Besuch bei den Pflanzenmenschen – Ren Rong, ein global artist

Wer zum ersten Mal Werken des chinesischen Künstlers Ren Rong begegnet, reibt sich die Augen. Da sieht man Themen, Formen, Formate und Techniken, die den Blick in künstlerische, handwerkliche und vor allem auch spirituelle Hintergründe freigeben. Wer ist dieser Künstler, dessen Bilder und Skulpturen auch in Deutschland viel präsentiert werden? Nun, er wohnt und arbeitet sozusagen nebenan, in einem 1896 erbauten ehemaligen „Logirhaus“ in Bonn-Mehlem, das von ihm 2007-2013 zu seinem Wohn-, Ausstellungs- und Atelierhaus renoviert wurde. Ein ansprechendes Ambiente für Mensch und Kunst.

© Ren Rong

Ren Rong (geboren 1960 in Nanjing/Volksrepublik China) studierte zunächst an der Kunstakademie Nanjing und 1989-92 an den Kunstakademien Düsseldorf und Münster. Seither ist er freischaffend in Bonn und mit eigenem Atelierhaus auch in Peking. Ein bewegtes Leben zwischen zwei Kulturräumen. Er zählt zu den weltweit bekanntesten Künstlern Chinas.

Wie viele chinesische Künstler strebte er früh schon in die westliche Welt und stieß hier auf die Neugier und das besondere Interesse von Kunstliebhabern und Sammlern an der Kunst Ostasiens. Nun begegnete er als Neunundzwanzigjähriger der westlichen Moderne und verschmolz Elemente beider Kunstwelten zu fantasievollen Formen. In seiner unverwechselbaren Formensprache verbindet Ren Rong Menschliches und Vegetabiles zu Metaphern des Kreatürlichen und damit des Prinzips Leben. Das Thema „Pflanzenmensch“ ist eine geistreiche und sinnliche Bilderfindung, dessen Radius der Formen und Assoziationen unbegrenzt scheint. Es läuft sich nicht tot, sondern wird immer aktueller.

Hinter diesem Thema und Motiv steht etwa die zweitausendjährige chinesische Naturphilosophie mit ihrer Suche nach universellen Seins-Zusammenhängen und der Vorstellung vom Weltganzen, dem Dao. Aber auch die Fünf Elemente-Lehre (Wasser, Feuer, Holz, Metall und Erde) spielt dabei eine Rolle. Auf dieser Grundlage fand Ren Rong nach seiner sozio-realistischen Phase in Nanjing als schlüssige Form den „Pflanzenmensch“, sein bevorzugtes Motiv.

Er verbindet den menschlichen Ganzkörper oder dessen Details mit unterschiedlichen Pflanzenformen zu einem jeweils eigenen Organismus. Er macht das in Groß und Klein, ruhig oder bewegt, mit einzelnen oder mehreren Individuen, in vielen Materialien von Papier und Holz bis zu Stahl und Edelmetall. Da sind unendlich viele Kombinationen von Kopf, Gliedmaßen, Pflanzen und Tieren zu bestaunen, und es geht stets um das Sprießen als Zeichen des Lebens. Da wachsen Körper aus Pflanzen und Pflanzen aus Körpern, Beine und Arme bewegen sich wie Zweige oder Stämme. Immer tragen die Werke auch einen ornamentalen Charakter, mitunter sind es zwei Geschlechter in einem, mal erzählend, mal symbolisch. Jedes Werk ist anders, es gibt keine Wiederholung.

Es fällt auf, dass die in der Eisenschnitt-Technik geschaffenen Skulpturen zwar den Umraum einbeziehen, aber nicht wirklich dreidimensional sind. Das hat damit zu tun, dass Ren Rong sich hier an der chinesischen Tradition des Schattenspiels, der Scherenschnitte und Schattenrisse orientiert, die vor allem an Neujahr in und an den Häusern gepflegt wird. So umfasst das Schaffen des Künstlers beim Thema „Pflanzenmensch“ auch die anspruchsvolle Technik des Papierschnitts. Ren Rongs Formensprache ist abstrahierend, nicht abstrakt. Sie lässt stets erkennen, um was es sich handelt und wohin Form und Inhalt zielen. Auffallend ist ein fröhlicher und beschwingter Unterton, seine Papierschnitte in kleinen und sehr großen Formaten sind aufmunternd und geistig anregend, sie sind assoziativ und ästhetisch sehr ansprechend.

Die Werksprozesse sind in allen Techniken gleich. Ren Rongs Ideen und Entwürfe kommen spontan, werden auf das Eisen, Holz und die Druckplatte zügig aufgetragen und handwerklich ausgeformt. Für die Papierschnitte bereitet er in freier Malerei leidenschaftlich aquarellierte Bögen vor, deren figurative, botanische und ornamentale Formen sich erst beim Schneiden ergeben. Die Papierschnitte führt der Künstler mit flinker und sicherer Hand stets bis zur Vollendung selbst durch. Es gibt keine Korrekturen, jedes Blatt ist perfekt und ein Unikat.

In den Werken Ren Rongs bilden sich das pure Leben und die Fülle der Natur ab. Das ist ins Unendliche hinein denkbar und eine ganz individuelle Hommage an Schöpfung und Schönheit. Die Begegnung mit diesem Kosmos ist sehr bereichernd. Regelmäßig bieten Museumsausstellungen und Präsentationen im Öffentlichen Raum auch in Deutschland, auch im Rheinland Möglichkeiten der geistigen, sinnlichen und künstlerischen Begegnung.

Bilder: Internationale Kunstakademie Heimbach

23. Mai 2020 || Beitrag von Prof. Dr. Frank Günter Zehnder, Kunsthistoriker, Direktor der Internationalen Kunstakademie Heimbach