ihnen so gezeigt, wie innere Ruhe zum Weltfrieden beitragen könne. «Der Ehrwürdige hat ein wirklich bedeutsames Leben gelebt.»

Thich Nhat Hanh, der am 11. Oktober 1926 in der Region Annam, Französisch-Indochina geboren wurde, lebte seit seinem 16. Lebensjahr als Mönch, studierte und lehrte später in den Vereinigten Staaten, wirkte ab 1964 in Vietnam, begründete mit anderen die „Vereinigten Buddhistischen Kirchen von Vietnam“, die später im Vietnamkrieg die Zivilbevölkerung unterstützende „Schule der Jugend für Soziale Dienste“ hervorbrachte, gründete den Tiep-Hien-Orden, traf Martin Luther King1966, der Thich Nhat Hanh zum Friedensnobelpreis vorschlug. 1969 gründete Thich Nhat Hanh in Paris die „Vereinigte Buddhistische Kirche“ und setzte sich als Vertreter des „engagierten Buddhismus“, als der er sich immer verstand, vehement für den Frieden in seinem Land ein. Die südvietnamesische Regierung erklärte ihn daraufhin zur „persona non grata“. Thich Nhat Hanh musste im Exil bleiben, schrieb unter einem Pseudonym weiter Bücher und wirkte aus Europa: Er gründete 1971 eine Landkommune südlich von Paris und 1982 östlich von Bordeaux „Plum Village“, wo regelmäßig buddhistische Exerzitien und Seminare stattfinden, zu denen tausende von Menschen aus der ganzen Welt kommen. Er gründete weitere Zentren und Klöster in den USA, Australien und Thailand.

2005 kehrte Thich Nhat Hanh nach 39 Jahren zum ersten mal wieder in seine Heimat zurück und hielt Vorträge und Exerzitien im ganzen Land. 2008 gründete er in der Marktstadt Waldbröl, die in der Nähe von Köln im Oberbergischen Kreis liegt, das EIAB (European Institute of Applied Buddhism, Europäisches Institut für angewandten Buddhismus). Dort nehmen viele tausend Besucher aus 35 europäischen Ländern jährlich an Kursen teil.

Bis 2014 reiste Thich Nhat Hanh durch die ganze Welt, unterrichtete die Menschen und schrieb über 100 Werke. Seine Lehre findet sich dargelegt im „Vorrang der Praxis“ und in der Bedeutung der „Achtsamkeit“ (das voll und ganz in der Gegenwart leben), im Begriff des „Interbeings“ (des Eingebettetetseins aller Dinge in Beziehungen unter Bedingungen) und in der von ihm formulierten Ethik.

Nach einem Schlaganfall 2014 kehrte Thich Nhat Hanh Ende 2018 nach Vietnam zurück. Er teilte seinen Schülern mit, er wolle seine restliche Lebenszeit im Kloster Tu Hieu in der Stadt Hue verbringen, wo er zum Mönch ordiniert worden war. Hier starb Thich Nhat Hanh, der von seinen Schülern «Thay» (Lehrer) genannt wurde, gestern vor einer Woche. Trauer- und Beerdigungszeremonien wurden weltweit übertragen und mit großer Trauer, viel Aufmerksamkeit und Gebet begleitet.

Mit großem Dank für seine Worte und tiefem Respekt vor seinem Lebenswerk habe ich für diesen Sonntag 4 Texte von Thich Nhat Hanh ausgesucht:

VERSTEHEN

„Wenn du Salat anpflanzt und er nicht gut wächst, gibst du nicht dem Salat die Schuld. Du suchst nach Gründen, warum er nicht gut wächst. Vielleicht braucht er Dünger, mehr Wasser oder weniger Sonne. Du gibst nie dem Salat die Schuld. Doch wenn wir Probleme mit unseren Freunden oder unserer Familie haben, geben wir der anderen Person die Schuld. Aber wenn wir es wissen, wie wir uns um sie kümmern, werden sie gut wachsen, wie der Salat. Schuldzuweisungen haben keine positive Wirkung, genauso wenig wie der Versuch, mit Vernunft und Argumenten zu überzeugen. Das ist meine Erfahrung. Keine Vorwürfe, keine Argumente, nur Verständnis. Wenn du verstehst und zeigst, dass du verstehst, kannst du dich lieben, und die Situation wird sich ändern“

EINE ÜBUNG

„Es gibt das Missverständnis, dass der Buddhismus eine Religion ist und dass man Buddha verehrt. Der Buddhismus ist eine praktische Übung, wie Yoga. Man kann Christ sein und den Buddhismus praktisch üben. Ich habe einen katholischen Priester gefunden, der in einem buddhistischen Kloster in Frankreich lebt. Er sagte mir, dass der Buddhismus ihn zu einem besseren Christen macht. Das liebe ich.“

SEIN

„Wir neigen dazu, in Begriffen des Tuns und nicht in Begriffen des Seins zu denken. Wir denken, wenn wir nichts tun, verschwenden wir unsere Zeit. Aber das ist nicht wahr. Unsere Zeit ist in erster Linie dazu da, um zu sein. Was zu sein? Lebendig zu sein, friedlich zu sein, fröhlich zu sein, liebevoll zu sein. Und das ist es, was die Welt am meisten braucht.“

DIE FÜNF GEWISSHEITEN

Es ist der natürliche Verlauf, dass ich altern werde. Es gibt keinen Weg, dem Altern zu entgehen.

Es ist der natürliche Verlauf, dass ich erkranken werde. Es gibt keinen Weg, dem Krankwerden zu entgehen.

Es ist der natürliche Verlauf, dass ich sterben werde. Es gibt keinen Weg, dem Sterben zu entgehen.

Es ist der natürliche Verlauf, dass alles woran ich hänge, und alle die mir lieb sind, sich verändern. Es gibt keinen Weg, dem Getrenntwerden von ihnen zu entgehen.

Meine Handlungen mit Körper, Rede und Geist sind mein einzig wirkliches Erbe. Den Folgen meiner Handlungen kann ich nicht entgehen. Meine Handlungen sind der Boden auf dem ich stehe.

Unsere Empfehlung für Sie:

Erinnerung an Thich Nhat Hanh auf WDR 5

Bildnachweis:

d nelson, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

30. Januar 2022 || ein Beitrag von Karin Dierkes, Akademiereferentin für Theologie und Philosophie

Dierkes Karin - Referentin für Theologie und Philosophie